Neuerscheinung: Stollbergs Inferno (Salomon)
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#1: Neuerscheinung: Stollbergs Inferno (Salomon) Autor: Heike J BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 16:33
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M. S. Salomon, Stollbergs Inferno

Kurzbeschreibung
Ein Philosophie-Thriller über die Hölle, die Revolte und das Absurde. Der Religionskritiker Jan Stollberg stirbt während einer Vorlesung und findet sich, zu seinem maßlosen Erstaunen und Entsetzen, in der christlichen Vorhölle wieder, die tatsächlich so aussieht, wie die katholische Kirche es seit Jahrhunderten predigt. Wie er sind dort alle Philosophen gefangen, die aufklärerisches Gedankengut vertreten haben, von Immanuel Kant bis Friedrich Nietzsche, von Karl Marx bis Albert Camus. Der unmittelbar bevorstehende Abtransport Ludwig Feuerbachs zur "Himmlischen Rampe" wird für die gepeinigten Gefangenen zum Anlaß, die höllischen Zustände nicht länger nur zu interpretieren, sondern sie zu verändern - sie planen den Aufstand gegen die Diktatur Gottes... Stollbergs Inferno ist ein spannender philosophischer Roman, der den Lesern in den Dialogen der gefangenen Philosophen die Erkenntnisse der großen Denker der Menschheit auf unterhaltsame, aber nie verniedlichende Weise näher bringt. Als kritisches Update zu Dantes Göttlicher Komödie gibt der Roman einen rasanten Überblick über 500 Jahre Kulturgeschichte. In gewisser Weise kann das Buch als "Sophies Welt für Erwachsene" gelesen werden - nicht nur wegen Stolbergs amouröser Abenteuer in der "Vorhölle der Unkeuschen", sondern vor allem, weil es um die "letzten Fragen" geht, um den Kampf mit dem Absurden, den letztlich wohl vergeblichen Versuch, der endlichen menschlichen Existenz dauerhaften Sinn zu verleihen.


Der Autor M. S. Salomon stellt sich hier selbst den Fragen und Kritiken.


[Um hier zu antworten muss man bei http://freigeisterhaus.de registriert sein.]


Zuletzt bearbeitet von Heike J am 31.05.2004, 11:11, insgesamt 3-mal bearbeitet

#2:  Autor: Heike J BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 16:56
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"Das Christentum hat sich seine Sonderstellung als ‚dümmste Religion’ redlich verdient!"


Interview mit dem Autor M.S.Salomon zu seinem Roman "Stollbergs Inferno"

#3:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:20
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Zunächst eine Vorbemerkung:

Zu diesem Thread kam es, weil ich zu meinem Erstaunen feststellen konnte, dass unverhältnismäßig viele User des Freigeisterhauses "Stollbergs Inferno" nicht nur gelesen haben, sondern auch lebhaft darüber diskutierten, was mich als Autor natürlich freute. Normalerweise klinke ich mich nicht in solche Diskussionen ein. Es wäre für mich auch ziemlich zeitraubend, wenn ich auf jede Diskussion reagieren würde, in der irgendetwas aus irgendeinem meiner Aufsätze oder Bücher zitiert, widerlegt oder kritisiert wird.

Dass ich nun doch eine Ausnahme mache und mich hier explizit in einem Forum den Fragen und Kritiken zu "Stollbergs Inferno" stelle, hat u.a. die folgenden drei Gründe:

1. Faulheit: Ich bekomme viele private Mails zu dem Roman, auf die ich irgendwie antworten muss. Dabei wiederholt sich vieles. Es wäre für mich also von großem Vorteil, wenn ich auf ein Forum verweisen könnte, in dem ich auf solche Punkte bereits eingegangen bin.

2. Neugier: Ich stieß auf dieses Forum, weil ich mir eine Presseerklärung des IBKA anschauen sollte. Dabei habe ich mir die verschiedenen Foren angeschaut und viele höchst interessante Beiträge gefunden (nicht nur zu Stollberg...). Ich hoffe daher auf eine gute Diskussion zu "Stollbergs Inferno". Es interessiert mich sehr, was ihr zu dem Buch denkt. Ich habe von Lesern schon Einiges über das Buch erfahren, was ich selber als Autor nicht wusste, was also eher unbewusst in den Roman eingeflossen ist...

3. "Dankbarkeit": Menschen, die in den gegenwärtigen Zeiten 16 Euro für einen philosophischen Roman ausgeben, haben einen besonderen "Service" verdient (auch wenn der Autor natürlich nur einen Bruchtei des Erlöses erhält) Smilie Zudem gebührt jenen, die im Internet über ein Buch diskutieren und es weiterempfehlen, ein zweiter Dank: Dass "Stollbergs Inferno" bislang überhaupt verkauft wurde, liegt daran, dass Menschen online oder offline das Buch empfohlen haben. Wären wir auf Rezensionen in den großen Zeitungen und Magazinen angewiesen, würde der Verlag noch immer auf der ersten, kleinen Auflage des Romans hocken. So aber konnte innerhalb von drei Monaten die zweite Auflage gedruckt werden...

Soweit die Vorrede.
Ich möchte jetzt auf eine Nachricht eingehen, die "Wanderer" im vorrangegangenen Stollberg- Thread gepostet hat:

Zitat:
Hallo! Ich habe Stollbergs Inferno auch auf Anraten von Nav gelesen und muss zugeben, dass mich noch nie zuvor eine Thematik so gefesselt hat.
Ich bin 16 und kannte daher einige der Philosophen gar nicht oder nur vom Namen. Stollbergs Inferno war dennoch das bis jetzt fesselndste Buch, das ich bis jetzt gelesen habe. Ich habe es daraufhin sofort meinem Bruder empfohlen, der es anschließend auch gelesen hat und sehr begeistert war.


Die Lektoren der großen Verlage, die den Roman "nach reiflicher Überlegung" abgelehnt haben, waren der Meinung, dass es Leute wie "Wanderer" gar nicht geben kann. Der Roman sei für junge Leser und Nicht-Philosophen zu kompliziert und für ältere Leser der Bildungsschicht nicht kompliziert (heißt wohl: unverständlich) genug!
Mich freut es sehr, dass gerade junge Menschen ohne Vorerfahrung den Roman anscheinend mit Genuss lesen können. Ich muss sagen, dass ich anfangs davon auch nicht überzeugt war. Daher freuen mich solche Rückmeldungen ganz besonders!

#4:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:26
    —
*InsPortmonneelukt*

Gibt's davon auch 'ne Taschenbuchausgabe? Lachen

Ich liebäugel schon länger mit dem Roman, auch wegen der zahlreichen positiven nennungen hier im Forum, aber 32 DM für ein Buch - das ist schon ein Batzen.


Zuletzt bearbeitet von Shadaik am 02.10.2003, 19:28, insgesamt einmal bearbeitet

#5:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:28
    —
riptor hat folgendes geschrieben:
*InsPortmonneelukt*

Gibt's davon auch 'ne Taschenbuchausgabe? Lachen


Das ist eine Taschenbuchausgabe. Pfeifen

#6:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:29
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
riptor hat folgendes geschrieben:
*InsPortmonneelukt*

Gibt's davon auch 'ne Taschenbuchausgabe? Lachen


Das ist eine Taschenbuchausgabe. Pfeifen

Geschockt

Das erklärt, warum es nicht in Navs Briefkasten passte.

#7:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:31
    —
riptor hat folgendes geschrieben:
Das erklärt, warum es nicht in Navs Briefkasten passte.


Qualität bedeutet nicht gleichzeitig Quantität. Lachen

#8:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:32
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
riptor hat folgendes geschrieben:
Das erklärt, warum es nicht in Navs Briefkasten passte.


Qualität bedeutet nicht gleichzeitig Quantität. Lachen

Es schließt sich aber scheinbar auch nicht aus.

#9:  Autor: nocquae BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:34
    —
riptor hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
riptor hat folgendes geschrieben:
Das erklärt, warum es nicht in Navs Briefkasten passte.


Qualität bedeutet nicht gleichzeitig Quantität. Lachen

Es schließt sich aber scheinbar auch nicht aus.

Das Buch hat 'nur' 240 Seiten. zwinkern

#10:  Autor: SermonWohnort: Sine Nomine BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:37
    —
riptor hat folgendes geschrieben:
*InsPortmonneelukt*

Gibt's davon auch 'ne Taschenbuchausgabe? Lachen

Ich liebäugel schon länger mit dem Roman, auch wegen der zahlreichen positiven nennungen hier im Forum, aber 32 DM für ein Buch - das ist schon ein Batzen.


Soll ich Dir morgen mein Exemplar zur Ausleihe mitbringen? Cool

#11:  Autor: nocquae BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:43
    —
Sermon hat folgendes geschrieben:
Soll ich Dir morgen mein Exemplar zur Ausleihe mitbringen? Cool

Und das auch noch in Gegenwart des Autors ... Lachen
Aber Riptor sollte sich vielleicht von der Lektüre dieses Threads zurückhalten, wenn er das Buch noch lesen will. zwinkern

@M.S.Salomon
Ich fand es übrigens interessant, was Rebecca bei ihrer ersten Lektüre (ich hatte es ihr auch ausgehliehen Verlegen ) aufgefallen war:
Die Sache mit dem "Sinn des Lebens" steht in Kapitel 42. Zufall oder Absicht? Am Kopf kratzen
Solche versteckten 'Bonbons' in Büchern liebe ich einfach. Lachen

#12:  Autor: SermonWohnort: Sine Nomine BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:47
    —
NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Sermon hat folgendes geschrieben:
Soll ich Dir morgen mein Exemplar zur Ausleihe mitbringen? Cool

Und das auch noch in Gegenwart des Autors ... Lachen


Ich bin weder mit dem Autor noch mit dem Verlag geschaeftlich verbunden. Cool

#13:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:51
    —
Sermon hat folgendes geschrieben:
riptor hat folgendes geschrieben:
*InsPortmonneelukt*

Gibt's davon auch 'ne Taschenbuchausgabe? Lachen

Ich liebäugel schon länger mit dem Roman, auch wegen der zahlreichen positiven nennungen hier im Forum, aber 32 DM für ein Buch - das ist schon ein Batzen.


Soll ich Dir morgen mein Exemplar zur Ausleihe mitbringen? Cool
Gerne.

Was mir grade auffällt: so oft wie das Buch verliehen wird kann MSS ja gar nichts daran verdienen. Lachen
Und wir kommen alle in die Vorhölle der Raubkopierer. zynisches Grinsen

#14:  Autor: SermonWohnort: Sine Nomine BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 19:59
    —
riptor hat folgendes geschrieben:
Was mir grade auffällt: so oft wie das Buch verliehen wird kann MSS ja gar nichts daran verdienen. Lachen


Das ist NICHT mein Problem.

Zitat:
Und wir kommen alle in die Vorhölle der Raubkopierer. zynisches Grinsen


Wie bitte, Du willst die simple Klebebindung durch 180 Grad knicken fuer das Kopiererglas ruinieren und mir ein derart zerfleddertes Exemplar zurueckgeben? Unter den Umstaenden wird das nichts mit der Ausleihe! Böse

#15:  Autor: Zebra BeitragVerfasst am: 02.10.2003, 22:28
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M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Hallo! Ich habe Stollbergs Inferno auch auf Anraten von Nav gelesen und muss zugeben, dass mich noch nie zuvor eine Thematik so gefesselt hat.
Ich bin 16 und kannte daher einige der Philosophen gar nicht oder nur vom Namen. Stollbergs Inferno war dennoch das bis jetzt fesselndste Buch, das ich bis jetzt gelesen habe. Ich habe es daraufhin sofort meinem Bruder empfohlen, der es anschließend auch gelesen hat und sehr begeistert war.


Die Lektoren der großen Verlage, die den Roman "nach reiflicher Überlegung" abgelehnt haben, waren der Meinung, dass es Leute wie "Wanderer" gar nicht geben kann. Der Roman sei für junge Leser und Nicht-Philosophen zu kompliziert und für ältere Leser der Bildungsschicht nicht kompliziert (heißt wohl: unverständlich) genug!
Mich freut es sehr, dass gerade junge Menschen ohne Vorerfahrung den Roman anscheinend mit Genuss lesen können. Ich muss sagen, dass ich anfangs davon auch nicht überzeugt war. Daher freuen mich solche Rückmeldungen ganz besonders!


Ich habe das Buch auch auf Navs Empfehlung hin gelesen. Und genau wie Wanderer war ich begeistert.
Dass man es ohne philosophische Vorbildung trotzdem flüssig und mit Genuss lesen konnte, mag auch an dem - für mich - äußerst nützlichen Glossar gelegen haben.

#16:  Autor: Heike J BeitragVerfasst am: 03.10.2003, 11:15
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Nergal hat folgendes geschrieben:
Verdammt!

Ich denke wir haben hier diesen Thread aufgemacht um über so etwas zu disskutieren, ja muß denn das sein, da kennt sich ja gar keiner mehr aus Motzen


In diesem Unterforum wird ausschließlich zum jeweiligen Threadthema disktiert! Alles andere wird grundsätzlich gelöscht!

#17:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 03.10.2003, 11:43
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Zebra schrieb:
Zitat:
Ich habe das Buch auch auf Navs Empfehlung hin gelesen. Und genau wie Wanderer war ich begeistert.
Dass man es ohne philosophische Vorbildung trotzdem flüssig und mit Genuss lesen konnte, mag auch an dem - für mich - äußerst nützlichen Glossar gelegen haben.


Im Nachhinein hat es sich als gut erwiesen, dass wir den Anhang (Glossar: Die historischen Personen des Romans und ihr postmortales Schicksal) in das Buch aufgenommen. Ich hatte zwar schon ganz am Anfang mit dem Gedanken gespielt, ihn aber zunächst einmal verworfen, weil ich den belletristischen Charakter des Buches nicht aufheben wollte. Die Außenvertreter des Alibri Verlages meinten jedoch, eine solche Erläuterung am Schluss könne für die Leser ganz hilfreich sein. Also habe ich diesen Teil kurz vor der Drucklegung in zwei Tagen zusammengestückelt...

Zum Thema Preis:
Ich wünschte auch, dass Buch könnte zu einem niedrigeren Preis verkauft werden. Aber bei der doch recht kleinen Auflage würde sich das für den Verlag nicht rechnen. Ich habe ja noch ein wenig Hoffnung, dass das Buch vielleicht in Lizenz in einem größeren Verlag zu einem kleineren Preis erscheinen könnte (beispielsweise bei Zweitausendeins), aber dafür müssten wir wohl noch etwas bessere Verkaufszahlen erzielen.
Ich gebe zu, 16 Euro sind kein Pappenstiel, anderseits kann man für den Preis gerade einmal halbwegs vernünftig essen gehen...

Zur Ausleihe
Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass Leute, die sich das Buch nicht leisten können, sich den Roman ausleihen. Ist ja eigentlich auch erfreulich, wenn ein Buch häufiger gelesen wird als es verkauft wird. (Bei manchem sog. "Bestseller" sieht das möglicherweise ganz anders aus...)

Aber natürlich müssen Verlag und Autor auch überleben. Wer will, dass Projekte wie "Stollbergs Inferno" auch in Zukunft noch realisiert werden können, tut gut daran, irgendetwas dafür zu tun, dass solche Bücher auch verkauft werden. Das kann geschehen, indem man Bücher dieser Art entweder selbst erwirbt, sich schenken lässt oder indem man solche Bücher weiterempfiehlt, so dass andere sie irgendwann einmal kaufen werden.
Letzteres habt ihr ja getan, insofern habe ich gar keinen Grund, mich hier zu beschweren... Smilie

#18:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 03.10.2003, 11:50
    —
Sermon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Und wir kommen alle in die Vorhölle der Raubkopierer. zynisches Grinsen


Wie bitte, Du willst die simple Klebebindung durch 180 Grad knicken fuer das Kopiererglas ruinieren und mir ein derart zerfleddertes Exemplar zurueckgeben? Unter den Umstaenden wird das nichts mit der Ausleihe! Böse

Ich meinte natürlich die Vorhölle der Raubkopierer und Verleiher sowie der Bibliothekare.

#19:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 03.10.2003, 12:06
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NOCQUAE schrieb:

Zitat:
Ich fand es übrigens interessant, was Rebecca bei ihrer ersten Lektüre (ich hatte es ihr auch ausgehliehen Verlegen ) aufgefallen war:
Die Sache mit dem "Sinn des Lebens" steht in Kapitel 42. Zufall oder Absicht?


Absicht! Smilie
Ich stand vor der Entscheidung, ob ich Zappa oder Douglas Adams in der "Fakultät der Schönen Künste" auftreten lassen sollte. Da ich die Fraktion der "entarteten Musiker" wenigstens durch eine Person repräsentieren wollte, habe ich mich für Zappa entschieden. Douglas Adams "Geist" ist trotzdem anwesend - in dem Sinne nämlich, dass der Sinn des Lebens (bzw. der Geschichte) in Kapitel 42 behandelt wird.
Übrigens habe ich es auch bewusst so konstruiert, dass im Anschluss an die Frage nach dem Sinn (Kapitel 42) ein weiteres Kapitel kommt. In Kapitel 43 geht es nicht mehr um Sinn und Unsinn, sondern um die nüchterne Feststellung der Vergeblichkeit und Banalität des Lebens. Es wäre zu pathetisch gewesen, wenn das Buch mit Kapitel 42 sein Ende gefunden hätte.

Zitat:
Solche versteckten 'Bonbons' in Büchern liebe ich einfach.


Geht mir genauso. Ist wie beim Ostereiersuchen.
"Stollbergs Inferno" ist in der Tat voller versteckter Bonbons. Die meisten habe ich ganz bewusst eingebaut. Es gibt aber auch einige, die mir eher "unbewusst aus der Tasche geglitten sind" und die ich erst bemerkt habe, nachdem mich Leser darauf hingewiesen haben...

#20:  Autor: SermonWohnort: Sine Nomine BeitragVerfasst am: 03.10.2003, 12:19
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M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
NOCQUAE schrieb:

Zitat:
Ich fand es übrigens interessant, was Rebecca bei ihrer ersten Lektüre (ich hatte es ihr auch ausgehliehen Verlegen ) aufgefallen war:
Die Sache mit dem "Sinn des Lebens" steht in Kapitel 42. Zufall oder Absicht?


Absicht! Smilie
Ich stand vor der Entscheidung, ob ich Zappa oder Douglas Adams in der "Fakultät der Schönen Künste" auftreten lassen sollte. Da ich die Fraktion der "entarteten Musiker" wenigstens durch eine Person repräsentieren wollte, habe ich mich für Zappa entschieden. Douglas Adams "Geist" ist trotzdem anwesend - in dem Sinne nämlich, dass der Sinn des Lebens (bzw. der Geschichte) in Kapitel 42 behandelt wird.
Übrigens habe ich es auch bewusst so konstruiert, dass im Anschluss an die Frage nach dem Sinn (Kapitel 42) ein weiteres Kapitel kommt. In Kapitel 43 geht es nicht mehr um Sinn und Unsinn, sondern um die nüchterne Feststellung der Vergeblichkeit und Banalität des Lebens. Es wäre zu pathetisch gewesen, wenn das Buch mit Kapitel 42 sein Ende gefunden hätte.


Wobei in der SF-Satire von Douglas Adams die Antwort "42" auf die "Sinnfrage" auch schon hintergruendig ist:

Im ASCII-Code ist der Dezimalwert fuer das Stern-Zeichen (*) = 42. Und das gibt ja fuer diverse Assoziationen Raum. zwinkern

#21:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 04.10.2003, 10:56
    —
Sermon schrieb:
Zitat:
Wobei in der SF-Satire von Douglas Adams die Antwort "42" auf die "Sinnfrage" auch schon hintergruendig ist:

Im ASCII-Code ist der Dezimalwert fuer das Stern-Zeichen (*) = 42. Und das gibt ja fuer diverse Assoziationen Raum. Winken


Interessant, das war mir gar nicht bewusst. Mal wieder was gelernt. Danke! Smilie

#22: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 04.10.2003, 11:14
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Es gab einige LeserInnen, die mit der Darstellung sexueller Handlungen im Roman nicht einverstanden waren. Einge meinten, dies würde dem sonstigen "Niveau des Buches" nicht entsprechen
Das schlägt sich auch in einigen Rezensionen wieder, die obgleich sonst überaus freundlich, gerade diesen Punkt monierten.

So schrieb Rolf Cantzen:
Zitat:
Dass sich im Fegefeuer schwellende Schwänze nach höllischen Orgasmusschwierigkeiten schließlich doch lustvoll entladen ist irgendwie tröstlich, doch an heißen Sex sollte mann sich als Schriftsteller doch besser erst im zweiten oder dritten Roman heranwagen.


Und im Düsseldorfer Szene-Magazin "Terz" hieß es:
Zitat:
Voller Witz und Ironie geht er nicht nur auf die christliche Heilslehre ein, sondern gibt auch einen Schnelleinstieg in die Philosophie. Eine Vielzahl von Philosophen werden kurz vorgestellt und in die Geschichte integriert, so lernt man mehr über die Gelehrten als durch manches Sachbuch. Etwas fehl am Platze erscheint die ausgewalzte Sexszene, aber das sei verziehen.


Andere sahen die Sache völlig anders.
Beispielsweise Joachim Goetz in "Aufklärung und Kritik":
Zitat:
Keine kunstvollen Terzinen, keine „genialen“ höllischen Phantasien, aber eine lässige, witzige, und ehrliche Sprache, ehrlich und nicht verklemmt, gerade auch wenn es um die Schilderung der Liebesabenteuer des Helden geht.


Oder Carsten Frerk in "humanismus aktuell":
Zitat:
Die Sprache des Romans ist klar und ohne falsche Scham, so dass auch noch die vorgeblich unaussprechlichsten Situationen keine Spur von Peinlichkeit enthalten oder verursachen.


Mich würde interessieren, wie ihr das seht... Hätte ich den Sex besser aus der Handlung herausnehmen sollen? Ja oder nein?

BTW: Ihr findet zahlreiche Rezenzionen im Stollberg-Feature meiner Website: [url] http://www.schmidt-salomon.de/stollberg0.htm [/url]

#23:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 04.10.2003, 11:21
    —
Ich finde es eine interessante Version davon, wie Höllenqualen denn so aussehen könnten. Kann man machen, muss man nicht, war aber mE passend.

Die Bemerkung von Rolf Cantzen finde ich seltsam - ob er wohl eine Liste da liegen hat, was man ab dem wie vielten Roman machen darf? Und ob er Günther Grass für die Blechtrommel das selbe vorgeworfen hätte?
Ich kann ihn in seiner Kritik ja nachvollziehen, aber die Begründung ist lächerlich.

#24:  Autor: Nergal BeitragVerfasst am: 04.10.2003, 12:12
    —
Es wird ja nicht das ganze Buch hindurch kopuliert, ich kann mich spontan nur an zwei Stellen erinnern.
Gehört eben zum Leben dazu, ich sah das ganze aber auch wieder als Anspielung darauf das sich die Helden, selbst in der Vorhölle, nicht unterkrigen lassen, der Mensch stärker ist als kranke Dogmen.

Auch gut gelungen die schwache Figur Gottes, ein Abbild nur dessen was der Mensch wünscht, selbst aber allem menschlichen fremd, ja es geradezu hassend, nicht umsonst wird Jesus ohne Sexualität erzeugt.
Der Geist kommt über seine Mutter, sie ist aber immer noch Jungfrau, später ruft Ihr Sohn sie nur mit Weib, das Verhältniss ist gestört, der Vater dem Sohn auch entfremdet.
Nur das Produkt derer die selbst schwach im Geiste sind, bearbeitet von den heutigen vorstellungen seiner Gläubigen bleibt nur mehr ein, wie Nietzsche so treffend meinte, "kastrierter Gott" übrig der bereits den Schutz des Staates benötigt.

"Gott lebt....

in schlecht belüfteten 1500 cm² Dachapartements!" zynisches Grinsen

#25: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: AlziWohnort: Oberfranken BeitragVerfasst am: 04.10.2003, 15:18
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Mich würde interessieren, wie ihr das seht... Hätte ich den Sex besser aus der Handlung herausnehmen sollen? Ja oder nein?


Das wäre wohl übertrieben.
Aber für unsere Kinder und Heranwachsenden hätte man das Buch wenigstens in einen Schutz-Umschlag stecken können.

#26:  Autor: nocquae BeitragVerfasst am: 04.10.2003, 16:47
    —
Die 'Begründungen' der Gegener der Sex-Darstellungen kann ich nicht so recht nachvollziehen.
(was vielleicht daran liegen mag, dass sie gar keine Begründungen anführen ... zynisches Grinsen )
Ich vermute mal, dass ihre unterschwellige und höchst antiquierte Einstellung die ist, "dass Sex in einem ernsthaften Buch nichts zu suchen habe."
Dem muss entgegnet werden, dass solche Darstellungen überhaupt erst durch ihre ganz 'beiläufige' und 'natürliche' Erwähnung in einem solchen Roman aus der Schmuddelecke herausgeholt werden. Da haben Joachim Goetz und Carsten Frerk schon recht: die Darstellung wirkt nicht aufgesetzt oder peinlich.
Im Gegenteil bin ich sogar der Ansicht, dass die Szene (oder zumindest die Einbeziehung der Sexualität als Gesamtes) durchaus ihre Existenzberechtigung hat - wenn sie sich nicht sogar geradezu zwingend aus der Handlung ergibt: immerhin erscheint die Verwendung von menschlichen Grundbedürfnissen als Foltermethode in der Hölle schon bei den 'Mahlzeiten'. Und Sex gehört nur folgerichtig ebenfalls in diese Reihe ...

#27: Stollbergs Inferno Autor: Krickel BeitragVerfasst am: 05.10.2003, 08:41
    —
Hallo, das Buch ist eine wunderschön lesbare Zusammenfassung für Leute, die sich nicht nur aussschließlich mit Philosophie Theologie usw beschäftigen/beschäftigen können und auch von ihrer Vorbildungf häufig Schwierigkeiten haben, sich da zurechtzufinden (wie ich). Es gibt wenig Bücher in dieser Richtung.
Meine Frage ist, hat sich M.S. Salomon so ein klein wenig an die Novelle "Ereignis am Eulenfluss" vom Ambroce Bierce bzw an den Film "Jakobsleiter" angelehnt? Die Idee kam mir spontan beim Lesen.
Ansonsten bin ich froh, direkt von der ersten Ausgabe eines erhalten zu haben.
Gruß
Krickel

#28:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 05.10.2003, 11:49
    —
OT: Hi Krickel!

#29:  Autor: Krickel BeitragVerfasst am: 05.10.2003, 12:02
    —
step hat folgendes geschrieben:
OT: Hi Krickel!

Ja, Hallo Step und einen schönen Sonntag!
Krickel

#30:  Autor: Evilbert BeitragVerfasst am: 05.10.2003, 12:52
    —
Ich hab zwar erst die Onlinekapitel gelesen (mein Exemplar liefert Amazon zwischen 7. und 10.), aber ich fand es gerade ein Genuss, sowas mal serviert zu bekommen, weil man es eben selten liest, jedenfalls in dieser Qualität nicht. Gerade weil Sexualität vermeintlich in "ernsthafter" Literatur nichts zu suchen hat, gibt es da wohl - außer man sucht explizit nach diesem ausschließlichen Thema, vermute ich - recht wenig.

Und da Sexualität zum Menschsein wesentlich dazugehört, ist dies eine schmerzliche Lücke in Büchern, die sich mit dem Menschsein befassen, die in "Stollbergs Inferno", jedenfalls soweit ich bisher gelesen habe, erfolgreich gefüllt ist. Ein subjektives Kriterium ist doch immer, ob man sich mehr davon wünscht, und für meinen Teil kann ich da nur sagen, dass gerade auch das 16. Kapitel mich "infiziert" hat.

Als alter Rollenspieler bin ich übrigens schon sehr darauf gespannt, wie der Plot der Rebellion sich entfaltet - glücklicherweise wurde bisher ja noch nichts verraten, und weil ich ja nicht weiss, ob das auch so bleibt, schneie ich bis demnächst vorsichtshalber in diesen Zweig nicht mehr rein.

#31:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 01:36
    —
Da im alten Thread wohl nicht mehr weiterdiskutiert wird, kopiere ich meinen Beitrag mal hier rüber:

M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Das Buch ist sehr gut gelungen, besonders der Vergleich der Vorhölle mit Kzts, seltsam nur das die Kirch dabei nicht aufgemuckt hat wo doch Ihr Stück das Maria Syndrom verboten wurde.

Es gab und gibt wohl Bestrebungen, dies zu tun, allerdings denke ich, dass die Anlage des Buches (die Höllendarstellung ist ja bloß die Fiktion eines sterbenden Mannes) es den Kirchenjuristen schwermacht, ein solches Verbot juristisch zu begründen.


Menno, jetzt hast Du ja die Pointe verraten. Cool
Das hat mir übrigens beim Lesen schon nicht so gut gefallen: Es wird zu früh klar, worauf die Story hinausläuft.

#32:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:00
    —
thaukelt hat folgendes geschrieben:
Da im alten Thread wohl nicht mehr weiterdiskutiert wird, kopiere ich meinen Beitrag mal hier rüber:

M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Das Buch ist sehr gut gelungen, besonders der Vergleich der Vorhölle mit Kzts, seltsam nur das die Kirch dabei nicht aufgemuckt hat wo doch Ihr Stück das Maria Syndrom verboten wurde.

Es gab und gibt wohl Bestrebungen, dies zu tun, allerdings denke ich, dass die Anlage des Buches (die Höllendarstellung ist ja bloß die Fiktion eines sterbenden Mannes) es den Kirchenjuristen schwermacht, ein solches Verbot juristisch zu begründen.


Menno, jetzt hast Du ja die Pointe verraten. Cool
Das hat mir übrigens beim Lesen schon nicht so gut gefallen: Es wird zu früh klar, worauf die Story hinausläuft.


Das stimmt. Spätestens dort, wo Stollberg auf den indischen Atheisten trifft wird klar, was gespielt wird.

#33:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:13
    —
Zum Thema Sex:

riptor schrieb:
Zitat:
Die Bemerkung von Rolf Cantzen finde ich seltsam - ob er wohl eine Liste da liegen hat, was man ab dem wie vielten Roman machen darf? Und ob er Günther Grass für die Blechtrommel das selbe vorgeworfen hätte?


Nun, Rolf Cantzen deutete damit an, dass ich noch etwas hätte "üben" sollen, bevor ich "heiße Sexszenen" schreibe. Anscheinend findet er gerade diese Szenen sprachlich nicht gelungen (puritanisch ist er aber ganz sicherlich nicht...) Anscheinend ist dies aber Geschmacksache, andere Rezensenten haben ja hervorgehoben, dass sie die Sprache gerade auch in diesen Szenen als angemessen empfinden.

Nergal schrieb:
Zitat:
Es wird ja nicht das ganze Buch hindurch kopuliert, ich kann mich spontan nur an zwei Stellen erinnern. Gehört eben zum Leben dazu, ich sah das ganze aber auch wieder als Anspielung darauf das sich die Helden, selbst in der Vorhölle, nicht unterkrigen lassen, der Mensch stärker ist als kranke Dogmen.


Das war auch meine Begründung, warum ich die Szenen, über die schon im Vorfeld der Veröffentlichung diskutiert wurde, drinhaben wollte.
Es stimmt auch, dass es nur 2 Szenen im Buch sind. (Genaugenommen "kommt" der Held der Geschichte jedoch drei Mal (und wenn man bedenkt, dass sich die ganze Geschichte ja nur in ein paar Millisekunden abspielt, ist das schon ne gute Leistung Lachen )

Nocquae schrieb:
Zitat:
Dem muss entgegnet werden, dass solche Darstellungen überhaupt erst durch ihre ganz 'beiläufige' und 'natürliche' Erwähnung in einem solchen Roman aus der Schmuddelecke herausgeholt werden. Da haben Joachim Goetz und Carsten Frerk schon recht: die Darstellung wirkt nicht aufgesetzt oder peinlich.


Freut mich, dass du das so siehst...

Zitat:
Im Gegenteil bin ich sogar der Ansicht, dass die Szene (oder zumindest die Einbeziehung der Sexualität als Gesamtes) durchaus ihre Existenzberechtigung hat - wenn sie sich nicht sogar geradezu zwingend aus der Handlung ergibt: immerhin erscheint die Verwendung von menschlichen Grundbedürfnissen als Foltermethode in der Hölle schon bei den 'Mahlzeiten'. Und Sex gehört nur folgerichtig ebenfalls in diese Reihe ...


Richtig, darauf habe ich ja bereits in dem Interview auf humanist.de hingewiesen...

Zitat:
Die meisten Abenteuer, die Jan Stollberg zu überstehen hat, sind nicht sexueller Natur. Aber selbst wenn dem so wäre, sähe ich darin kein Problem, denn Sexualität ist nun einmal Urquelle und Antriebsmotor des Lebens. Dass diese Quelle der Lebenslust vom Christentum auf derart gravierende Weise domestiziert und verunreinigt wurde, hat schon Nietzsche völlig zu Recht als "Kapitalverbrechen am Leben" angeprangert. Im Roman habe ich versucht, beide Seiten aufzuzeigen – sowohl die lebensbejahende Kraft der Libido als auch die lebensvergiftende, religiöse Reaktion auf die ach so dunkle Bedrohung einer freien Sexualität.


Alzi schrieb:
Zitat:
Aber für unsere Kinder und Heranwachsenden hätte man das Buch wenigstens in einen Schutz-Umschlag stecken können.


Ernst gemeint? Wenn ja, wie hätte denn der Schutzumschlag aussehen sollen?
Der Hinweis ist interessant, weil er auf einen Themenkomplex hinweist, über den ich auch nachgedacht habe. Vor kurzem habe ich mit einem Gymnasial-Lehrer gesprochen, der mir sagte, er hätte den Roman gerne im Unterricht (Oberstufe) behandelt, wenn da nicht diese Sex-Szenen wären... Smilie
Ist das eine Ausrede oder was haltet ihr davon? Einige von euch gehen ja noch zur Schule. Was würde passieren, wenn ihr "Stollbergs Inferno" als Schullektüre in der Oberstufe vorschlagen würdet? Wäre ja mal ein interessantes Experiment, nicht wahr?
Smilie

#34:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:16
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
(Genaugenommen "kommt" der Held der Geschichte jedoch drei Mal (und wenn man bedenkt, dass sich die ganze Geschichte ja nur in ein paar Millisekunden abspielt, ist das schon ne gute Leistung Lachen )


In diesem Fall kann man wohl mit Fug und Recht von maßloser Selbstüberschätzung sprechen. Mr. Green

#35:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:19
    —
Ich fand die Sexszenen gut und passend - und vor allem "menschlich", auch wenn die Sache in der Vorhölle auch hätte unangenehmer ausgehen können... aber das Mädel hatte die Sache ja gut im Griff! Smilie

Warum mit den Sexszenen in einer Oberstufe ein Problem gegeben sein soll, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht - man ist in dem Alter wohl alt genug, um ein bißchen Sex aushalten zu können. Da steckt halt noch die alte Prüderie christlicher Prägung drinnen.

Nein, die Sexszenen gehören in das Buch 'rein - sowas ist Teil des Lebens und ganz wichtig fürs persönliche Wohlergehen. Ohne Sex wäre das Buch irgendwie nicht so ehrlich und aufrichtig gewesen.

#36:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:24
    —
Nav hat folgendes geschrieben:
Warum mit den Sexszenen in einer Oberstufe ein Problem gegeben sein soll, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht - man ist in dem Alter wohl alt genug, um ein bißchen Sex aushalten zu können. Da steckt halt noch die alte Prüderie christlicher Prägung drinnen.


Das verwundert mich ehrlich gesagt auch ein wenig. "The catcher in the rye" z. B. ist Standardlektüre in der Oberstufe und dreht sich im Prinzip um wenig anderes als um die sexuellen Fantasien eines Pubertierenden.

#37:  Autor: nocquae BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:24
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Richtig, darauf habe ich ja bereits in dem Interview auf humanist.de hingewiesen...

Zitat:
Die meisten Abenteuer, die Jan Stollberg zu überstehen hat, sind nicht sexueller Natur. Aber selbst wenn dem so wäre, sähe ich darin kein Problem, denn Sexualität ist nun einmal Urquelle und Antriebsmotor des Lebens. Dass diese Quelle der Lebenslust vom Christentum auf derart gravierende Weise domestiziert und verunreinigt wurde, hat schon Nietzsche völlig zu Recht als "Kapitalverbrechen am Leben" angeprangert. Im Roman habe ich versucht, beide Seiten aufzuzeigen – sowohl die lebensbejahende Kraft der Libido als auch die lebensvergiftende, religiöse Reaktion auf die ach so dunkle Bedrohung einer freien Sexualität.
Verlegen ich hätte da Interview vielleicht NOCHMAL lesen sollen ... das erste Mal ist schon wieder zu lange her. Lachen

Zitat:
Alzi schrieb:
Zitat:
Aber für unsere Kinder und Heranwachsenden hätte man das Buch wenigstens in einen Schutz-Umschlag stecken können.


Ernst gemeint?
Nein, mit Sicherheit nicht. Lachen

Zitat:
Ist das eine Ausrede oder was haltet ihr davon? Einige von euch gehen ja noch zur Schule. Was würde passieren, wenn ihr "Stollbergs Inferno" als Schullektüre in der Oberstufe vorschlagen würdet? Wäre ja mal ein interessantes Experiment, nicht wahr? Smilie
Ich halte es für eine Ausrede. Aber vielleicht ist der Betreffende auch einfach nur zu unsicher, um mit solchen Beschreibungen in einem Roman sicher umgehen zu können.
Wenn ich da so überlege, welche Bücher einige meiner Bekannten in der Schule gelesen haben. Mit den Augen rollen
Und in Philosophie haben wir größere Teile einer Verfilmung von de Sades 'Justine' geschaut ... Mit den Augen rollen
Auch rechtliche Bedenken leuchten mir nicht ganz ein: spätestens in der Jgst. 13 sind alle Kursteilnehmer bereits volljährig.

#38:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:35
    —
Mal ernsthaft, zum Thema "Verbot sexueller Darstellungen für Jugendliche":

Wenn ich meine eigenen Fantasien mit den Darstellungen in der Kunst vergleiche, so sind erstere WESENTLICH "geiler"... zumindest für mich, weil im Kopfkino macht man halt das, was man wirklich scharf findet.

Ich muß aber zugeben, daß in der Szene in der Vorhölle der Unkeuschen schon einige auch für mich inspirierende Dinge dabei waren, die natürlich auch die Fantasie anregen, aber darum gehts hier nicht.

Jedenfalls paßt das genau so, wie es drinnen ist. Das Buch wird dadurch vielseitiger, vor allem, weil sich eine wunderschöne Liebesgeschichte daraus entwickelt.

#39:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:45
    —
Krickel schrieb:
Zitat:
Hallo, das Buch ist eine wunderschön lesbare Zusammenfassung für Leute, die sich nicht nur aussschließlich mit Philosophie Theologie usw beschäftigen/beschäftigen können und auch von ihrer Vorbildungf häufig Schwierigkeiten haben, sich da zurechtzufinden (wie ich). Es gibt wenig Bücher in dieser Richtung.
Meine Frage ist, hat sich M.S. Salomon so ein klein wenig an die Novelle "Ereignis am Eulenfluss" vom Ambroce Bierce bzw an den Film "Jakobsleiter" angelehnt? Die Idee kam mir spontan beim Lesen.


Ich muss gestehen: Ich kenne weder die Novelle noch den Film. Worum geht es da?

thaukelt schrieb:

Zitat:
Das hat mir übrigens beim Lesen schon nicht so gut gefallen: Es wird zu früh klar, worauf die Story hinausläuft.


Nav ergänzte:

Zitat:
Das stimmt. Spätestens dort, wo Stollberg auf den indischen Atheisten trifft wird klar, was gespielt wird.


Hmm, waren dadurch die letzten Kapitel (die 45 Seiten nach dem Indienkapitel) weniger spannend? Eigentlich wollte ich die Geschichte in der Schwebe halten. Es sollte nicht ganz klar sein, wie die Geschichte am Ende ausgeht. Mir war es aber auch wichtig, Stollbergs Zweifel an der Authentizität der Geschehnisse aufrecht zu erhalten. Am stärksten kommen diese Zweifel schon viel früher auf, nämlich in Kapitel XXIII (S.115 ff.), wo Stollberg feststellt, dass all das, was er erlebt, in Verbindung mit seinen Vorerfahrungen steht.

Manche Leserreaktionen haben mir gezeigt, dass ich dies vielleicht noch stärker hätte ausbauen können (was allerdings die Voraussagbarkeit der Handlung noch verschärft hätte). So hat eine Lektorin das Buch dahingehend kritisiert, dass sich die auftretenden Personen zu ähnlich seien und keine "Tiefe" hätten. Sie hat einfach übersehen, dass die Charaktere der Handlung allesamt Teile von Stollbergs Persönlichkeit repräsentieren, eine gewisse Ähnlichkeit der Charaktere also notwendigerweise vorherrschen muss...

Noch was zur Voraussagbarkeit: Ihr geht natürlich mit gewissen Vorerwartungen an das Buch heran. Da ich ein naturwissenschaftlich denkender Mensch bin, musste ich natürlich irgendwie den Bogen finden - und die Geschichte am Ende auf den Boden der Realität zurückholen...

Kann man mich oder das Buch aber nicht von vornherein einschätzen, ist man - wie ich von verschiedener Seite erfahren habe - am Ende doch von den Wendungen der drei Schlusskapitel überrascht. So erging es beispielsweise einem "philosophischen Satanisten", der in seiner Rezension von "Stollbergs Inferno" schrieb:

Zitat:
Die Wende kurz nach dem grandiosen Handlungs-Finale wird die Leserschaft wohl ambivalent beurteilen, man darf aber nicht vergessen, dass MSS vermutlich Empiriker ist und damit natürlich vor dem Hintergrund einseitig linear orientierter Paradigmen, also entsprechend zweidimensional interpretiert werden muss.
Aber es handelt sich um eine fiktive Erzählung zu Unterhaltungs- und Inspirationszwecken und die elegante Pirouette, mit der sich M.S.S aus der dramaturgischen Sackgasse rettet, weist ihn als erstklassigen Erzähler aus.

#40:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:50
    —
Weniger spannend auf keinen Fall, aber irgendwie hatte ich an der Stelle für 5 Sekunden oder so ein bißchen das Gefühl der Enttäuschung.

#41:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 11:54
    —
Nocquae schrieb:

Zitat:
Ich halte es für eine Ausrede. Aber vielleicht ist der Betreffende auch einfach nur zu unsicher, um mit solchen Beschreibungen in einem Roman sicher umgehen zu können.
Wenn ich da so überlege, welche Bücher einige meiner Bekannten in der Schule gelesen haben.
Und in Philosophie haben wir größere Teile einer Verfilmung von de Sades 'Justine' geschaut ...


Na, dann bin ich ja beruhigt Lachen
Es wäre schön, wenn jemand die Probe aufs Exempel machen könnte!
Es interessiert mich wirklich brennend, wie Deutsch-, Ethik-, Philosophie- oder Reli-Lehrer (hahaha!) damit umgehen, wenn ein Schüler "Stollbergs Inferno" als Lektüre vorschlägt... Sehr glücklich

#42:  Autor: fornitWohnort: Wohn ich in der Wüste oder andersum? BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 22:36
    —
Zitat:

So hat eine Lektorin das Buch dahingehend kritisiert, dass sich die auftretenden Personen zu ähnlich seien und keine "Tiefe" hätten. Sie hat einfach übersehen, dass die Charaktere der Handlung allesamt Teile von Stollbergs Persönlichkeit repräsentieren, eine gewisse Ähnlichkeit der Charaktere also notwendigerweise vorherrschen muss...


als autor kann man sich imo schwerlich damit rausreden, daß die story nicht mehr tiefgang oder eben eine diffenzierte charakterdarstellung erlaubte. auch ich habe an dem ansonsten guten roman eben das "romanhafte", also detaillierte situations- und charakterzeichnungen vermisst. allgemein halte ich für etwas suspekt, dass ein roman, in dessen zentrum der mensch steht, ganz ohne menschen auskommt. ein bisschen lebendiger hätte das ganze schon sein können, meinetwegen auch auf kosten einiger feinheiten im plot.

Zitat:

Noch was zur Voraussagbarkeit: Ihr geht natürlich mit gewissen Vorerwartungen an das Buch heran. Da ich ein naturwissenschaftlich denkender Mensch bin, musste ich natürlich irgendwie den Bogen finden - und die Geschichte am Ende auf den Boden der Realität zurückholen...


sehe ich nicht so. bringt es den leser irgendwie weiter, zu wissen, daß mss nicht an gott glaubt? weiss er das nicht sowieso?
mir hätte ein offenes ende wesentlich besser gefallen.
auf den ganzen roman bezogen sehe ich das eben auch ein ganzes stück anders als poincare. gerade als erzähler hast du noch etwas geschwächelt. ein wirklich guter erzähler erzählt eben zunächst einmal eine geschichte und überlässt es dem leser, sich eine meinung zu bilden. in stollbergs inferno ist deine meinung leider ständig präsent, so daß sich das mitdenken leider aufs verstehen beschränken muss, weil die beurteilung der handlung ja schon vorgekaut wurde.

für deine neuen leser mag das auch alles nicht so schwerwiegend sein. aber wenn man wie ich großteile deiner webseite kennt und außerdem "erkenntnis aus engagement" gelesen hat - was btw im gegensatz zu diesem "nur guten" roman ein ganz hervorragendes buch ist - empfindet man es doch als eher unangenehm, wenn man den autor mehr oder weniger in jeder zeile eines buches wiederfindet.

was den sex angeht: kann man im prinzip so lassen, denke ich. wobei ich die vorstellung, daß "warme, liebevolle" menschen die ejaklationsstimulanz schlechthin seien, schon ziemlich kitschig, um nicht zu sagen zeugen-jehova-style, finde.

cu, fornit

#43:  Autor: Nergal BeitragVerfasst am: 06.10.2003, 23:23
    —
Sexualität in der Hölle, dem Ort der Sünde und Sünden verrechnung schlechthin, und das ganze wird nicht in der Oberstufe behandelt?

Die Lehrer sind auch nicht mehr so konfrontationsfreudig wie früher, das was in Stolbergs Inferno steht haben die Schüler doch längst mit 13-14 ausprobiert zynisches Grinsen da wird doch höchstens die jungfräuliche relilehrerin rot.

Wo mir gerade einfällt wieso ist die Gewalt immer noch so viel Salonfähiger als Sex?
Wenn Anhuld, Stalone , und Bronson böse Buben zu hunderten killen dann finden wir das vollkommen ok,wenn aber irgendwo mehr gescvhieht als nur dröges herumgefummle dann ist das gleich schlimme Pornographie.

Wo wir gerade bei gewalt sind, hat eigentlich irgendwer von euch meine Comicempfehlungen: "Lobo der Engelmacher" bzw "Lobo, Himmel und Hölle" gelesen?
Da wird sozusagen ausführlich zelebriert was Stollberg und Co ganz fix ausführen Mit den Augen rollen
Lobo, ein unsterblicher Kopfgeldjäger (unsterblich deshalb weil man ihn weder im himmel noch in der hölle je mals wieder sehen will) wird von einigen Mönchen angeheuert um Ihren Gott umzulegen, aber vorsicht Lobo gilt als die am meisten gewaltverherrlichende Figur seit Spawn.



"Natürlich verstossen diese Raketen gegen die Genferkonvention, aber ich hab sie ja nicht unterschriben!" -Lobo, riding the Godwave-

#44:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 07.10.2003, 03:40
    —
fornit schrieb:
Zitat:
als autor kann man sich imo schwerlich damit rausreden, daß die story nicht mehr tiefgang oder eben eine diffenzierte charakterdarstellung erlaubte. auch ich habe an dem ansonsten guten roman eben das "romanhafte", also detaillierte situations- und charakterzeichnungen vermisst. allgemein halte ich für etwas suspekt, dass ein roman, in dessen zentrum der mensch steht, ganz ohne menschen auskommt. ein bisschen lebendiger hätte das ganze schon sein können, meinetwegen auch auf kosten einiger feinheiten im plot.


Ich kann diese Kritik sehr gut nachvollziehen. Dieses Problem war mir während des Schreibens sehr bewusst. In gewisser Weise trugen der Geschichtenerzähler und der Philosoph in mir einen Kampf aus - und oftmals unterlag auch der Geschichtenerzähler, das gebe ich zu. Der bislang schärfste Kritiker des Romans zitierte in diesem Zusammenhang einen Satz aus der Feder des jungen Ernst Bloch: "Es gibt nur Karl May und Hegel, alles dazwischen ist eine unreine Mischung."
Natürlich ist Stollbergs Inferno in dieser Hinsicht eine unreine Mischung, das Buch ist für einen Roman zu philosophisch, und für ein Philosophie-Lehrbuch zu romanhaft. Man kann darüber streiten, ob man das eine oder andere Element hätte stärker gewichten sollen. Sicherlich werden in dem Roman eher Ideen, Stereotype, Denkmuster vorgeführt als reale Menschen. Aber so war die Geschichte nun einmal konstruiert.
Ich gebe zu: Nachdem ich das Manuskript fertig hatte, war ich selbst einigermaßen skeptisch, ob das Buch überhaupt funktioniert. Vor allem war ich unsicher, ob Leser ohne größere philosophische Vorbildung, die sich an den versteckten "Ostereiern" womöglich gar nicht erfreuen können, das Buch mit Genuss lesen können.
Was mich dann aber verwundert hat, ist, dass in den meisten Reaktionen die Geschichte selbst im Mittelpunkt stand und als spannend empfunden wurde, während die Philosophie, die ich mit dem Buch transportieren wollte, ziemlich in den Hintergrund geriet. Vielleicht hätte der Geschichtenerzähler noch öfter den Kürzeren ziehen sollen (Niur ein Scherz zwinkern)

Zitat:
mir hätte ein offenes ende wesentlich besser gefallen.


Wie hätte das aussehen können? Doch ein Leben nach dem Tod? Da streubt sich der naturalistische Philosoph in mir...
Normalerweise liebe ich auch offene Schlüsse. In dem Fall aber bevorzuge ich die harte Unausweislichkeit eines Endes (Tod!), der keine alternativen Deutungen mehr zulässt. Ich finde auch dies kann sehr spannend sein...

Zitat:
auf den ganzen roman bezogen sehe ich das eben auch ein ganzes stück anders als poincare. gerade als erzähler hast du noch etwas geschwächelt. ein wirklich guter erzähler erzählt eben zunächst einmal eine geschichte und überlässt es dem leser, sich eine meinung zu bilden.


Wie gesagt: Ich finde, dass das auf die Geschichte ankommt! Wenn man von der Unausweichlichkeit des Todes spricht - und daraus die Absurdität der menschlichen Existenz ableitet, verbietet sich meines Erachtens eine Form der Erzählung, bei der sich der Leser irgendwie aus der Affäre ziehen kann. Dass ich als Erzähler "geschwächelt" habe, mag ja sein. Aber das mehrdeutige Geschichtenerzählen wäre m.E. dem Thema nicht gerecht geworden. Denn in der Geschichte geht es um etwas Eindeutiges, den einzigen, unhinterfragbaren, real existierenden, nicht wegdiskutierbaren "Stein des Weisen", den Grabstein.

Zitat:
für deine neuen leser mag das auch alles nicht so schwerwiegend sein. aber wenn man wie ich großteile deiner webseite kennt und außerdem "erkenntnis aus engagement" gelesen hat - was btw im gegensatz zu diesem "nur guten" roman ein ganz hervorragendes buch ist - empfindet man es doch als eher unangenehm, wenn man den autor mehr oder weniger in jeder zeile eines buches wiederfindet.


Zunächst einmal Danke für die freundliche Aufnahme von EaE. zwinkern) Ob das Buch besser ist als der Roman, weiß ich nicht. Es hat auch seine Schwachstellen (wahrscheinlich wie jedes Buch...)
Ich gebe zu: Vor allem in Stollbergs Verhören steckt viel von meiner Philosophie. Aber es gibt im Roman doch einiges Neues, was ich so noch nirgends geschrieben habe. Nicht nur die Beschreibung der postmortalen Philosophen, sondern auch das Grundthema des Absurden. Als ich den Roman begann, war ich mir dessen noch gar nicht bewusst. Plötzlich tauchte Camus auf und das Buch nahm einen völlig anderen Verlauf, als ich es ursprünglich gedacht hatte...

Zitat:
was den sex angeht: kann man im prinzip so lassen, denke ich. wobei ich die vorstellung, daß "warme, liebevolle" menschen die ejaklationsstimulanz schlechthin seien, schon ziemlich kitschig, um nicht zu sagen zeugen-jehova-style, finde.


Hahaha! Das ist herrlich boshaft! So habe ich die Stelle noch gar nicht gesehen! Toll, was man so alles lernt! Lachen

#45:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 07.10.2003, 18:06
    —
@gustav:

Lobo, Lobo, er ist unser Mann!
Fraggt das Universum so gut er es nur kann!

Persönliche Empfehlung: "Lobo & Die Maske"

Zurück zum Thema. zwinkern

#46:  Autor: Prometeus BeitragVerfasst am: 07.10.2003, 19:36
    —
Zuerst mal muß ich feststellen, daß es mir und meiner Partnerin ähnlich ging wie anderen Postern hier im Forum. Nachdem ich erst mal angefangen habe zu lesen legte ich das Buch erst nach Ende der Lektüre wieder aus der Hand. Der Roman sollte zur Pflichtlektüre im Unterricht gemacht werden.

Zum Thema Sex:

Sowohl meine Partnerin als auch ich empfanden das Kapitel über die Vorhölle der Unkeuschen keineswegs als störend. Im Gegenteil. Sex und unerfüllte sexuelle Phantasien gehören zum richtigen Leben. Ich denke, würde dieser Teil fehlen, so fehlt am ganzen Roman etwas Wesentliches.

Was mich etwas verwundert: Dass Bakunin den "Anarchisten" im Roman schlechthin verkörpert, aber der eigentliche Anarchist "Gustav Landauer" nicht mal als Statist vorkommt. Aber das hat wohl mit den persönlichen Vorlieben des Autors zu tun.

Gratulation zum gelungenen Roman!

Prometeus

#47:  Autor: Krickel BeitragVerfasst am: 07.10.2003, 22:02
    —
Hallo
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Krickel schrieb:
Zitat:
Hallo, das Buch ist eine wunderschön lesbare Zusammenfassung für Leute, die sich nicht nur aussschließlich mit Philosophie Theologie usw beschäftigen/beschäftigen können und auch von ihrer Vorbildungf häufig Schwierigkeiten haben, sich da zurechtzufinden (wie ich). Es gibt wenig Bücher in dieser Richtung.
Meine Frage ist, hat sich M.S. Salomon so ein klein wenig an die Novelle "Ereignis am Eulenfluss" vom Ambroce Bierce bzw an den Film "Jakobsleiter" angelehnt? Die Idee kam mir spontan beim Lesen.


Ich muss gestehen: Ich kenne weder die Novelle noch den Film. Worum geht es da?


In der Novelle von Ambroce Briece wird ein Südstaaler gehenkt, im Fallen läuft in seinem Gehirn die Befreiung ab (der Strick reißt) und gerade als er zuhause ankommt und seiner Frau in die Arme sinken will, explodiert alles zu weißem Licht. Am Schluss baumelt die Leiche im Wind.
Der Film hat die gleiche Konstruktion, spielt aber im Vietnamkrieg während der Operation eines Verwundeten.
Aber es wird wohl so sein, dass diese Idee öfters in der Literatur vorkommt. Auf jeden Fall Michael, Dein Buch ist Klasse.
Gruß
Krickel

#48:  Autor: FalameezarWohnort: umringt von glücklichen Kühen BeitragVerfasst am: 07.10.2003, 23:49
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
"The catcher in the rye" z. B. ist Standardlektüre in der Oberstufe und dreht sich im Prinzip um wenig anderes als um die sexuellen Fantasien eines Pubertierenden.


Was an diesem Buch (Der Fänger im Roggen) so faszinierend sein soll, hat sich meinem bescheidenen Geist entzogen.

Allerdings "Stolbergs Inferno" von MSS fand ich spannend, so daß ich es sogar mit auf die Arbeit nahm, um es in den Pausen weiterlesen zu können. Die "Sexszenen" fand ich, im Vergleich zu den anderen Vorhöllen, richtig dosiert. Interessant fand ich die These, daß auch das Ausleben der Lust (Essen, Sex) zur Qual werden kann, also die Umkehrung des christlichen "Lust durch Qualen" (Geißler, Selbstkreuzigungen etc.)

Insgesamt fand ich den Roman packend, informativ (Überblick über Humanisten u. Freidenker) u. witzig. Leider wird der Preis "Otto Normalverbraucher" von einem Kauf abhalten, wobei es gerade für diesen eine Einsteigerlektüre sein könnte. Daumen hoch!

#49: Re: Stollbergs Inferno Autor: FalameezarWohnort: umringt von glücklichen Kühen BeitragVerfasst am: 07.10.2003, 23:58
    —
Krickel hat folgendes geschrieben:
Hallo, das Buch ist eine wunderschön lesbare Zusammenfassung für Leute, die sich nicht nur aussschließlich mit Philosophie Theologie usw beschäftigen/beschäftigen können und auch von ihrer Vorbildungf häufig Schwierigkeiten haben, sich da zurechtzufinden (wie ich). Es gibt wenig Bücher in dieser Richtung.
Ansonsten bin ich froh, direkt von der ersten Ausgabe eines erhalten zu haben.
Gruß
Krickel


Hi Krickel,

Hab dein Posting leider zu spät gelesen u. kann mich ihm nur anschließen.

Grüß mir das Ute-Forum
Kurt

#50:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 03:12
    —
Das der Michael gerade hier ist, habe ich mal eine Frage, die etwas off-topic ist. Ich bin in verschiedenen Foren aktiv, in einem christlichen Foren habe ich schon zweimal erlebt, dass Dein Text über die "Kriminalgeschichte des Atheismus" in Ausszügen von Christen zitiert und als argumentative Waffe missbraucht wurde.

Ich weiss nicht ob Du ein Woody-Allen-Fan bist und die Szene in "Der Stadtneurotiker" kennst, in der Woody Allen im Kino in einer Schlange steht, während hinter ihm ein ein Schwätzer über irgendwelche Theorien eines namhaften Filmexperten schwadroniert, worüber sich Woody Allen mächtig aufregt. Als es zum Streit kommt, zieht Woody Allen den Filmexperten ins Bild, der dem Schwätzer mal so richtig die Meinung geigt: "Sie haben meine Theorien überhaupt nicht verstanden!" usw. (Eine meiner Lieblingszenen zwinkern)

Darf man Dich auch mal ins Rampenlicht ziehen, wenn man der Meinung ist, dass Christen Deine Texte nicht in Deinem Sinn zitieren? (Ich gebe zu, das wäre mir ein Riesenvergnügen.)

BTW: Es ging da nicht um Beiträge von mir. In dem Fall, an den ich mich erinnere, ging es um einen Beitrag von Volker Dittmar, dessen Seite Du sträflicherweise noch immer nicht verlinkt hast. zwinkern

#51:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 09:15
    —
prometheus schrieb:
Zitat:
Was mich etwas verwundert: Dass Bakunin den "Anarchisten" im Roman schlechthin verkörpert, aber der eigentliche Anarchist "Gustav Landauer" nicht mal als Statist vorkommt. Aber das hat wohl mit den persönlichen Vorlieben des Autors zu tun.


Nicht unbedingt! Wie bereits gesagt, musste der Philosoph in mir stets Kompromisse mit dem Geschichtenerzähler schließen (und auch umgekehrt). Landauer, Stirner oder Most hätten im Roman theoretisch natürlich erscheinen müssen. Das Problem ist aber, dass es immer schwerer wird die Handlung voranzutreiben, wenn zu viele Charaktere auftauchen. Deshalb treten neben Bakunin bloß 40 nicht weiter benannte Anarchisten auf, die an der Befreiung des Lagers der Verdammten mitwirken (Kapitel XXVII).
Bakunin habe ich eigens herausgehoben, weil dies dramaturgisch sinnvoll war:
1. Ich konnte ihn wunderbar als "Gegenspieler" von Marx einsetzen
2. Er ist ungefähr zur gleichen Zeit gestorben wie Marx und Feuerbach (seine postmortalen Verhöre konnten also zum gleichen Zeitpunkt abgeschlossen sein)
3. Er sicherlich einer der bekanntesten Anarchisten (zumindest mit seinem Namen können viele Leser etwas anfangen)
4. Bakunin hat den Satz geprägt, der die Handlung am besten beschreibt: "Wenn Gott existierte, müsste man ihn beseitigen!"

Zitat:
In der Novelle von Ambroce Briece wird ein Südstaaler gehenkt, im Fallen läuft in seinem Gehirn die Befreiung ab (der Strick reißt) und gerade als er zuhause ankommt und seiner Frau in die Arme sinken will, explodiert alles zu weißem Licht. Am Schluss baumelt die Leiche im Wind.


Klingt interessant. Werde ich mir zulegen...

thaukelt schrieb:
Zitat:
Ich weiss nicht ob Du ein Woody-Allen-Fan bist und die Szene in "Der Stadtneurotiker" kennst, in der Woody Allen im Kino in einer Schlange steht, während hinter ihm ein ein Schwätzer über irgendwelche Theorien eines namhaften Filmexperten schwadroniert, worüber sich Woody Allen mächtig aufregt. Als es zum Streit kommt, zieht Woody Allen den Filmexperten ins Bild, der dem Schwätzer mal so richtig die Meinung geigt: "Sie haben meine Theorien überhaupt nicht verstanden!" usw. (Eine meiner Lieblingszenen Winken)

Darf man Dich auch mal ins Rampenlicht ziehen, wenn man der Meinung ist, dass Christen Deine Texte nicht in Deinem Sinn zitieren? (Ich gebe zu, das wäre mir ein Riesenvergnügen.)


Natürlich kenne ich den Film und die Szene (Woody Allens Filme und Bücher zählen zu meinen liebsten Inspirationsquellen).
Wenn das nicht zu häufig vorkommt, habe ich nichts dagegen, hinzugezogen zu werden, wenn irgendwelche Deppen meine Artikel ins falsche Licht rücken (Das sowas hin und wieder passiert, ist mir bekannt)

Zitat:
In dem Fall, an den ich mich erinnere, ging es um einen Beitrag von Volker Dittmar, dessen Seite Du sträflicherweise noch immer nicht verlinkt hast.


Stimmt! Eine wirklich hervorragende Internetseite. Leider gilt dies nicht für meine Linkliste. Die ist leider hoffnungslos überaltert, weil ich nicht dazu komme, sie zu pflegen. Sollte dies jedoch irgendwann einmal der Fall sein, werde ich VDs Website natürlich verlinken...

#52:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 09:36
    —
Falameezar hat folgendes geschrieben:
Was an diesem Buch (Der Fänger im Roggen) so faszinierend sein soll, hat sich meinem bescheidenen Geist entzogen.


Öh, ja. Allerdings bin ich etwas vorbelastet. Das war Schullektüre und da sind die Erinnerungen erfahrungsgemäß vielleicht etwas subjektiver.

Zitat:
Interessant fand ich die These, daß auch das Ausleben der Lust (Essen, Sex) zur Qual werden kann, also die Umkehrung des christlichen "Lust durch Qualen" (Geißler, Selbstkreuzigungen etc.)


Keine Umkehrung nach meinem Verständnis, sondern die "gerechte Strafe" für Menschen, die nicht nach den Richtlinien (Gebot der Mäßigung, Verbot der sexuellen Lust) gelebt haben.

Die Schilderungen über das verdorbene, mit Maden durchsetzte Essen empfand ich übrigens als wirklich widerlich. Ich kann seitdem nichts mehr über Nietzsche lesen, ohne dieses Bild des Geflügel verdrückenden Wahnsinnigen vor Augen zu haben.

Ich frage mich allerdings, was mit den fetten und herumhurenden Päpsten der vergangenen Jahrhunderte geschehen ist. Oder habe ich da etwas nicht mehr in der Erinnerung?

#53:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 09:38
    —
OT, aber nicht unwichtig, wie ich meine:

Es bleibt zu bedenken, daß das Prinzip "Lust durch Qualen" nicht primär ein christliches ist. zwinkern

#54:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 09:58
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Keine Umkehrung nach meinem Verständnis, sondern die "gerechte Strafe" für Menschen, die nicht nach den Richtlinien (Gebot der Mäßigung, Verbot der sexuellen Lust) gelebt haben.


ich würde sagen, gerechte Strafe durch Umkehrung...

Zitat:
Die Schilderungen über das verdorbene, mit Maden durchsetzte Essen empfand ich übrigens als wirklich widerlich. Ich kann seitdem nichts mehr über Nietzsche lesen, ohne dieses Bild des Geflügel verdrückenden Wahnsinnigen vor Augen zu haben.


Hahaha! Hoffe, das hindert dich nicht daran, Nietzsche zu lesen. Wär doch ne Schande!

Zitat:
Ich frage mich allerdings, was mit den fetten und herumhurenden Päpsten der vergangenen Jahrhunderte geschehen ist. Oder habe ich da etwas nicht mehr in der Erinnerung?


Nein, gut erinnert. Stollberg führt das ja in seinem seiner Verhöre an...
Aber das konnte ich dramaturgisch nicht gut lösen. Stollberg hätte natürlich in der Hölle der Unkeuschen einem Renaissance-Papst begegnen können. Aber das hätte seine Lust wahrscheinlich noch besser gezügelt als Ellis Hände... Lachen
Da diese Szene aber wichtig war für die Weiterentwicklung der Handlung, habe ich darauf verzichtet, zu erwähnen, dass sogar Päpste in die Vorhölle der Unkeuschen verbannt wurden...

Nav schrieb:
Zitat:
Es bleibt zu bedenken, daß das Prinzip "Lust durch Qualen" nicht primär ein christliches ist.


Richtig. Offen eingestandene "Lust durch Qualen" ist nicht genuin christlich. Das heißt aber nicht, dass ein uneingestandener Sado-Masochismus nicht eine wesentliche Triebkraft besonders frommer Menschen war und ist (Beispiel Escriva)....

#55:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 10:08
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Keine Umkehrung nach meinem Verständnis, sondern die "gerechte Strafe" für Menschen, die nicht nach den Richtlinien (Gebot der Mäßigung, Verbot der sexuellen Lust) gelebt haben.


ich würde sagen, gerechte Strafe durch Umkehrung...


Das war eine wahrlich salomonische Aussage. Mr. Green

Zitat:
Hahaha! Hoffe, das hindert dich nicht daran, Nietzsche zu lesen. Wär doch ne Schande!


Mit dem guten alten Nietzsche konnte ich noch nie viel anfangen. Nein

#56:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 12:27
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
4. Bakunin hat den Satz geprägt, der die Handlung am besten beschreibt: "Wenn Gott existierte, müsste man ihn beseitigen!"
Das hat für mich etwas sehr klingonisches. Worf sagt ja auch mal "Unsere Götter sind tot, getötet von klingonischen Kriegern vor 1000 Jahren. Sie haben uns mehr Unheil, als Nutzen gebracht."

#57:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 08.10.2003, 19:05
    —
Spock hat folgendes geschrieben:
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
4. Bakunin hat den Satz geprägt, der die Handlung am besten beschreibt: "Wenn Gott existierte, müsste man ihn beseitigen!"
Das hat für mich etwas sehr klingonisches. Worf sagt ja auch mal "Unsere Götter sind tot, getötet von klingonischen Kriegern vor 1000 Jahren. Sie haben uns mehr Unheil, als Nutzen gebracht."


Hahaha! Ein großartiger Satz! Wäre Worf eine reale, gestorbene Person hätte ich ihn sicherlich in den Roman integriert... Aber natürlich hätte auch aus dem guten alten "Spitzohr" Spock eine faszinierende Romanfigur werden können...

Heike N. schrieb:
Zitat:
Mit dem guten alten Nietzsche konnte ich noch nie viel anfangen.


Nun, es kommt darauf an, was man von ihm liest... (Versuche es zum Beispiel mal mit der kurzen Schrift "Der Antichrist"). Fest steht, dass Nietzsche einer der größten Sprachkünstler in der Philosophie war. Ich fand es schade, dass ich im Roman so wenig Originalzitate von ihm unterbringen konnte. Es gibt aber doch einige im Buch, beispielsweise die kurze "Siegesrede", die er hält, nachdem er mithilfe des Flammenschwerts den lang erhofften "Theozid" begangen hat...

BTW: Wenn man so will, ist Nietzsche der Worf des Stollberg-Universums...
Lachen

#58: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 09.10.2003, 18:01
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Es gab einige LeserInnen, die mit der Darstellung sexueller Handlungen im Roman nicht einverstanden waren. Einge meinten, dies würde dem sonstigen "Niveau des Buches" nicht entsprechen


Eine Mailfreundin stellte mir auch mal die Frage, was ich von der Darstellung der Sexszenen im Roman halte, der ihr im uebrigen sehr gefallen hat. Wie es scheint, duerften insbesondere Leserinnen (das "i" ist absichtlich klein geschrieben zwinkern) andere Vorstellungen von Romantik in der Szene am See bzw. andere Erwartungen bei der Vorhoelle der Unkeuschen haben. Ich habe versucht zu analysieren, warum die Szenen so und nicht anders geschrieben wurden und drucke daher mein Antwortmail weiter unten ab. Vielleicht moechte Michael meine Analyse kommentieren?

Zitat:

Zitat:

Wie findest Du eigentlich die Darstellung der Hölle der Unkeuschen und die Beschreibung des anschließenden Geschehens an dem See im Paradies? Es geht mir nicht um das, was dort geschieht, sondern um die Art und Weise der Präsentation / Darstellung / Beschreibung.


Haette mir fast denken koennen, dass Du als Frau Dich daran etwas stossen koenntest zwinkern

Nicht, dass ich der Meinung waere, dass Frauen prueder waeren. Ich meine nur, dass Frauen einen von Natur aus anderen Bezug zu Sexualitaet, Erotik, Romantik, Liebe, etc. haben als Maenner. Ich werde daher versuchen zu erklaeren, warum der Autor meiner Meinung nach diese Stellen so und nicht anders geschrieben hat.

Ich denke mir, dass Autoren, ja Kuenstler ganz allgemein, ihre eigenen Aengste, Traeume, Begierden und Sehnsuechte in ihren Werken widerspiegeln lassen. Bei diesem Buch wuerde es mich nicht im mindesten wundern, wenn M.S. Salomon hier, als Mann, seine psychische Veranlagung in der Person des Jan Stollberg zum Ausdruck gebracht hat.

Warum stellt er also die Vorhoelle der Unkeuschen so explizit pornographisch dar? Weil ihm bzw. uns Maennern das so gefaellt? Dann koennte man ja nicht von "Vorhoelle" sprechen! Ich als Mann denke, dass da mehr dahintersteckt: die meisten Menschen wuerden wohl damit uebereinstimmen, dass der Geschlechtstrieb der Maenner staerker ausgepraegt ist als jener der Frauen (wie gesagt, ich halte Frauen nicht fuer prueder: unter Pruederie verstehe ich, dass man seine eigenen Triebe vor sich und anderen verleugnet). Er wird also von uns als wesentlich machtvoller empfunden. Es ist vermutlich eine Urangst des Mannes, dass sein Geschlechtstrieb, der bisweilen sehr stark sein kann, ihn so ueberwaeltigt, dass er schlicht und ergreifend die Macht ueber sich verliert.

Und genau das geschieht mit Jan Stollberg, der ja, genau genommen, seine Erlebnisse nur fantasiert: seine ureigensten Triebe schalten Vernunft und Verstand, also gerade das, was er als die wesentlichsten Eigenschaften seiner Person sieht, aus und lassen ihn Dinge tun, die er eigentlich gar nicht tun will! Ich meine, wieviele Maenner haetten ernsthaft Lust auf Analverkehr mit grossbusigen Transvestiten? zwinkern

Jan Stollberg schaemt sich ja nachher auch fuer sein Handeln, konnte aber trotzdem nicht anders. Diese absolute Machtlosigkeit, verbunden mit der Unmoeglichkeit, sexuelle Befriedigung, also die Wiedererlangung seiner Macht bzw. Selbstkontrolle, zu finden, ist es, die seine ganz private, "maennliche" Hoelle ausmacht. Es ist auch nicht verwunderlich, dass er letztendes durch eine Frau, die ihn liebt, "erloest" wird.

Ich weiss nicht, wie eine Frau sich eine "Vorhoelle der Unkeuschen" vorstellt (Du kannst ja ein alternatives Kapitel schreiben zwinkern), aber mich wuerde es nicht wundern, wenn andere Aengste darin zum Ausdruck kaemen - vielleicht Vergewaltigung, sexuelle Erniedrigung, etc.?

Neben dieser Erklaerung fuer die explizit pornographische Darstellung gibt es natuerlich auch die, dass M.S. Salomon nunmal gerne schockiert, vor allem dann, wenn es um Tabus geht, die von religioeser Heuchelei getragen werden. Und ab und zu ein wenig Provokation ist ja nicht unbedingt schaedlich... zwinkern

Nun zum Geschehen am See: ob Du es glaubst oder nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich insgeheim jeder Mann wuenscht, dass romantische Beziehungen sich auf diese Weise anbahnen wuerden, obwohl sich die meisten wohl bewusst sind, dass das in der Realitaet einfach so nicht funktioniert, eben weil Frauen etwas andere Beduerfnisse haben. Das liegt aber nicht daran, dass Maenner "nur auf das Eine" auswaeren! Im Gegenteil: diese Fantasie ist weniger Folge eines sexuellen Wunsches an sich als eine von Grundaengsten, mit denen Maenner im Gegensatz zu Frauen zu kaempfen haben.

Auch wenn die meisten Maenner es nie zugeben wuerden, aber bevor sie von einer Frau abgelehnt werden, wuerden sich viele vermutlich lieber selbst in den Fuss schiessen! Jaja, von wegen "das starke Geschlecht"! Wenn es darum geht, einer Frau sein romantisches Interesse zu bekunden und sei es nur, sie anzusprechen, und dabei einen Korb zu riskieren, da wird jeder Mann zum Feigling - in starker Korrelation zur Schoenheit der Frau, eben weil dadurch seine sexuellen Triebe mehr Macht ueber ihn gewinnen, wovor Maenner, wie oben beschrieben, ebenfalls Angst haben. Oder wuerdest Du als Frau einem Mann die Initiative bei der Anbahnung von Beziehungen abnehmen wollen? - Eben!

Daraus erklaert sich schon einmal der "Rollentausch" am See im "Paradies", wo ja schliesslich Elli, also die Frau, die Initiative ueber- und ihm damit die Angst vor Ablehnung abnimmt!

Warum kommt es nun praktisch sofort zum Sex zwischen den beiden? Ist ja fuer Frauen sicher nicht gerade das, was sie sich unter einem romantischen Beziehungsbeginn vorstellen! Auch hier ist es wohl (wenn sicher auch nicht ausschliesslich) mehr die Angst als der Wunsch nach dem "Einen", der die Fantasie von Jan Stollberg treibt: waehrend Frauen sich praktisch immer sicher sein koennen, dass ein Mann romantisches Interesse hegt, wenn er ihnen den Hof macht, gilt das umgekehrt noch lange nicht, dass eine Frau, die sich den Hof machen laesst, ein solches Interesse hat. Viele Frauen geniessen es einfach, die Aufmerksamkeit eines Mannes zu besitzen und denken gar nicht daran, dass sie ihm dabei falsche Hoffnungen machen koennten. Insbesondere schoene Frauen (Elli ist schoen!) sind es gewohnt, dass Maenner ihnen aus der Hand fressen und sind daher einerseits sehr waehlerisch, andererseits, wenn oft auch gar nicht bewusst, ruecksichtsloser, da sich kaum ein Mann traut, ihnen bei ihren Wuenschen zu widersprechen, was einen quasi "anti-erzieherischen" Effekt hat.

Der Grund, warum also Jan Stollberg sich ertraeumt, dass Elli, die ja genaugenommen die Kulmination all der guten Eigenschaften seiner vergangenen Beziehungen ist, praktisch auf der Stelle mit ihm Sex haben will, ist, weil es ihm die Angst nimmt, dass sie ihn tatsaechlich gar nicht begehrt. Solange eine Frau nicht mit einem Mann geschlafen hat, wird er immer die Angst haben, dass sie mit ihm nur spielt, seine Gefuehle niemals erwidern wird, also die Ablehnung wie ein Damoklesschwert ueber der Beziehung haengt!

Ich habe mir ueberlegt, inwiefern man diese beiden Szenen anders schreiben haette koennen, aber ich glaube, dass sie, psychologisch betrachtet, eigentlich sehr gut zu den "letzten Fantasien" eines Mannes passen: die Vorhoelle der Unkeuschen als die Verwirklichung seiner Uraengste vor der Macht seiner eigenen Sexualitaet; das romantische Paradies als ein Ort, an dem ihm alle Aengste vor sexueller Ablehnung durch eine Frau genommen werden. Ist doch schluessig, oder?

Dass die Aengste eines Mannes in einem so geschlechtsspezifischen Bereich wie dem Sexualverhalten anders aussehen als bei Frauen, liegt auf der Hand und erklaert, hoffe ich, warum Du, wie ich vermute, mit der Darstellung in diesen Szenen nicht ganz zufrieden sein koenntest. Vielleicht hilft meine Erklaerung als Mann Deinem Verstaendnis? - Waere natuerlich interessant zu erfahren, wie Du als Frau diese Szenen darstellen wuerdest bzw. was Du von meiner Erklaerung haeltst!

#59: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 09.10.2003, 18:46
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Wie es scheint, duerften insbesondere Leserinnen (das "i" ist absichtlich klein geschrieben zwinkern) andere Vorstellungen von Romantik in der Szene am See bzw. andere Erwartungen bei der Vorhoelle der Unkeuschen haben.


Geschockt Du denkst, die warten anschließend darauf, dass sie geheiratet werden?

Ich denke, du solltest da nicht verallgemeinern. Die Szenen waren genau richtig und passend. zwinkern

#60: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 09.10.2003, 19:03
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Geschockt Du denkst, die warten anschließend darauf, dass sie geheiratet werden?


Soll bei manchen Frauen vorkommen zwinkern

Na, Spass beiseite: in der Realitaet ist es wohl die sehr seltene Ausnahme, dass sich sexuelle Beziehungen auf solche Weise anbahnen, sowohl was die Rollenverteilung als auch den Zeitrahmen betrifft. Wenn Du aber anderer Ansicht bist, lasse ich mir das von Dir gerne mal zeigen Auf den Arm nehmen

Zitat:

Ich denke, du solltest da nicht verallgemeinern. Die Szenen waren genau richtig und passend. zwinkern


Finde ich auch - ich bin aber auch ein Mann zwinkern

Ah, jetzt wird mir einiges klar: Du bist eine Maennerversteherin! Sehr glücklich

#61: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 09.10.2003, 19:12
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Geschockt Du denkst, die warten anschließend darauf, dass sie geheiratet werden?


Soll bei manchen Frauen vorkommen zwinkern


Aber doch nur bei katholisch indoktrinierten, oder? Mr. Green

Zitat:
Na, Spass beiseite: in der Realitaet ist es wohl die sehr seltene Ausnahme, dass sich sexuelle Beziehungen auf solche Weise anbahnen, sowohl was die Rollenverteilung als auch den Zeitrahmen betrifft.


Vielleicht kennst du ja nicht die richtigen Frauen. zwinkern

Zitat:
Wenn Du aber anderer Ansicht bist, lasse ich mir das von Dir gerne mal zeigen Auf den Arm nehmen


Kommt auf deine Qualitäten an. Auf den Arm nehmen

Zitat:
Finde ich auch - ich bin aber auch ein Mann zwinkern

Ah, jetzt wird mir einiges klar: Du bist eine Maennerversteherin! Sehr glücklich


Eher eine Frau, die nicht katholisch indoktriniert ist.

#62: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 09.10.2003, 20:29
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Geschockt Du denkst, die warten anschließend darauf, dass sie geheiratet werden?


Soll bei manchen Frauen vorkommen zwinkern


Aber doch nur bei katholisch indoktrinierten, oder? Mr. Green


Ich habe ja schon immer gewusst, dass ich als Oesterreicher da benachteiligt bin *heul*

Zitat:


Zitat:
Wenn Du aber anderer Ansicht bist, lasse ich mir das von Dir gerne mal zeigen Auf den Arm nehmen


Kommt auf deine Qualitäten an. Auf den Arm nehmen


Ich ueberzeuge Dich gerne Auf den Arm nehmen

#63:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 10.10.2003, 11:14
    —
Freigeist schrieb;

Zitat:
Ich denke mir, dass Autoren, ja Kuenstler ganz allgemein, ihre eigenen Aengste, Traeume, Begierden und Sehnsuechte in ihren Werken widerspiegeln lassen. Bei diesem Buch wuerde es mich nicht im mindesten wundern, wenn M.S. Salomon hier, als Mann, seine psychische Veranlagung in der Person des Jan Stollberg zum Ausdruck gebracht hat.


Hmmm, ganz allgemein gesehen stimmt das natürlich. Die Romanfiguren sind Produkte meiner Phantasie, insofern wird sich in ihnen meine Person widerspiegeln. Dies ist beim Romanhelden besonders der Fall, da dieser - wie bereits gesagt - zentrale Elemente meiner eigenen Philosophie transportiert. Dennoch ist Stollberg nicht gleich Salomon... Das wäre zu einfach...

Zitat:
Warum stellt er also die Vorhoelle der Unkeuschen so explizit pornographisch dar? Weil ihm bzw. uns Maennern das so gefaellt? Dann koennte man ja nicht von "Vorhoelle" sprechen! Ich als Mann denke, dass da mehr dahintersteckt: die meisten Menschen wuerden wohl damit uebereinstimmen, dass der Geschlechtstrieb der Maenner staerker ausgepraegt ist als jener der Frauen (wie gesagt, ich halte Frauen nicht fuer prueder: unter Pruederie verstehe ich, dass man seine eigenen Triebe vor sich und anderen verleugnet). Er wird also von uns als wesentlich machtvoller empfunden. Es ist vermutlich eine Urangst des Mannes, dass sein Geschlechtstrieb, der bisweilen sehr stark sein kann, ihn so ueberwaeltigt, dass er schlicht und ergreifend die Macht ueber sich verliert.

Und genau das geschieht mit Jan Stollberg, der ja, genau genommen, seine Erlebnisse nur fantasiert: seine ureigensten Triebe schalten Vernunft und Verstand, also gerade das, was er als die wesentlichsten Eigenschaften seiner Person sieht, aus und lassen ihn Dinge tun, die er eigentlich gar nicht tun will! Ich meine, wieviele Maenner haetten ernsthaft Lust auf Analverkehr mit grossbusigen Transvestiten?


Gut beobachtet! In der Tat geht es in der Szene nicht nur um die "göttliche Strafe" des Versagens der sexuellen Erfüllung (oder "Erlösung"), sondern auch um den Verlust von Kontrolle.

Biologisch gesehen gibt es natürlich einen Unterschied in den Geschlechtern. Da Männchen viele Samenzellen produzieren, ist ihre maßgebliche Strategie im Kampf um den Fortpflanzungserfolg eine Erhöhung der Quantität des sexuellen Austausches, Frauen hingegen, die nur wenige Eizellen produzieren, achten eher auf die Qualität ihrer Partner und damit zusammenhängend ihrer Nachkommen.

Lange Zeit hat man daher geglaubt, dass Seitensprünge ein typisch männliches Verhaltensmuster bei (scheinbar) monogamen Arten sei. Neuerdings hat man aber festgestellt, dass in der Natur auch Weibchen ein großes Interesse an Seitensprüngen haben. Die erfolgreichste Fortpflanzungsstrategie eines Weibchens scheint zu sein, ein eher unattraktives, aber zuverlässiges Männchen an sich zu binden (zur Aufzucht der Nachkommen), aber hin und wieder mit attraktiven Casanovas zu kopulieren, um so die genetische Ausstattung und auch den Fortpflanzungserfolg ihres Nachwuches (und das heißt auch, ihrer eigenen Gene!) zu erhöhen.

Dies könnte auch der Grund sein, warum etwa 10 Prozent der Kinder bei Homo sapiens biologisch nicht den Mann zum Vater haben, der glaubt, der Vater des Kindes zu sein...

Darüber hinaus muss man natürlich auch sehen, dass es bei bestimmten Arten (beispielsweise bei unseren nächsten Verwandten, den Bonobos (Zwerg-Schimpansen)), ein höchst promiskuitives Sexualverhalten gibt, an dem sich Vertreter beiderlei Geschlechts beteiligen... (Evolutionär wird das damit begründet, dass die Weibchen der Bonobos ihr Interesse an möglichst hoher Spermnienqualität dadurch verfolgen, dass sie in ihrer Vagina einen "Krieg der Spermien" stattfinden lassen. Anders gewendet: Bonobo-Männchen müssen auf ihre sexuellen Konkurrenten nicht eifersüchtig sein, weil sie den Kampf um den Fortpflanzungserfolg ihren Spermien überlassen, die intravaginal einen tödlichen Kampf gegen fremde Spermien führen.)

Dieser seltsame (durchaus pornographisch erscheinende) intravaginale Kampf um den Fortpflanzungserfolg findet auch beim Menschen statt, sofern er sich sexuell promniskuitiv verhält. Monogam sich definierende Individuen setzen hingegen auf extravaginalen Kampf, was sich in Eifersucht und Kontrollzwang äußern kann.

Insofern (und damit komme ich auf das Thema zurück), gibt es gute biologische Argumente dafür, dass Männer vielleicht ein wenig stärker auf Pornographie reagieren als Frauen (Pornographie könnte man ja als Versuch des virtuellen Seitensprungs definieren).

Andererseits können natürlich auch Frauen großes Interesse an Pornographie, Gruppensex etc. entwickeln. Wahrscheinlich könnte dieses Interesse unter bestimmten kulturellen Bedingungen zwischen den Geschlechtern auch gleichgewichtet sein. Im biologischen Potential des Menschen stecken zumindest beide Strategien...

Zitat:
Neben dieser Erklaerung fuer die explizit pornographische Darstellung gibt es natuerlich auch die, dass M.S. Salomon nunmal gerne schockiert, vor allem dann, wenn es um Tabus geht, die von religioeser Heuchelei getragen werden. Und ab und zu ein wenig Provokation ist ja nicht unbedingt schaedlich...


Dies kann ich natürlich nicht verrneinen. Provokation ist vom Wortstamm her ja auch etwas sehr Positives: Natürlich will ich etwas "hervorrufen", nämlich (bezogen auif diese Szene) eine "unverschämtere", freiere Sicht der Sexualität...

Zitat:
Nun zum Geschehen am See: ob Du es glaubst oder nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich insgeheim jeder Mann wuenscht, dass romantische Beziehungen sich auf diese Weise anbahnen wuerden, obwohl sich die meisten wohl bewusst sind, dass das in der Realitaet einfach so nicht funktioniert, eben weil Frauen etwas andere Beduerfnisse haben. Das liegt aber nicht daran, dass Maenner "nur auf das Eine" auswaeren! Im Gegenteil: diese Fantasie ist weniger Folge eines sexuellen Wunsches an sich als eine von Grundaengsten, mit denen Maenner im Gegensatz zu Frauen zu kaempfen haben.

Auch wenn die meisten Maenner es nie zugeben wuerden, aber bevor sie von einer Frau abgelehnt werden, wuerden sich viele vermutlich lieber selbst in den Fuss schiessen! Jaja, von wegen "das starke Geschlecht"! Wenn es darum geht, einer Frau sein romantisches Interesse zu bekunden und sei es nur, sie anzusprechen, und dabei einen Korb zu riskieren, da wird jeder Mann zum Feigling - in starker Korrelation zur Schoenheit der Frau, eben weil dadurch seine sexuellen Triebe mehr Macht ueber ihn gewinnen, wovor Maenner, wie oben beschrieben, ebenfalls Angst haben. Oder wuerdest Du als Frau einem Mann die Initiative bei der Anbahnung von Beziehungen abnehmen wollen? - Eben!

Daraus erklaert sich schon einmal der "Rollentausch" am See im "Paradies", wo ja schliesslich Elli, also die Frau, die Initiative ueber- und ihm damit die Angst vor Ablehnung abnimmt!


Hmmm, natürlich diese Grundängste existieren... Ob sie beim Mann stärker ausgeprägt sind als bei der Frau? Schwer zu entscheiden...
Als "Rollentausch" habe ich die Situation übrigens nicht empfunden. Seltsamerweise habe ich in meinem Leben recht viele Frauen kennengelernt, die keine Scheu hatten, in dieser Hinsicht die Initiative zu übernehmen. Hier ist bestimmt einiges meiner eigenen realen Erfahrungen eingeflossen...

Aber es stimmt natürlich: Elli ist der "schönste Gedanke", den Jan je hatte. In dieser Frau verkörpern sich die Wunschvorstellungen des Romanhelden. Dazu gehört auch, dass sie ihn (trotz seines Versagens in der Vorhölle) annimmt und in sexueller Hinsicht die Initiative ergreift...

Zitat:
Der Grund, warum also Jan Stollberg sich ertraeumt, dass Elli, die ja genaugenommen die Kulmination all der guten Eigenschaften seiner vergangenen Beziehungen ist, praktisch auf der Stelle mit ihm Sex haben will, ist, weil es ihm die Angst nimmt, dass sie ihn tatsaechlich gar nicht begehrt. Solange eine Frau nicht mit einem Mann geschlafen hat, wird er immer die Angst haben, dass sie mit ihm nur spielt, seine Gefuehle niemals erwidern wird, also die Ablehnung wie ein Damoklesschwert ueber der Beziehung haengt!

Ich habe mir ueberlegt, inwiefern man diese beiden Szenen anders schreiben haette koennen, aber ich glaube, dass sie, psychologisch betrachtet, eigentlich sehr gut zu den "letzten Fantasien" eines Mannes passen: die Vorhoelle der Unkeuschen als die Verwirklichung seiner Uraengste vor der Macht seiner eigenen Sexualitaet; das romantische Paradies als ein Ort, an dem ihm alle Aengste vor sexueller Ablehnung durch eine Frau genommen werden. Ist doch schluessig, oder?


Nach dieser Erläuterung ist es zumindest mir schlüssig geworden! Sehr glücklich
Ich muss zugeben, dass ich das so genau noch gar nicht reflektiert hatte. Interessante Perspektive!

Zu den Ängsten in der Vorhölle gehört natürlich auch, dass Jan ja nicht nur sich selbst nicht befriedigen kann, sondern auch die Frauen mit denen er kopuliert (von einer wird er deshalb ja auch brachial weggestoßen...) In der See-Szene hingegen kommt Elli vor Jan, so dass auch diese Angst aufgehoben ist... (Vielleicht beruht seine Scham in der Vorhölle ja zum Teil auch darauf, dass er dort als Einziger einen Orgasmus erleben durfte...)

Zitat:
Dass die Aengste eines Mannes in einem so geschlechtsspezifischen Bereich wie dem Sexualverhalten anders aussehen als bei Frauen, liegt auf der Hand und erklaert, hoffe ich, warum Du, wie ich vermute, mit der Darstellung in diesen Szenen nicht ganz zufrieden sein koenntest. Vielleicht hilft meine Erklaerung als Mann Deinem Verstaendnis? - Waere natuerlich interessant zu erfahren, wie Du als Frau diese Szenen darstellen wuerdest bzw. was Du von meiner Erklaerung haeltst!


Sofern die Antwort auf diese Frage nicht zu persönlich ausfällt, würde mich das auch interessieren. Inwiefern hätte eine Frau die Szenen anders geschrieben?

#64: Re: Störende Sex-Szenen in Stollbergs Inferno? Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 10.10.2003, 11:33
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Freigeist hat folgendes geschrieben:
Ich habe ja schon immer gewusst, dass ich als Oesterreicher da benachteiligt bin *heul*


Kam die Sex mit einer Ösiländerin nicht gleich nach dem sexuellen Einfallsreichtum einer schweizer Hausfrau? Lachen

Zitat:
Ich ueberzeuge Dich gerne Auf den Arm nehmen


Ich greife lieber auf permanent Verfügbares zurück.

So, und nun aber wieder zum Thema. zynisches Grinsen

#65:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 10.10.2003, 13:05
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M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Freigeist schrieb;
Hmmm, ganz allgemein gesehen stimmt das natürlich. Die Romanfiguren sind Produkte meiner Phantasie, insofern wird sich in ihnen meine Person widerspiegeln. Dies ist beim Romanhelden besonders der Fall, da dieser - wie bereits gesagt - zentrale Elemente meiner eigenen Philosophie transportiert. Dennoch ist Stollberg nicht gleich Salomon... Das wäre zu einfach...


Natuerlich habe ich dabei nicht an eine 1:1-Entsprechung gedacht. Aber es ist wohl kaum zu leugnen, dass Jan mit Michael doch eine Menge gemeinsam hat...

Zitat:

Insofern (und damit komme ich auf das Thema zurück), gibt es gute biologische Argumente dafür, dass Männer vielleicht ein wenig stärker auf Pornographie reagieren als Frauen (Pornographie könnte man ja als Versuch des virtuellen Seitensprungs definieren).


In der Tat meinen die meisten Frauen, die sich mir gegenueber dazu geaeussert haben, dass sie sich von Pornographie einfach kaum angetoernt fuehlen, was ihrer Meinung nach nichts mit moralischen Wertvorstellungen zutun hat. Man vergleiche nur, wie viele Menschen (zumeist Maenner) sich "Miss Universum"-Wahlen ansehen, waehrend "Mr. Universum"-Wahlen kaum Interesse auf sich ziehen, bzw. wenn, dann von Homosexuellen. Vielleicht ist das eben auch der Grund, warum tendenziell eher Frauen die pornographischeren Stellen von "Stollbergs Inferno" nicht so passend empfunden haben.

Zitat:

Andererseits können natürlich auch Frauen großes Interesse an Pornographie, Gruppensex etc. entwickeln. Wahrscheinlich könnte dieses Interesse unter bestimmten kulturellen Bedingungen zwischen den Geschlechtern auch gleichgewichtet sein. Im biologischen Potential des Menschen stecken zumindest beide Strategien...


Es gab schon des oefteren Versuche, Pornographie fuer Frauen als Zielgruppe in den Medien zu etablieren - was praktisch immer misslungen ist, weil die Nachfrage einfach nicht gross genug ist.

Zitat:

Hmmm, natürlich diese Grundängste existieren... Ob sie beim Mann stärker ausgeprägt sind als bei der Frau? Schwer zu entscheiden...


Sexuell bedingte Grundaengste gibt es sicher bei beiden Geschlechtern, aber ich denke schon, dass diese sehr unterschiedlich sind. Z.B. haben Frauen das weitaus staerkere Beduerfnis, als aeusserlich attraktiv, also schoen, empfunden zu werden. Man denke nur an die Kosmetikindustrie, Schlankheitskuren, etc. Der Mann dagegen moechte eher durch seine (sexuelle) Leistungsfaehigkeit, also seine liebhaberischen Faehigkeiten punkten und meint, er waere als Mann nichts wert, wenn er als Versager dasteht.

Man(n) lese nur mal Liebesromane fuer Frauen (ein Milliardenmarkt!): daran kann man gut erkennen, welche Fantasien und Wuensche Frauen wirklich haben. Die "schnelle Nummer" ist dort auch eher die Ausnahme.

Zitat:

Als "Rollentausch" habe ich die Situation übrigens nicht empfunden. Seltsamerweise habe ich in meinem Leben recht viele Frauen kennengelernt, die keine Scheu hatten, in dieser Hinsicht die Initiative zu übernehmen. Hier ist bestimmt einiges meiner eigenen realen Erfahrungen eingeflossen...


Ausnahmen bestaetigen die Regel... zwinkern

Naja, ich koennte nicht gerade sagen, dass bei mir Frauen aehnlich kooperativ waeren - ich bin aber auch weder Jan Stollberg noch M.S. Salomon Verlegen

Zitat:

Zu den Ängsten in der Vorhölle gehört natürlich auch, dass Jan ja nicht nur sich selbst nicht befriedigen kann, sondern auch die Frauen mit denen er kopuliert (von einer wird er deshalb ja auch brachial weggestoßen...) In der See-Szene hingegen kommt Elli vor Jan, so dass auch diese Angst aufgehoben ist... (Vielleicht beruht seine Scham in der Vorhölle ja zum Teil auch darauf, dass er dort als Einziger einen Orgasmus erleben durfte...)


Genau! Die Angst, ein (sexueller) Versager zu sein, als maennliche Qual in der Vorhoelle der Unkeuschen und deren Aufhebung im Paradies. Das passt sehr gut!

Zitat:

Sofern die Antwort auf diese Frage nicht zu persönlich ausfällt, würde mich das auch interessieren. Inwiefern hätte eine Frau die Szenen anders geschrieben?


Ich habe leider noch keine Antwort erhalten (wahrscheinlich aber bald). Waere aber interessant zu wissen, wie die Frauen hier im Forum das sehen!

#66:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 22.10.2003, 15:50
    —
Freigeist schrieb:
Zitat:
Natuerlich habe ich dabei nicht an eine 1:1-Entsprechung gedacht. Aber es ist wohl kaum zu leugnen, dass Jan mit Michael doch eine Menge gemeinsam hat...


Das will und kann ich natürlich nicht leugnen! zwinkern

Zitat:
Naja, ich koennte nicht gerade sagen, dass bei mir Frauen aehnlich kooperativ waeren - ich bin aber auch weder Jan Stollberg noch M.S. Salomon


Nur damit hier keine falschen Assoziationen aufkommen: Ich bin ganz sicherlich kein "womanizer"... Lachen
Vielleicht sind die Geschlechter-Verhältnisse in Österreich doch noch anders als in Deutschland...

Ein anderes Thema:
Nocquae hatte in einem anderen Thread über Stollbergs Inferno geschrieben:

Zitat:
dazu möchte ich noch die Anekdote eines Freundes (ich hatte ihm das Buch kürzlich ausgeliehen und er meinte, dass er es - was ihm sonst nie passiert - ohne Pause an einem Stück durchgelesen hat) hinzufügen, der anlässlich eines Spanien-Urlaubs sich auch kurz Lourdes angeschaut hat ...
Er sagte, dass Lourdes HAARGENAU so wäre, wie der erste Ring der Hölle in diesem Buch beschrieben wird ...


Das ist insofern nicht verwunderlich, als dass Lourdes Pate stand, als ich das Kapitel schrieb. Lachen
Das zweite Vorbild für die Szene war übrigens das "saarländische Lourdes", insbesondere die völlig absurden Umstände der Marienerscheinungen in Marpingen. Hab damals für die MIZ eine Reportage über den Wahnsinn gemacht, sozusagen "MSS in Gefahr" Lachen
Wer sich dafür interessiert, der Bericht findet sich unter dem folgenden Link: http://www.schmidt-salomon.de/marpingen.htm

Übrigens waren die Erlebnisse in Marpingen der Auslöser dafür, dass ich die schon lange in mir keimende Idee von "Stollbergs Inferno" endlich zu Papier brachte... "Gottes Wege" sind in der Tat unergründlich... Lachen

#67:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 23.10.2003, 11:33
    —
Hab mir das Buch gestern bei Amazon bestellt. Es war das letzte, das sie noch auf Lager hatten Mr. Green

#68:  Autor: Don Quixote BeitragVerfasst am: 23.10.2003, 11:59
    —
Hallo,

ich finde es wunderbar, dass es mit Hilfe dieses Forums möglich ist, mit dem Autor und anderen Lesern des Romans zu diskutieren.
Obwohl ich wohl einer völlig anderen Generation entstamme als die meisten Nutzer dieses Forums (Baujahr 1940), ging es mir bei der Lektüre des Romans ähnlich wie den ganz jungen Lesern hier im Forum. Ich war von dem Roman begeistert und habe ihn an nur einem Tag gelesen.
Die Kulturindustrie spricht ja gerne von Meisterwerken, um ihre Produkte zu vermarkten. Das Etikett wird häufig zu Unrecht gegeben, auf Stollbergs Inferno trifft es aber zu! Der Roman ist spannender als vergleichbare philosophische Romane und zugleich tiefgründiger. Sogenannte Kulturkritiker werden vielleicht die Nase rümpfen, weil der Roman so leicht verständlich ist... In Deutschland liebt man halt das "Dunkle", Unverständliche. Meines Erachtens liegt aber gerade darin die Stärke des Buchs, es ist ein leicht wirkender, aber wahrscheinlich doch schwer zu machender Mix von Philosophie & Pop, Comic & Hochliteratur...
Ich kann dem Autor nur zu seinem Werk gratulieren...
Das Einzige, was mich ein wenig enttäuschte, war die Tatsache, dass Günter Anders in dem Roman nicht vorkam! Er hätte es doch verdient gehabt, die antiquierten Menschen in den Kampf gegen den noch antiquierteren Gott zu führen, oder?

#69:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 13:13
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Das ist insofern nicht verwunderlich, als dass Lourdes Pate stand, als ich das Kapitel schrieb. Lachen


Witzig, meine schon erwaehnte Mailfreundin, die von den eher pornographischen Stellen nicht so begeistert war, ist soeben von einer Frankreichreise zurueckgekehrt und hat dort beim Vorbeifahren auch Lourdes besucht. Jetzt wundert es mich nicht, dass sie schrieb, dass dieser Ort genauso schlimm ist wie die entsprechende Vorhoelle in "Stollbergs Inferno"... Lachen

Im uebrigen hat sie nun auf meine Fragen hin auch konkretisiert, warum sie die erwaehnten Kapitel nicht gelungen fand. Fuer sie ist es hauptsaechlich der Schreibstil bzw. die Wortwahl, die sie als unpassend empfand. Ich zitiere ihre Antwort:

Zitat:
Was mich wirklich total stört, sind Formulierungen wie "Jan stieß sein Glied hart in ihre Ritze." (S. 79 unten). Diesen Satz finde ich wirklich unter aller Kanone. Kann man das nicht anders beschreiben? Ich kann nicht ein Buch mit einem philosophischen Anspruch schreiben und mich zwischendurch auf das sprachliche Niveau von einem Pornoheft begeben. Gleiches gilt für "Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er sich entlud." (S. 81) und für einige Sätze auf S. 112f, die ich jetzt nicht wörtlich zu zitieren brauche. Es handelt sich hier ja nicht um ein Aufklärungsbuch für Jugendliche, sondern um ein Buch für Erwachsene, die eine derartige Aufklärung nicht nötig haben. Ich gebe allerdings zu, daß eine Darstellung ohne solche von mir beanstandeten Sätze schriftstellerisch wahrscheinlich etwas schwieriger ist als die drastische Detailbeschreibung. Und besonders herausragende schriftstellerische Qualitäten hat M.S. Salomon nicht. Er ist an sich halt Philosoph und kein Schriftsteller.


Nun, auch wenn es vielleicht etwaige narzistische Charakterzuege, vor denen wohl kaum ein Mensch ganz gefeit ist, verletzen koennte, aber so unrecht, finde ich, hat sie mit ihrer Kritik nicht. Mir (wie auch ihr) hat das Buch inhaltlich durchaus sehr gefallen, sowohl was die philosophischen Beziehungen betrifft als auch den Aufbau und die Handlung. Aber sprachlich hebt es sich nicht gerade von der Masse ab.

Ich bin ja selber kein Schriftsteller, darum ist mein Rat vermutlich so, als ob ein Blinder den Einaeugigen fuehren wollte. Aber wenn ich ein Buch schreiben wuerde, faenden sich darin bestimmt mehr Sprachbilder und Analogien, mit denen sich insbesondere delikate Szenen elegant darstellen liessen. Nur so als Anregung... zwinkern

#70:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 14:13
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Aber wenn ich ein Buch schreiben wuerde, faenden sich darin bestimmt mehr Sprachbilder und Analogien, mit denen sich insbesondere delikate Szenen elegant darstellen liessen. Nur so als Anregung... zwinkern


Aber warum eigentlich nicht die Dinge beim Namen nennen, auch umgangssprachlich (vorausgesetzt, es ist keine medizinische Abhandlung)? Diese Sprachbilder und Analogien, von denen du sprichst erinnern mich immer an Umschreibungen, Marke "Liebe, Leidenschaft und ein feuriger Pirat"-Trivialliteratur: "Er tauchte mit seinem Liebesspeer ein in ihre feuchte Grotte" ( Gröhl... ). Da könnte ich mich jedesmal wegschmeißen vor Lachen (Angelique-Bücher habe ich mit ca. 14 verschlungen).

Witzigerweise wird sich nur über eine deutliche Sprache mokiert, wenn es um Sexualität geht. Hierüber regt sich keiner auf:

Stollbergs Inferno hat folgendes geschrieben:
Kleine weiße Maden tummelten sich auf dem Teller. Sie schwammen in einer dickflüssigen, grünlich-braunen Substanz, die von Schimmel durchsetzt war. Jan würgte. Er konnte es nicht zurückhalten. Sein Magen rebellierte. Er kotzte, bis nur noch Galle kam

[...]

Wie gelähmt beobachtete er, wie sein Tischnachbar Maden, Schimmel und Erbrochenes genüsslich in sich hineinschaufelte.


Und das ist mal wirklich ekelhaft (Mist, ich wollte am Wochenende Geflügel machen und Michael hats mir mal wieder versaut. Motzen Mr. Green).

Was aber soll an einer deutlich beschriebenen sexuellen Handlung negativ sein? Weil sie rein auf den Orgasmus ausgerichtet ist und wir diese mystische Verbindung "Liebe und Sexualität" nicht aus den Köpfen kriegen? Am Kopf kratzen

#71:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 16:24
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Aber warum eigentlich nicht die Dinge beim Namen nennen, auch umgangssprachlich (vorausgesetzt, es ist keine medizinische Abhandlung)?


Nichts dagegen - aber redest Du in der Umgangssprache wirklich so wie im Buch? Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!"... Geschockt

Ok, Ihr vergnuegt Euch sicher nicht wie in der Vorhoelle der Unkeuschen (vermute ich mal zwinkern), aber man kann explizite oder drastische Schilderungen gewiss auch auf sprachlich hoeherem Niveau erzielen. Zugegeben, das ist schwieriger - aber solchen Anspruechen muss nun mal ein Romanautor auch gerecht werden.

Zitat:
Diese Sprachbilder und Analogien, von denen du sprichst erinnern mich immer an Umschreibungen, Marke "Liebe, Leidenschaft und ein feuriger Pirat"-Trivialliteratur: "Er tauchte mit seinem Liebesspeer ein in ihre feuchte Grotte" ( Gröhl... ). Da könnte ich mich jedesmal wegschmeißen vor Lachen (Angelique-Bücher habe ich mit ca. 14 verschlungen).


Also diese Art von Buechern habe ich mir erspart zwinkern

Und ich denke nicht im mindesten an laecherliche oder verniedlichende Darstellungen! Sprachbilder koennen durchaus auch schockierender sein als eine unmittelbare Beschreibung der Wirklichkeit.

Zitat:
Witzigerweise wird sich nur über eine deutliche Sprache mokiert, wenn es um Sexualität geht. Hierüber regt sich keiner auf:

Stollbergs Inferno hat folgendes geschrieben:
Kleine weiße Maden tummelten sich auf dem Teller. Sie schwammen in einer dickflüssigen, grünlich-braunen Substanz, die von Schimmel durchsetzt war. Jan würgte. Er konnte es nicht zurückhalten. Sein Magen rebellierte. Er kotzte, bis nur noch Galle kam

[...]

Wie gelähmt beobachtete er, wie sein Tischnachbar Maden, Schimmel und Erbrochenes genüsslich in sich hineinschaufelte.



Hiermit erklaere ich offiziell, dass fuer mich auch diese Textstelle kein Meisterwerk sprachlicher Ausdruckskunst ist Sehr glücklich

Zitat:
Was aber soll an einer deutlich beschriebenen sexuellen Handlung negativ sein?

Weil sie rein auf den Orgasmus ausgerichtet ist und wir diese mystische Verbindung "Liebe und Sexualität" nicht aus den Köpfen kriegen? Am Kopf kratzen


Diesbezueglich habe ich die Kritik meiner Mailfreundin urspruenglich auch missverstanden. Es geht nicht um die explizite Darstellung sexueller Handlungen sondern um die sprachliche Einkleidung. Wenn ich ein billiges Pornoheft kaufe, bekomme ich in bezug auf Wortwahl ("Schwanz", "Ritze", "kotzen"), grammatikalische Konstruktionen (simple Hauptsaetze - s.h. Dein Buchzitat, das sich nicht auf Sexualitaet bezieht) und Originalitaet in der Beschreibung qualitativ Gleichwertiges. Auf Pornoheftniveau schreiben kann praktisch jeder - das ist (eben) keine Kunst. Literatur ist aber nun mal eine Kunstform und muss daher anderen Anspruechen gerecht werden.

Um den Verdacht der Pruederie zu vermeiden, hier ein Vergleich zu einer anderen Kunstform: vor ein paar Jahren hat der (u.a. wegen Paedophilie verurteilte) Kuenstler und Sektengruender Otto Muehl ein Bild in der Wiener Sezession ausgestellt, auf dem Mutter Theresa, Joerg Haider, der Papst u.a. hoechst explizit beim Gruppensex abgebildet wurden. Die Frage, ob es sich dabei um Kunst handelt, haengt meiner Meinung nach nicht davon ab, ob es provokant, obszoen o.ae. ist, sondern ob es von Kunstfertigkeit zeugt: haette er Strichmaennchen dargestellt, wuerde es diesem Anspruch wohl nicht gerecht.

Fuer mich steht allgemein bei der Beurteilung von Romanen der Handlungsaspekt sehr stark im Vordergrund, weswegen ich anfangs die Stilkritik auch nicht richtig wahrgenommen habe. Aber ich habe mich ueberzeugen lassen, dass sie gerechtfertigt ist: die groesste Schwaeche des Buches ist sicher der sprachliche Stil. Um nicht missverstanden zu werden: er ist fuer mich grossteils ok - aber nicht mehr. Bei den expliziten Stellen, insbesondere den Sexszenen, laesst er aber doch zu wuenschen uebrig. Ich nehme an, Michael wollte provozieren, haette dies aber mit etwas mehr Originalitaet im Ausdruck genauso gut koennen.

#72:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 16:40
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Aber warum eigentlich nicht die Dinge beim Namen nennen, auch umgangssprachlich (vorausgesetzt, es ist keine medizinische Abhandlung)?


Nichts dagegen - aber redest Du in der Umgangssprache wirklich so wie im Buch? Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!"... Geschockt


Abgesehen davon, dass "dirty talking" zwar Geschmacksache ist, aber durchaus reizvoll sein kann:

Stollberg hat das nicht gesagt, wenn mich nicht alles täuscht, sondern hier wurde eine Szene beschrieben. Das ist ein Unterschied.

Zitat:
Und ich denke nicht im mindesten an laecherliche oder verniedlichende Darstellungen! Sprachbilder koennen durchaus auch schockierender sein als eine unmittelbare Beschreibung der Wirklichkeit.


Wie hättest du denn eine solche Szenen beschrieben, um eine entsprechend drastische Wirkung zu erzielen?

Zitat:
Literatur ist aber nun mal eine Kunstform und muss daher anderen Anspruechen gerecht werden.


Provokation kann auch ein gewollter Teil eines Kunstwerkes sein. Die bizzaren Darstellungen von Hieronymus Bosch bestehen zu einem nicht unerheblichen Teil aus Provokation.

#73:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 19:51
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon, dass "dirty talking" zwar Geschmacksache ist, aber durchaus reizvoll sein kann:


Klar, manchmal schon, das moechte ich gar nicht bestreiten. Die Frage ist, ob es sich in einem Werk mit philosophischem Anspruch gut macht. Das schlaegt sich halt doch ein wenig.

Zitat:
Stollberg hat das nicht gesagt, wenn mich nicht alles täuscht, sondern hier wurde eine Szene beschrieben. Das ist ein Unterschied.


Stilistisch betrachtet, macht das fuer mich wenig Unterschied.

Zitat:
Wie hättest du denn eine solche Szenen beschrieben, um eine entsprechend drastische Wirkung zu erzielen?


Oh je, erwischt Verlegen

Dazu faellt mir nur Folgendes ein: Was ist der Unterschied zwischen einem Kritiker und einem Eunuchen? - Es gibt keinen. Beide wissen genau, wie man es machen muss, koennen es aber nicht. zwinkern

Spass beiseite: man koennte jetzt dazu uebergehen, jedwede Kritik zu unterlassen, da wir, wie schon Leibniz dereinst einleuchtend zeigte, in der besten aller Welten leben - oder vielleicht doch auf noch besseres hoffen. Ich tendiere zu letzterem...

Zitat:
Zitat:
Literatur ist aber nun mal eine Kunstform und muss daher anderen Anspruechen gerecht werden.


Provokation kann auch ein gewollter Teil eines Kunstwerkes sein. Die bizzaren Darstellungen von Hieronymus Bosch bestehen zu einem nicht unerheblichen Teil aus Provokation.


Ja, aber seine Darstellungen sind stilistisch brilliant. Das ist ja genau der Punkt auf den ich hinaus will: man kann provokant UND stilvoll sein. Natuerlich kann nicht jeder ein Hieronymus Busch werden. Aber etwas konstruktive Kritik soll durchaus die Motivation dazu steigern zwinkern

#74:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 20:09
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon, dass "dirty talking" zwar Geschmacksache ist, aber durchaus reizvoll sein kann:


Klar, manchmal schon, das moechte ich gar nicht bestreiten. Die Frage ist, ob es sich in einem Werk mit philosophischem Anspruch gut macht. Das schlaegt sich halt doch ein wenig.


Populärwissenschaft, gut gemacht, kann das Interesse an Wissenschaften bei Menschen wecken, die normalerweise einen großen Bogen drum machen würden.

Warum soll es also nicht auch legitim sein, auf diese Art und Weise Philosophie Menschen nahezubringen, die sich normalerweise bei der Erwähnung dieses Wortes eine Knoblauchkette um den Hals hängen? zwinkern

Zitat:
Zitat:
Stollberg hat das nicht gesagt, wenn mich nicht alles täuscht, sondern hier wurde eine Szene beschrieben. Das ist ein Unterschied.


Stilistisch betrachtet, macht das fuer mich wenig Unterschied.


Darum ging es dir aber nicht:

Freigeist hat folgendes geschrieben:
Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!"


Zitat:
Zitat:
Wie hättest du denn eine solche Szenen beschrieben, um eine entsprechend drastische Wirkung zu erzielen?


Oh je, erwischt Verlegen

Dazu faellt mir nur Folgendes ein: Was ist der Unterschied zwischen einem Kritiker und einem Eunuchen? - Es gibt keinen. Beide wissen genau, wie man es machen muss, koennen es aber nicht. zwinkern


Lachen Den merke ich mir.

Zitat:
Spass beiseite: man koennte jetzt dazu uebergehen, jedwede Kritik zu unterlassen, da wir, wie schon Leibniz dereinst einleuchtend zeigte, in der besten aller Welten leben - oder vielleicht doch auf noch besseres hoffen. Ich tendiere zu letzterem...


Nein nein, das ist schon OK. Ich will dich auch nicht davon überzeugen, dass sich Michael Literaturpreis verdächtig verewigt hat. Es ist wirklich Geschmacksache. Und über den lässt sich bekanntlich nicht streiten. Möglicherweise gibt es auch Unterschiede in der Priorität, nach der man ein Buch liest.

Ich habe heute "Stollbergs Inferno" noch einmal angefangen und habe festgestellt, dass die Art und Weise, wie Michael schreibt, mich dahin bringt, dass ich mir Szenarien und Orte bildlich vorstellen kann. Das ist für mich das Hauptanliegen, wenn ich einen Roman lese. Das mag trivial klingen, ist es aber nur scheinbar, wenn die Inhalte, die vermittelt werden, interessante Informationen bieten.

Zitat:
Zitat:
Provokation kann auch ein gewollter Teil eines Kunstwerkes sein. Die bizzaren Darstellungen von Hieronymus Bosch bestehen zu einem nicht unerheblichen Teil aus Provokation.


Ja, aber seine Darstellungen sind stilistisch brilliant. Das ist ja genau der Punkt auf den ich hinaus will: man kann provokant UND stilvoll sein. Natuerlich kann nicht jeder ein Hieronymus Busch werden. Aber etwas konstruktive Kritik soll durchaus die Motivation dazu steigern zwinkern


Auch das ist wiederum Ansichtssache.

Ich kann mit Darstellungen nichts anfangen, die mir einen schwarzen Strich auf weißer Leinwand mit rotem Punkt zeigen. Das sagt aber nichts über das Werk an sich aus, sondern spiegelt nur meine eigene Meinung (und Vorlieben) wieder.

#75:  Autor: lemonstar BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 20:42
    —
Zitat:

Er ist an sich halt Philosoph und kein Schriftsteller.

Der M.S. Salomon an sich :)

Zitat:
aber man kann explizite oder drastische Schilderungen gewiss auch auf sprachlich hoeherem Niveau erzielen. Zugegeben, das ist schwieriger - aber solchen Anspruechen muss nun mal ein Romanautor auch gerecht werden.

Ich meine, dass er jene Szenen durchaus absichtlich so direkt, unverblümt geschildert hat, vor allem deswegen, da solche drastischen Formulierungen besonders schockieren. Bekanntermassen verfügt er ja auch über die Fähigkeiten "kompliziert" zu formulieren. Außerdem richtet, wie Heike schon erwähnte, sich der Ausdruck stark nach der Zielgruppe.
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut.

Meine Idee, die Darstellung zu entschärfen/verbessern, wäre , dass sobald Stollberg zu den kopulierenden Menschen kommt, ein Zeitsprung/Blende stattfindet und mit einer detaillierten Darstellung seiner Verzweiflung, seines Wahnes, nachdem sämtliche Befriedigungsversuche misslungen sind, fortgesetzt wird (kurz bevor Elli ihn findet).

Für wahrhaft schockierende Sprachbilder sähe ich gern ein paar Beispiele, sonst sehe ich weiterhin die explizite Darstellung als geeigneter an :)

#76:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 20:45
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Populärwissenschaft, gut gemacht, kann das Interesse an Wissenschaften bei Menschen wecken, die normalerweise einen großen Bogen drum machen würden.

Eben: man muss den richtigen Stil dazu finden.

Zitat:
Warum soll es also nicht auch legitim sein, auf diese Art und Weise Philosophie Menschen nahezubringen, die sich normalerweise bei der Erwähnung dieses Wortes eine Knoblauchkette um den Hals hängen? zwinkern


Naja, ich vermute eher, dass das Buch bewirken wird, dass sich Philosophen und andere Freigeister mehr fuer "schmutzigen" Sex interessieren werden Lachen

Zitat:
Ich habe heute "Stollbergs Inferno" noch einmal angefangen und habe festgestellt, dass die Art und Weise, wie Michael schreibt, mich dahin bringt, dass ich mir Szenarien und Orte bildlich vorstellen kann. Das ist für mich das Hauptanliegen, wenn ich einen Roman lese. Das mag trivial klingen, ist es aber nur scheinbar, wenn die Inhalte, die vermittelt werden, interessante Informationen bieten.


Da gebe ich Dir recht: das Buch ist absolut verstaendlich geschrieben. Auch finde ich den strukturellen Aufbau ganz gut, die Handlung, wie erwaehnt, sowieso. Auf der untersten Ebene des sprachlichen Ausdrucks koennte man aber gewiss noch einiges verfeinern.

#77:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 20:50
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Populärwissenschaft, gut gemacht, kann das Interesse an Wissenschaften bei Menschen wecken, die normalerweise einen großen Bogen drum machen würden.

Eben: man muss den richtigen Stil dazu finden.


Ich meinte "- gut gemacht -" nicht im Hinblick auf einen richtigen Stil sondern auf die Vermeidung von pseudowissenschaftlichen Aussagen.

Zitat:
Zitat:
Warum soll es also nicht auch legitim sein, auf diese Art und Weise Philosophie Menschen nahezubringen, die sich normalerweise bei der Erwähnung dieses Wortes eine Knoblauchkette um den Hals hängen? zwinkern


Naja, ich vermute eher, dass das Buch bewirken wird, dass sich Philosophen und andere Freigeister mehr fuer "schmutzigen" Sex interessieren werden Lachen


Sex kann niemals schmutzig sein. Aber ich gehe davon aus, dass ich die Anführungsstriche richtig gedeutet habe. zwinkern

Zitat:
Zitat:
Ich habe heute "Stollbergs Inferno" noch einmal angefangen und habe festgestellt, dass die Art und Weise, wie Michael schreibt, mich dahin bringt, dass ich mir Szenarien und Orte bildlich vorstellen kann. Das ist für mich das Hauptanliegen, wenn ich einen Roman lese. Das mag trivial klingen, ist es aber nur scheinbar, wenn die Inhalte, die vermittelt werden, interessante Informationen bieten.


Da gebe ich Dir recht: das Buch ist absolut verstaendlich geschrieben. Auch finde ich den strukturellen Aufbau ganz gut, die Handlung, wie erwaehnt, sowieso. Auf der untersten Ebene des sprachlichen Ausdrucks koennte man aber gewiss noch einiges verfeinern.


Gibs zu: du hast die Anführungsstriche nicht ernst gemeint. Lachen

#78:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 20:57
    —
lemonstar hat folgendes geschrieben:
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut.


Genau das ist es. Stollbergs verzweifelte Kopulationsversuche, wie er hastet von einem zum anderen, eben auch diese wirklich reduzierte Sprache (weil es letztendlich immer mehr um die Reduktion geht), weil die Erregung ihn übermannt und er mit nichts anderem mehr denken kann als mit dem Kleinhirn, ist bestens ausgedrückt. Ups... oder wollte Michael etwas in der Art ausdrücken, dass das männliche Gehirn in tiefere Sphären rutscht? Am Kopf kratzen

Hach, es gibt nichts schöneres als Textinterpretationen. Lachen

Kafka zu interpretieren ist ja nett, der kann sich nicht mehr wehren. Doch Schmidt-Salomon kann sich noch selber zu den Interpretationsversuchen äußern. Und es ist immer interessant zu erfahren, wie viel von der Persönlichkeit des Autors in den Helden geflossen ist. zynisches Grinsen

#79:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 21:42
    —
lemonstar hat folgendes geschrieben:
Ich meine, dass er jene Szenen durchaus absichtlich so direkt, unverblümt geschildert hat, vor allem deswegen, da solche drastischen Formulierungen besonders schockieren.


Das glaube ich auch. Mich hat es eigentlich nicht schockiert - aber ich bin ja auch nicht unbedingt das Ziel seiner Provokation zwinkern

Zitat:
Bekanntermassen verfügt er ja auch über die Fähigkeiten "kompliziert" zu formulieren.


Das bezweifle ich absolut nicht. Aber "kompliziert" ist nicht notwendigerweise "stilsicher". Ich bin ueberzeugt davon, dass Michael weiss, welche Ausdrucksformen in seinen akademischen Zirkeln passend sind. Ob er mit dem Oeffnen der untersten sprachlichen (!) Schublade, auch wenn es sicherlich absichtlich geschehen ist, einen guten Griff getan hat, da bin ich mir aber nicht so sicher.

Zitat:
Außerdem richtet, wie Heike schon erwähnte, sich der Ausdruck stark nach der Zielgruppe.


Hm, wer ist denn die Zielgruppe? Waere interessant, von Michael zu erfahren, wen er denn damit wirklich ansprechen wollte! Ich nehme an, dass es sich dabei nicht um uns handelt, denn das entspraeche wohl eher freigeistiger Masturbation... zwinkern

Zitat:
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut.


Das meinte ich damit ueberhaupt nicht. Ich kenne auch noch perversere Sexszenen in der Literatur, wenngleich solche sehr selten vorkommen, da die meisten Autoren darum einen grossen Bogen machen. Leider habe ich im Moment kein entsprechendes Buch zur Hand, um einen Stilvergleich durchzufuehren. Ich erinnere ich mich, dass z.B. Eric van Lusterbader in seinem Buch "The Ninja" einige extrem perverse Szenen beschreibt (Paedophilie, Inzest) und glaube, auch wenn ich das jetzt nicht ueberpruefen kann, dass diese etwas stilsicherer gehandhabt wurden. Wie ja schon ein anderer Kritiker geschrieben hat, ist es nicht unbedingt eine gute Idee, sich in einem Erstlingsroman gleich ueber so delikate Themen wie provokante Sexszenen herzumachen. Der Roman haette darunter sicher kaum gelitten, wenn diese gefehlt haetten bzw. weniger explizit ausgedrueckt worden waeren.

Zitat:
Für wahrhaft schockierende Sprachbilder sähe ich gern ein paar Beispiele, sonst sehe ich weiterhin die explizite Darstellung als geeigneter an Smilie


Ok, ich uebertreibe es mal:

Mit der Gewalt eines Presslufthammers durchpfluegte er sie, als sie sich wie eine kochende Vulkanspalte vor ihm oeffnete.

Scharf und bildhaft genug? zynisches Grinsen

#80:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 23:03
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Ok, ich uebertreibe es mal:

Mit der Gewalt eines Presslufthammers durchpfluegte er sie, als sie sich wie eine kochende Vulkanspalte vor ihm oeffnete.

Scharf und bildhaft genug? zynisches Grinsen


Gröhl... Gröhl... Gröhl...

Entschuldige bitte mein Gelächter *prust*

Aber wenn du "Schwanz" und "Ritze" für deplaziert hälst, weil es vielleicht nicht besonders prickelnd ist, wenn mein Partner mir gegenüber so etwas äußert. Aber: "Presslufthammer" erscheint mir sowas von daneben, "Schwanz" ist da geradezu liebevoll ausgedrückt (mein Mann würde sowas von doof gucken, wenn ich seinen Schwanz als Presslufthammer bezeichnen würde). Und "Vulkanspalte" erinnert mich schon wieder an "Liebesgrotte". Wo ist der Unterschied zur Ritze (ok, die scheint schmaler). zynisches Grinsen

Gut, du hast Mut bewiesen und deiner Version gepostet. Dabei bist du selber deinem Vergleich von Kritiker und Eunuch untreu geworden. Finde ich aber auch gar nicht schlimm, weil es sehr deutlich zeigt, welche unterschiedlichen Vorstellungen man hat (und die eigenen sexuellen Fantasien sind sehr individuell).

Er fasste sie bei den Hüften und stieß in sie. Wieder und wieder. Ihr herausfordernder Gesichtsausdruck, ihr höhnisches und wissendes Lächeln und die bereitwillig geöffneten Schenkel ließen ihn schier wahnsinnig werden. Und das, nach was er sich sehnte, aus früherer Zeit in nur allzu deutlicher Erinnerung, die Erlösung, stellte sich nicht ein. Er ließ ab von ihr und blickte sich wie in Rage um. Den nächsten, sich ihm aufreizend präsentierenden Menschen packte er und drang in ihn ein. Mann oder Frau? Er wusste es nicht, es war ihm egal. Allein wichtig war ihm nun seine Befriedigung geworden. Mensch um Mensch, Frau und Mann, griff er und nahm ihn, wahnsinnig vor Lust, unfähig, Befriedigung zu erlangen. Schließlich hielt er erschöpft inne und spürte eine Berührung an seinem Arm. Er drehte den Kopf, schweißüberströmt, und erblickte Elli.

Wäre vielleicht meine Version gewesen. Mr. Green

#81:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 09:27
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Naja, ich vermute eher, dass das Buch bewirken wird, dass sich Philosophen und andere Freigeister mehr fuer "schmutzigen" Sex interessieren werden Lachen


Sex kann niemals schmutzig sein. Aber ich gehe davon aus, dass ich die Anführungsstriche richtig gedeutet habe. zwinkern


Naja, kommt auf die Definition von "schmutzig" an. Das kann von "unhygienisch" bis "kriminell" verlaufen. Aber meistens wird der Begriff wohl als Verweis auf (zumeist religioes bedingte) Tabus benutzt. Im letzteren Kontext habe ich den Begriff verwendet und (nona) natuerlich absichtlich unter Anfuehrungsstriche gestellt.

Es ist uebrigens interessant, wie es kirchlichen Institutionen erfolgreich in der Oeffentlichkeit gelingt, durch ihre eigenen Missbrauchsfaelle einen Bezug zwischen Suende und Sex aufrechtzuerhalten. So werden z.B. von der Kirche anfangs, wenn auch zoegerlich, Beratungsstellen fuer "sexuellen Missbrauch" eingerichtet, um einerseits der Oeffentlichkeit vorzutaeuschen, dass sie die Sache ernst nehmen, andererseits aber, um zu Vertuschen, dass es auch andere Formen des Missbrauchs durch Kirchenvertreter gibt. Immerhin stehen koerperliche Zuechtigung und erniedrigende Strafen, also physischer und psychischer Missbrauch, in etlichen kirchlichen Betreuungseinrichtungen an der Tagesordnung. Durch die Konzentration auf sexuelle Missbrauchsformen entsteht aber nur die Begriffsverbindung von Sex und Schuld. Als ob es schlimmer waere, von einem Priester "unsittlich" beruehrt zu werden, als von einer Nonne eine in die Fresse zu bekommen.

#82:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 10:31
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Sex kann niemals schmutzig sein. Aber ich gehe davon aus, dass ich die Anführungsstriche richtig gedeutet habe. zwinkern


Naja, kommt auf die Definition von "schmutzig" an. Das kann von "unhygienisch" bis "kriminell" verlaufen. Aber meistens wird der Begriff wohl als Verweis auf (zumeist religioes bedingte) Tabus benutzt. Im letzteren Kontext habe ich den Begriff verwendet und (nona) natuerlich absichtlich unter Anfuehrungsstriche gestellt.


Das, was du als "kriminell" ansiehst (Missbrauch, Vergewaltigung etc.) bezeichne ich nicht als Sexualität. Hier wird Sexualität lediglich instrumentalisiert, um einen Machtmissbrauch durchzuführen. Und "unhygienischer Sex" ist auch wieder Ansichtssache (da gibts ja eine Menge extreme Vorlieben). Um den Bogen wieder zu kriegen: sicherlich wird sich Jan Stollberg in der Vorhölle der Unkeuschen nicht jedesmal ein neues Kondom übergezogen haben. Musste aber auch nicht sein, er war ja eh schon tot.

Zitat:
Es ist uebrigens interessant, wie es kirchlichen Institutionen erfolgreich in der Oeffentlichkeit gelingt, durch ihre eigenen Missbrauchsfaelle einen Bezug zwischen Suende und Sex aufrechtzuerhalten. So werden z.B. von der Kirche anfangs, wenn auch zoegerlich, Beratungsstellen fuer "sexuellen Missbrauch" eingerichtet, um einerseits der Oeffentlichkeit vorzutaeuschen, dass sie die Sache ernst nehmen, andererseits aber, um zu Vertuschen, dass es auch andere Formen des Missbrauchs durch Kirchenvertreter gibt. Immerhin stehen koerperliche Zuechtigung und erniedrigende Strafen, also physischer und psychischer Missbrauch, in etlichen kirchlichen Betreuungseinrichtungen an der Tagesordnung. Durch die Konzentration auf sexuelle Missbrauchsformen entsteht aber nur die Begriffsverbindung von Sex und Schuld. Als ob es schlimmer waere, von einem Priester "unsittlich" beruehrt zu werden, als von einer Nonne eine in die Fresse zu bekommen.


Wir bewegen uns ein bisschen von der eigentlichen Diskussion weg. Das könnte man vielleicht an anderer Stelle weiterdiskutieren. Gerade in diesem Forum ist unsere Forumsadministreuse recht pingelig:

Heike Jackler hat folgendes geschrieben:
Diskussionen, die sich nicht auf das jeweilige Threadthema beziehen, werden grundsätzlich gelöscht.


Trösterchen

#83:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 10:55
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Ok, ich uebertreibe es mal:

Mit der Gewalt eines Presslufthammers durchpfluegte er sie, als sie sich wie eine kochende Vulkanspalte vor ihm oeffnete.

Scharf und bildhaft genug? zynisches Grinsen


Gröhl... Gröhl... Gröhl...

Entschuldige bitte mein Gelächter *prust*


Die Uebertreibung war beabsichtigt Mr. Green

Na, in einem kurzen Satz gleich drei bildhafte Vergleiche unterzubringen (Presslufthammer, Pflug und Vulkan), ist schon eine Herausforderung. zwinkern

Zitat:

Gut, du hast Mut bewiesen und deiner Version gepostet. Dabei bist du selber deinem Vergleich von Kritiker und Eunuch untreu geworden. Finde ich aber auch gar nicht schlimm, weil es sehr deutlich zeigt, welche unterschiedlichen Vorstellungen man hat (und die eigenen sexuellen Fantasien sind sehr individuell).


Also mit meinen sexuellen Fantasien hat mein Satz absolut gar nichts zutun Verlegen. Aber Du hast schon recht! Manche brauchen es so Küßchen oder so Peitsche Mr. Green

Heike N. hat folgendes geschrieben:
Er fasste sie bei den Hüften und stieß in sie. Wieder und wieder. Ihr herausfordernder Gesichtsausdruck, ihr höhnisches und wissendes Lächeln und die bereitwillig geöffneten Schenkel ließen ihn schier wahnsinnig werden. Und das, nach was er sich sehnte, aus früherer Zeit in nur allzu deutlicher Erinnerung, die Erlösung, stellte sich nicht ein. Er ließ ab von ihr und blickte sich wie in Rage um. Den nächsten, sich ihm aufreizend präsentierenden Menschen packte er und drang in ihn ein. Mann oder Frau? Er wusste es nicht, es war ihm egal. Allein wichtig war ihm nun seine Befriedigung geworden. Mensch um Mensch, Frau und Mann, griff er und nahm ihn, wahnsinnig vor Lust, unfähig, Befriedigung zu erlangen. Schließlich hielt er erschöpft inne und spürte eine Berührung an seinem Arm. Er drehte den Kopf, schweißüberströmt, und erblickte Elli.

Wäre vielleicht meine Version gewesen. Mr. Green Mr. Green Mr. Green Mr. Green Mr. Green


Wow, Du bist ja richtig begabt! Mein lieber Hr. Gesangsverein! Anbeten

Siehst Du, habe ich Dich schlussendlich selbst dazu gebracht, Dir zu beweisen, dass es stilistisch besser geht! zwinkern

Ok, ein paar Kleinigkeiten wuerde ich auch an Deinem Text aendern wollen, aber ich will das jetzt nicht gleich in ein Duell ausarten lassen... Duell

#84:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 11:09
    —
Freigeist hat folgendes geschrieben:
Siehst Du, habe ich Dich schlussendlich selbst dazu gebracht, Dir zu beweisen, dass es stilistisch besser geht! zwinkern


Es lag mir fern, Michael zu beschämen. Cool

Ob das nun ein Beweis war oder nicht, sei mal dahin gestellt. Und ob das stilistisch besser war, entspringt nur deinem eigenen Geschmack. Ich könnte mich nun auch den stilistischen Bienchen-und-Blüten-Vergleichen einer Hedwig Kurz-Maler bedienen: sehr geschmackvoll. Mit den Augen rollen

Zitat:
Ok, ein paar Kleinigkeiten wuerde ich auch an Deinem Text aendern wollen, aber ich will das jetzt nicht gleich in ein Duell ausarten lassen... Duell


Au fein! Ein Meistersinger-Wettstreit!

Mr. Green

#85:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 11:39
    —
Ich finde die Sache in der Vorhölle der Unkeuschen gut - schön leidenschaftlich, feurig, hehe.

Jetzt tut mal nicht so beschämt, weil die Sprache da etwas deutlicher wird - seid mal ehrlich und überlegt mal, was für Fantasien Ihr selber habt! Auf den Arm nehmen

#86:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 12:16
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Um den Bogen wieder zu kriegen: sicherlich wird sich Jan Stollberg in der Vorhölle der Unkeuschen nicht jedesmal ein neues Kondom übergezogen haben. Musste aber auch nicht sein, er war ja eh schon tot.


Das ist allerdings ein sehr ueberzeugendes Argument Sehr glücklich

Zitat:
Wir bewegen uns ein bisschen von der eigentlichen Diskussion weg. Das könnte man vielleicht an anderer Stelle weiterdiskutieren. Gerade in diesem Forum ist unsere Forumsadministreuse recht pingelig


Na, dann schnell wieder zurueck zum Thema! Nein, so geht das nicht!

#87:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 16:26
    —
Meine Güte, hier ist ja in den letzten Tagen Einiges passiert. Ich werde versuchen, auf die vielen Beiträge halbwegs vernünftige Antworten zu geben.

Don Quixote schrieb:
Zitat:
Das Einzige, was mich ein wenig enttäuschte, war die Tatsache, dass Günter Anders in dem Roman nicht vorkam! Er hätte es doch verdient gehabt, die antiquierten Menschen in den Kampf gegen den noch antiquierteren Gott zu führen, oder?


Ohne Zweifel. Anders war einer der militantesten Atheisten in der Philosophie. (Wenn ich mich nicht irre, hat er sogar einmal einem Freund die Freundschaft aufgekündigt, als er erfahren hatte, dass dieser in die Kirche eingetreten ist...) Gerade Anders hätte den militanten Flügel der Philosophie im Kampf gegen Unterdrückung gut repräsentieren können (ich erinnere hier an sein umstrittenes Buch zur Frage des gewaltsamen Widerstands!)

Warum taucht nun Anders nicht auf? An dieser Stelle hat sich einmal der Schriftsteller gegen den Philosophen durchgesetzt. Ich wusste nicht, wie Anders, den Einzelgänger, in die Geschichte hätte einbauen können. Im Prinzip gab es nur die Entscheidung: Mache ich Camus zu Stollbergs ständigem Begleiter oder aber Günter Anders? Da sich aber nach den ersten Kapitel abzeichnete, dass das Grundthema des Romans der Kampf mit dem Absurden sein würde, entschied ich mich für Camus. Später sah ich einfach keine Gelegenheit, Anders einzubauen. Im Ring der Todsünder tauchen ohnehin eher zu viele Personen auf, als dass dies einem Roman gut täte...

Freigeist schrieb:
Zitat:
Nun, auch wenn es vielleicht etwaige narzistische Charakterzuege, vor denen wohl kaum ein Mensch ganz gefeit ist, verletzen koennte, aber so unrecht, finde ich, hat sie mit ihrer Kritik nicht. Mir (wie auch ihr) hat das Buch inhaltlich durchaus sehr gefallen, sowohl was die philosophischen Beziehungen betrifft als auch den Aufbau und die Handlung. Aber sprachlich hebt es sich nicht gerade von der Masse ab.

Ich bin ja selber kein Schriftsteller, darum ist mein Rat vermutlich so, als ob ein Blinder den Einaeugigen fuehren wollte. Aber wenn ich ein Buch schreiben wuerde, faenden sich darin bestimmt mehr Sprachbilder und Analogien, mit denen sich insbesondere delikate Szenen elegant darstellen liessen. Nur so als Anregung...


Keine Sorge, mich verletzt sowas nicht! Cool
Ich kann es nachvollziehgen, dass dem einen oder anderen die Sprache des Romans nicht zusagt. Was die Verwendung von Sprachbildern, Metaphern etc. angeht: Damit bin ich bewusst sparsam umgegangen. Ich habe da so einen Leitsatz: Je fantastischer deine Geschichte, desto einfacher und realistischer die Sprache, je realistischer die Geschichte (also je näher am Alltag), umso fantastischer kann die Ausdrucksform sein! Ich persönlich mag es nicht, wenn Fantastisches auf fantastische Weise und Alltägliches auf alltägliche Weise erzählt wird. Ich finde sowas unspannend...

Heike N. schrieb:
Zitat:
Witzigerweise wird sich nur über eine deutliche Sprache mokiert, wenn es um Sexualität geht. Hierüber regt sich keiner auf:

Stollbergs Inferno hat folgendes geschrieben:
Kleine weiße Maden tummelten sich auf dem Teller. Sie schwammen in einer dickflüssigen, grünlich-braunen Substanz, die von Schimmel durchsetzt war. Jan würgte. Er konnte es nicht zurückhalten. Sein Magen rebellierte. Er kotzte, bis nur noch Galle kam
[...]
Wie gelähmt beobachtete er, wie sein Tischnachbar Maden, Schimmel und Erbrochenes genüsslich in sich hineinschaufelte.

Und das ist mal wirklich ekelhaft (Mist, ich wollte am Wochenende Geflügel machen und Michael hats mir mal wieder versaut.)


Zunächst einmal Entschuldigung dafür... Lachen
In der Tat ist diese Stelle ähnlich drastisch wie die Sexszenen. Mir ging es darum, dem Leser einen adäquaten Eindruck vom Geschehen zu vermitteln. Mittels drastischer Sprache läst sich der Ekel authentisch vermitteln. Das gleiche gilt für die verzweifelte Sexsucht der Vorhölle der Unkeuschen. Die Verwendung stilvoller Metaphern schien mir da unangebracht. Das Geschehen ist nicht stilvoll, sondern entwürdigend, warum also eine würdevolle Sprache wählen?

Freigeist schrieb:
Zitat:
Nichts dagegen - aber redest Du in der Umgangssprache wirklich so wie im Buch? Ich gehe mal davon aus, dass Du es nicht wahnsinnig aufregend oder gar erregend, auf jeden Fall aber nicht sonderlich originell finden wuerdest, wenn Dein Partner zu Dir sagte: "Ich stecke Dir jetzt meinen Schwanz in die Ritze!"...
Ok, Ihr vergnuegt Euch sicher nicht wie in der Vorhoelle der Unkeuschen (vermute ich mal Winken), aber man kann explizite oder drastische Schilderungen gewiss auch auf sprachlich hoeherem Niveau erzielen. Zugegeben, das ist schwieriger - aber solchen Anspruechen muss nun mal ein Romanautor auch gerecht werden.


Frage: Was ist sprachlich höheres Niveau? Für mich zeichnet sich sprachlich hohes Niveau darin aus, dass es einem Schreiberling gelingt, die richtige Formen für seine Inhalte zu finden...
In der Weltliteratur wurden ähnlich drastische Szenen vor allem von Henry Miller und Charles Bukowsky beschrieben... Wenn ihr Spaß daran habt, vergleicht mal die Sex- und Kotzszenen aus dem Inferno mit den Werken dieser beiden von der Kritik (seltsamer Weise?) hoch gelobten Autoren.
BTW: Ich glaube, das Wort "Ritze" habe ich zuerst bei diesen beiden gelesen...

Zitat:
Diesbezueglich habe ich die Kritik meiner Mailfreundin urspruenglich auch missverstanden. Es geht nicht um die explizite Darstellung sexueller Handlungen sondern um die sprachliche Einkleidung. Wenn ich ein billiges Pornoheft kaufe, bekomme ich in bezug auf Wortwahl ("Schwanz", "Ritze", "kotzen"), grammatikalische Konstruktionen (simple Hauptsaetze - s.h. Dein Buchzitat, das sich nicht auf Sexualitaet bezieht) und Originalitaet in der Beschreibung qualitativ Gleichwertiges. Auf Pornoheftniveau schreiben kann praktisch jeder - das ist (eben) keine Kunst. Literatur ist aber nun mal eine Kunstform und muss daher anderen Anspruechen gerecht werden.


Hältst du Miller und Bukowsky für keine nennenswerten Schriftsteller? Zu den simplen Hauptsätzen: Auch das ist eine Frage von Form und Inhalt. Wenn kurze prägnante Formulierungen (Hauptsätze) ein Zeichen schlechter Literatur wäre, dürfte man beispielsweise Hemmingway nicht unter die großen Autoren einordnen...

Zitat:
uer mich steht allgemein bei der Beurteilung von Romanen der Handlungsaspekt sehr stark im Vordergrund, weswegen ich anfangs die Stilkritik auch nicht richtig wahrgenommen habe. Aber ich habe mich ueberzeugen lassen, dass sie gerechtfertigt ist: die groesste Schwaeche des Buches ist sicher der sprachliche Stil. Um nicht missverstanden zu werden: er ist fuer mich grossteils ok - aber nicht mehr. Bei den expliziten Stellen, insbesondere den Sexszenen, laesst er aber doch zu wuenschen uebrig.


Seltsamerweise geht es mir da völlig anders. Ich sehe zwar auch an manchen Stellen sprachliche bzw. dramatische Probleme (manche der philosophischen Gespräche scheinen mir ein wenig langatmig zu sein; der Entschluss, Gott zu stürzen, kommt allzu unvorbereitet und auch das Gespräch mit Luzifer hätte ich anders ausgestalten können) allerdings bin ich sprachlich und dramaturgisch gerade mit den Sex- und Ekelszenen ziemlich zufrieden, weil sie die Erniedrigung und die Triebhaftigkeit m.E. sehr lebendig rüberbringen...

lemonstar schrieb:

Zitat:
Ich meine, dass er jene Szenen durchaus absichtlich so direkt, unverblümt geschildert hat, vor allem deswegen, da solche drastischen Formulierungen besonders schockieren. Bekanntermassen verfügt er ja auch über die Fähigkeiten "kompliziert" zu formulieren. Außerdem richtet, wie Heike schon erwähnte, sich der Ausdruck stark nach der Zielgruppe.
Statt der bildhaften Darstellung etwas wie "dann nahm er sie, doch die vollkommene Verschmelzung wurde ihnen nicht zuteil" zu verwenden, vermittelte mE die Intentionen (Versagensängste etc. s.o.) nicht annähernd so gut.


Wie gesagt: Das sehe ich genauso. Die Sprache des Romans passt sich dem jeweiligen Geschehen an. Meist hält sich der olympische Erzähler sehr zurück. Er wird in den meisten Szenen gar nicht wahrgenommen, da die Handlung in der Regel durch Dialoge vorangetrieben wird. Es gibt jedoch auch Szenen, in der der Erzähler nicht unbeteiligt ist, in denen er in die Hauptfigur hineinschlüpft und dementsprechend seinen Stil ändert. Dies ist gerade auch in den Sexszenen der Fall. Die Erzählperspektive ist hier nicht mehr objektiv, der Erzähler selbst ist von der gleichen unstillbaren Geilheit befallen wie die Hauptperson...

Zitat:
Meine Idee, die Darstellung zu entschärfen/verbessern, wäre , dass sobald Stollberg zu den kopulierenden Menschen kommt, ein Zeitsprung/Blende stattfindet und mit einer detaillierten Darstellung seiner Verzweiflung, seines Wahnes, nachdem sämtliche Befriedigungsversuche misslungen sind, fortgesetzt wird (kurz bevor Elli ihn findet).


Das wäre sicherlich eine Möglichkeit gewesen. Ich hätte damit jedoch den linearen Aufbau der Geschichte durchbrochen. Dehalb habe ich den Kunstkniff gewählt, den Erzähler mit der Hauptperson emotional gleichzuschalten...

Heike N. schrieb:
Zitat:
Genau das ist es. Stollbergs verzweifelte Kopulationsversuche, wie er hastet von einem zum anderen, eben auch diese wirklich reduzierte Sprache (weil es letztendlich immer mehr um die Reduktion geht), weil die Erregung ihn übermannt und er mit nichts anderem mehr denken kann als mit dem Kleinhirn, ist bestens ausgedrückt. Ups... oder wollte Michael etwas in der Art ausdrücken, dass das männliche Gehirn in tiefere Sphären rutscht?


Nein. Kleinhirn-Literatur ist an dieser Stelle durchaus angebracht... Lachen

Freigeist schrieb:
Zitat:
Hm, wer ist denn die Zielgruppe? Waere interessant, von Michael zu erfahren, wen er denn damit wirklich ansprechen wollte! Ich nehme an, dass es sich dabei nicht um uns handelt, denn das entspraeche wohl eher freigeistiger Masturbation...


Natürlich ist es das Ziel gewesen, mit diesem Roman auch Personengruppen anzusprechen, die sich jenseits des freigeistigen Gettos bewegen. Soweit ich dies überblicken kann, ist dies auch halbwegs gelungen. Wir müssen allerdings schauen, wie wir das Buch noch besser auf den "Märkten" platzieren können, für die es gedacht ist. Das ist nicht ganz so einfach...
Aber natürlich ist das Buch auch für Freigeister gedacht. Es handelt sich dabei ja nicht nur um eine belletristische Aufarbeitung der Religionskritik. Wie gesagt: Mit dem Problem der Absurdität der menschlichen Existenz müssen sich nicht nur religiös denkende Menschen herumschlagen...

Zu Freigeists und Heikes schriftstellerischen Alternativen:

Hmm, so wahnsinnig war Jan ja nicht, dass er sein Glied als "Presslufthammer" empfinden konnte... Der Satz klingt sehr komisch... Allerdings wollte ich nicht, dass der Leser an dieser Stelle lacht. Dann wäre der dramaturgische Effekt völlig im Eimer...

Heikes Alternative liest sich zwar gut, ist m.E. aber viel zu sanft, um die Kleinhirn-Geilheit von Jan in diesem Moment zu beschreiben... Das wilde Tier, der unbeugsame Trieb, wird für mich dadurch nicht greifbar. Wenn ich das so lese, denke ich mir, naja, Typ, nu hab dich nicht so... Lachen

Wie gesagt: Das alles ist Geschmackssache, aber auch eine Frage der eigenen literarischen Ästhetik. Für mich gibt es keine Sprache, die an sich auf höherem Niveau angesiedelt ist. Sprache muss den Sachverhalt, um den es geht, möglichst klar zum Ausdruck bringen. Literarisches Niveau zeigt sich für mich darin, wenn es einem Autor gelingt, die richtige Form für seine Inhalte zu finden. Ob mir das in diesem Roman gelungen ist, kann ich nicht natürlich beurteilen. Das kann nur jeder Leser selbst entscheiden.

Deshalb finde ich es sehr spannend, mit euch darüber in diesem Forum zu diskutieren... Ich freue mich darüber, dass ihr eure Kritik nicht zurückhaltet. Das hier soll ja kein Stollbergs Inferno- oder gar MSS-Huldigungsforum sein.
Das heißt natürlich nicht, dass ich über lobende Anerkennung unglücklich wäre zwinkern. Aber: Jeder, der dieses Forum besucht, sollte wissen, dass ich es ihm oder ihr nicht übel nehmen würde, wenn er/sie den Roman abgrundtief schlecht finden sollte... (Dies nur für diejenigen, die es problematisch empfinden, über ein Buch in Anwesenheit des Autors zu schimpfen...) zwinkern


So, ich denke, das wärs. Wenn ich in den nächsten Tagen nicht in diesem Forum anwesend sein sollte, liegt es daran, dass ich unterwegs bin. Ich werde aber auf jenden Fall versuchen, auf Beiträge zu antworten.

#88:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 25.10.2003, 21:50
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Heike N. schrieb:
Zitat:
[...]Und das ist mal wirklich ekelhaft (Mist, ich wollte am Wochenende Geflügel machen und Michael hats mir mal wieder versaut.)


Zunächst einmal Entschuldigung dafür... Lachen


Schon OK, es gab Hackfleischpfanne. Lachen

Zitat:
In der Tat ist diese Stelle ähnlich drastisch wie die Sexszenen. Mir ging es darum, dem Leser einen adäquaten Eindruck vom Geschehen zu vermitteln. Mittels drastischer Sprache läst sich der Ekel authentisch vermitteln. Das gleiche gilt für die verzweifelte Sexsucht der Vorhölle der Unkeuschen. Die Verwendung stilvoller Metaphern schien mir da unangebracht. Das Geschehen ist nicht stilvoll, sondern entwürdigend, warum also eine würdevolle Sprache wählen?


Eben diese Intension hatte ich dir auch unterstellt. Genauso hatte ich es verstanden und deshalb empfand ich es richtig so.

Wie gesagt, ich lese es gerade noch einmal und da ist mir aufgefallen, dass die anschließende Sexszene im "Garten Eden" der Aufseherinnen etwas zu flach und "lieblos" dargestellt wurde. Nach meinem Verständnis hätte sie sich umfassend emotionaler darstellen müssen. Es liest sich fast so, als hättest du an der Stelle keine Lust mehr gehabt und nur halbherzig geschrieben. Das Liebesgeständnis von Jan gegenüber Elli wirkt dadurch nicht so glaubwürdig.

Ich könnte nun diesen Text so interpretieren, dass Jan (zumal er sich inmitten dieser selbstbewussten Frauen doch Schwierigkeiten mit seiner Schüchternheit bekommt und nach seinen Aussagen eine solch selbstbewusste Frau wie Elli noch nicht kennengelernt hat):

a) Emotionale und sexuelle Defizite im Hinblick auf Frauen hat
b) Ein (männliches) Wunschdenken verwirklicht: hinein mit ihm und die Frau ist genauso geil und bekommt - ohne viel "Drumherumgebastel" - dennoch zur gleichen Zeit völlig unspektakulär einen Orgasmus, was u.U. (trifft die Annahme zu) wiederum zu a) führen kann.

Für das IMHO unrealistische Liebesgeständnis an Elli habe ich zwei Interpretationsmöglichkeiten:

a) Er ist eingeschüchtert ob dieser selbstbewussten (und faktisch wesentlich älteren) Frauen (mag bildlich verstärkt werden durch sein plötzlich jugendliches Aussehen) und verwechselt Liebe mit Bewunderung und Ehrfurcht
b) gleich wie man davon gehört hat, dass Menschen in Todesangst oder gravierenden Krisensituationen nichts anderes zu tun haben als noch einmal fix zu kopulieren, verwechselt er Sex mit Liebe.

Zitat:
Zu Freigeists und Heikes schriftstellerischen Alternativen:

Heikes Alternative liest sich zwar gut, ist m.E. aber viel zu sanft, um die Kleinhirn-Geilheit von Jan in diesem Moment zu beschreiben... Das wilde Tier, der unbeugsame Trieb, wird für mich dadurch nicht greifbar. Wenn ich das so lese, denke ich mir, naja, Typ, nu hab dich nicht so... Lachen


Mir ist gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass in diesem Forum keine pornographischen Texte geduldet werden. Verlegen

Zitat:
Wie gesagt: Das alles ist Geschmackssache, aber auch eine Frage der eigenen literarischen Ästhetik. Für mich gibt es keine Sprache, die an sich auf höherem Niveau angesiedelt ist. Sprache muss den Sachverhalt, um den es geht, möglichst klar zum Ausdruck bringen. Literarisches Niveau zeigt sich für mich darin, wenn es einem Autor gelingt, die richtige Form für seine Inhalte zu finden. Ob mir das in diesem Roman gelungen ist, kann ich nicht natürlich beurteilen. Das kann nur jeder Leser selbst entscheiden.


Absolute Zustimmung.

Zitat:
Deshalb finde ich es sehr spannend, mit euch darüber in diesem Forum zu diskutieren...


Für mich ist das eine neue und tolle Erfahrung. Macht Spaß.

#89:  Autor: Freigeist BeitragVerfasst am: 26.10.2003, 15:41
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Was die Verwendung von Sprachbildern, Metaphern etc. angeht: Damit bin ich bewusst sparsam umgegangen. Ich habe da so einen Leitsatz: Je fantastischer deine Geschichte, desto einfacher und realistischer die Sprache, je realistischer die Geschichte (also je näher am Alltag), umso fantastischer kann die Ausdrucksform sein! Ich persönlich mag es nicht, wenn Fantastisches auf fantastische Weise und Alltägliches auf alltägliche Weise erzählt wird. Ich finde sowas unspannend...


Interessanter Ansatz!

Zitat:
In der Tat ist diese Stelle ähnlich drastisch wie die Sexszenen. Mir ging es darum, dem Leser einen adäquaten Eindruck vom Geschehen zu vermitteln. Mittels drastischer Sprache läst sich der Ekel authentisch vermitteln. Das gleiche gilt für die verzweifelte Sexsucht der Vorhölle der Unkeuschen. Die Verwendung stilvoller Metaphern schien mir da unangebracht. Das Geschehen ist nicht stilvoll, sondern entwürdigend, warum also eine würdevolle Sprache wählen?


Kommt darauf an, was man unter "stilvoll" versteht. Ich habe nun tatsaechlich Beispiele dafuer gefunden, dass es sehr wohl moeglich ist, sprachliches Niveau und passenden Freiraum fuer Fantasie zu halten, auch wenn man Perversionen (egal ob sexueller oder anderer Natur) beschreibt. Falls Du dazu eine Anregung sehen (lesen) willst, dann empfehle ich mal "Die Buecher des Blutes" von Clive Barker. Einige seiner Horrorstories sind schon so ziemlich am Maximum, was man an sexuellen und anderen Perversionen beschreiben kann, aber er begibt sich dabei nie auf das sprachliche Niveau von Billigpornographie.

Zitat:

Frage: Was ist sprachlich höheres Niveau? Für mich zeichnet sich sprachlich hohes Niveau darin aus, dass es einem Schreiberling gelingt, die richtige Formen für seine Inhalte zu finden...


Darunter verstehe ich, dass man dazu mehr Einfallsreichtum benoetigt, als das Stammpublikum im Beisl ums Eck.

Zitat:
In der Weltliteratur wurden ähnlich drastische Szenen vor allem von Henry Miller und Charles Bukowsky beschrieben... Wenn ihr Spaß daran habt, vergleicht mal die Sex- und Kotzszenen aus dem Inferno mit den Werken dieser beiden von der Kritik (seltsamer Weise?) hoch gelobten Autoren.



Es geht nicht um die Handlung an sich, sondern darum, wie sie ausgedrueckt wird. Erstere kann drastisch sein, ohne dass man bei letzterem grosse Abstriche machen muss.

Zitat:
BTW: Ich glaube, das Wort "Ritze" habe ich zuerst bei diesen beiden gelesen...


Argumentum ad autoritatem zwinkern

Zitat:
Hältst du Miller und Bukowsky für keine nennenswerten Schriftsteller? Zu den simplen Hauptsätzen: Auch das ist eine Frage von Form und Inhalt. Wenn kurze prägnante Formulierungen (Hauptsätze) ein Zeichen schlechter Literatur wäre, dürfte man beispielsweise Hemmingway nicht unter die großen Autoren einordnen...


Tja, sogar Mutter Theresa hat den Friedensnobelpreis bekommen... zwinkern

Spass beiseite: nennenswerte Schriftsteller haben vermutlich die ausserordentliche Begabung, selbst mit sprachlich geringen Mitteln grossen Eindruck zu erzielen. Dass heisst nicht, dass man sich sprachlich einfache Mittel zum Vorbild nehmen sollte. Nicht jeder ist ein Hemmingway...

Zitat:
Wie gesagt: Das sehe ich genauso. Die Sprache des Romans passt sich dem jeweiligen Geschehen an. Meist hält sich der olympische Erzähler sehr zurück. Er wird in den meisten Szenen gar nicht wahrgenommen, da die Handlung in der Regel durch Dialoge vorangetrieben wird. Es gibt jedoch auch Szenen, in der der Erzähler nicht unbeteiligt ist, in denen er in die Hauptfigur hineinschlüpft und dementsprechend seinen Stil ändert. Dies ist gerade auch in den Sexszenen der Fall. Die Erzählperspektive ist hier nicht mehr objektiv, der Erzähler selbst ist von der gleichen unstillbaren Geilheit befallen wie die Hauptperson...


Hm, galt das vielleicht auch fuer den Autor beim Schreiben? zynisches Grinsen

Naja, vermutlich nicht anders als der Leser beim Lesen Verlegen

Zitat:
Natürlich ist es das Ziel gewesen, mit diesem Roman auch Personengruppen anzusprechen, die sich jenseits des freigeistigen Gettos bewegen. Soweit ich dies überblicken kann, ist dies auch halbwegs gelungen. Wir müssen allerdings schauen, wie wir das Buch noch besser auf den "Märkten" platzieren können, für die es gedacht ist. Das ist nicht ganz so einfach...


Ich gehe mal nicht davon aus, dass dieses Buch einer kritischen Analyse im Religionsunterricht zugefuehrt werden wird (vielleicht gar mit Leseproben pikanter Stellen zwinkern)...

Zitat:
Heikes Alternative liest sich zwar gut, ist m.E. aber viel zu sanft, um die Kleinhirn-Geilheit von Jan in diesem Moment zu beschreiben... Das wilde Tier, der unbeugsame Trieb, wird für mich dadurch nicht greifbar. Wenn ich das so lese, denke ich mir, naja, Typ, nu hab dich nicht so... Lachen


Probier mal Clive Barkers "Das Zeitalter der Begierde". Auch ganz nett zynisches Grinsen

Zitat:
Wie gesagt: Das alles ist Geschmackssache, aber auch eine Frage der eigenen literarischen Ästhetik. Für mich gibt es keine Sprache, die an sich auf höherem Niveau angesiedelt ist.


Aha, ein Dekonstruktivist!

Zitat:
Sprache muss den Sachverhalt, um den es geht, möglichst klar zum Ausdruck bringen.


Oha, gibt es also doch unterschiedliche Niveaus!

Zitat:
Literarisches Niveau zeigt sich für mich darin, wenn es einem Autor gelingt, die richtige Form für seine Inhalte zu finden. Ob mir das in diesem Roman gelungen ist, kann ich nicht natürlich beurteilen. Das kann nur jeder Leser selbst entscheiden.


Die Geschmaecker sind verschieden! Manche haben halt keinen zwinkern zwinkern

#90:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 28.10.2003, 19:06
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Wo ist eigentlich Jesus geblieben und Mutter Teresa? Am Kopf kratzen

#91:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 03.11.2003, 01:45
    —
Heike N. schrieb:

Zitat:
Wie gesagt, ich lese es gerade noch einmal und da ist mir aufgefallen, dass die anschließende Sexszene im "Garten Eden" der Aufseherinnen etwas zu flach und "lieblos" dargestellt wurde. Nach meinem Verständnis hätte sie sich umfassend emotionaler darstellen müssen. Es liest sich fast so, als hättest du an der Stelle keine Lust mehr gehabt und nur halbherzig geschrieben. Das Liebesgeständnis von Jan gegenüber Elli wirkt dadurch nicht so glaubwürdig.


Die Szene war ursprünglich länger. Ich habe sie zusammengestrichen, weil ich das Gefühl hatte, dass die (Vor-)Hölle nur ein gewisses Maß an Romantik verträgt...

Zitat:
Für das IMHO unrealistische Liebesgeständnis an Elli habe ich zwei Interpretationsmöglichkeiten:

a) Er ist eingeschüchtert ob dieser selbstbewussten (und faktisch wesentlich älteren) Frauen (mag bildlich verstärkt werden durch sein plötzlich jugendliches Aussehen) und verwechselt Liebe mit Bewunderung und Ehrfurcht
b) gleich wie man davon gehört hat, dass Menschen in Todesangst oder gravierenden Krisensituationen nichts anderes zu tun haben als noch einmal fix zu kopulieren, verwechselt er Sex mit Liebe.


Dies mag so sein. Dennoch: Es gibt natürlich das Phänomen, dass zwei Menschen - auch in alltäglichen Situationen - sehr schnell merken, dass sie auf gleicher Wellenlänge liegen...
Außerdem muss man ja beachten, dass es sich hier - wie in allen Szenen des Romans - um virtuelle Geschehnisse handelt. Elli existiert nur in Jans Vorstellung. Sie ist gewissermaßen die Quintessenz aller Geliebten, die Jan in seinem Leben hatte. Deshalb kann er gar nicht anders auf Elli reagieren, als er es tat...

Freigeist schrieb:
Zitat:
Darunter verstehe ich, dass man dazu mehr Einfallsreichtum benoetigt, als das Stammpublikum im Beisl ums Eck.
(...) Es geht nicht um die Handlung an sich, sondern darum, wie sie ausgedrueckt wird. Erstere kann drastisch sein, ohne dass man bei letzterem grosse Abstriche machen muss.


Meine Erinnerung an Bukowsky und Miller bezog sich ja gerade auf die sprachliche Fassung, weniger auf die Handlung. BTW: Billigpornographie sieht anders aus. Eine ernsthafte, tabulose Beschreibung von Sex findet in diesem Genre kaum statt. Die Schreiberlinge flüchten sich hier in der Regel in den klamaukhaften Humor. Ich komme gerade aus einem Kurzurlaub aus Hamburg zurück. Sex auf St. Pauli hat mehr mit "Mainz. wie's singt und lacht" zu tun, als mit den derben Passagen bei Henry Miller oder auch im Stollberg-Roman...

Zitat:
Die Erzählperspektive ist hier nicht mehr objektiv, der Erzähler selbst ist von der gleichen unstillbaren Geilheit befallen wie die Hauptperson...

Hm, galt das vielleicht auch fuer den Autor beim Schreiben?
Naja, vermutlich nicht anders als der Leser beim Lesen


Genau das sollte ja auch erreicht werden... Lachen

Zitat:
Oha, gibt es also doch unterschiedliche Niveaus!


Natürlich, aber das Niveau zeigt sich nicht abstrakt auf formaler Ebene, sondern konkret in der spezifischen Relation von Form und Inhalt...
Manche Inhalte lassen sich am besten in Gestalt eines Comics ausdrücken, andere verlangen eine episch-dramatische Anlage...

Heike N. schrieb:

Zitat:
Wo ist eigentlich Jesus geblieben und Mutter Teresa? Am Kopf kratzen


Da der christliche Gott an einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidet (Dreifaltigkeit) konnte Jesus nicht getrennt von Gottvater und Heiliger Geist auftreten. Die fantastischen Drei erscheinen also als projizierte Gottgestalt in Kapitel 41.
Mutter Teresa gehört zu den Seligen/Heiligen bei Paulus bzw. im Tempel Gottes. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich den Roman schrieb, war sie noch nicht seliggesprochen. Deshalb habe ich davon abgesehen, sie namentlich zu erwähnen...

#92:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 04.11.2003, 22:11
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M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Heike N. schrieb:

Zitat:
Wie gesagt, ich lese es gerade noch einmal und da ist mir aufgefallen, dass die anschließende Sexszene im "Garten Eden" der Aufseherinnen etwas zu flach und "lieblos" dargestellt wurde. Nach meinem Verständnis hätte sie sich umfassend emotionaler darstellen müssen. Es liest sich fast so, als hättest du an der Stelle keine Lust mehr gehabt und nur halbherzig geschrieben. Das Liebesgeständnis von Jan gegenüber Elli wirkt dadurch nicht so glaubwürdig.


Die Szene war ursprünglich länger. Ich habe sie zusammengestrichen, weil ich das Gefühl hatte, dass die (Vor-)Hölle nur ein gewisses Maß an Romantik verträgt...


Nu ja, deine schriftstellerische Freiheit will ich nicht ankratzen. Fiel mir nur auf. Hätte man anders ausführen können.

Zitat:
Dennoch: Es gibt natürlich das Phänomen, dass zwei Menschen - auch in alltäglichen Situationen - sehr schnell merken, dass sie auf gleicher Wellenlänge liegen...
Außerdem muss man ja beachten, dass es sich hier - wie in allen Szenen des Romans - um virtuelle Geschehnisse handelt. Elli existiert nur in Jans Vorstellung. Sie ist gewissermaßen die Quintessenz aller Geliebten, die Jan in seinem Leben hatte. Deshalb kann er gar nicht anders auf Elli reagieren, als er es tat...


Naja, ich versuche ja immer, dahinter zu kommen, wie viel von dem Autor in der Geschichte steckt. Gerade das reizt halt auch. Auf den Arm nehmen

(meine Interpretation mit psychologischem Schwerpunkt von "Dornröschen" in der Oberstufe war legendär. Verlegen

Gröhl... )

Zustimmung

#93:  Autor: Don Quixote BeitragVerfasst am: 11.11.2003, 11:43
    —
Guten Tag,

ich fand die Diskussion über den sprachlichen Stil von Stollbergs Inferno etwas seltsam. Was mich an dem Buch begeistert hat, ist neben der inhaltlichen Komponente gerade die Art und Weise, wie das Buch sprachlich gefasst ist. Diese sog. "Entgleisungen" im Stile von Henry Miller machen im Kontext der klugen philosophischen Dialoge doch erst den Reiz des Buches aus. Dadurch wird das Inferno sinnlich nachvollziehbar!

Ich fand heute auf Salomons Homepage eine wunderbare Rezension des Romans, die das, was ich meine, ganz hervorragend in Worte fasst. Deshalb will ich sie hier wiedergeben:

_____________________________________________
"Ein Spitzenprodukt spätmoderner Entkategorisierung: Comic, Doku-Soap und Philosophie vom Feinsten!"

Eines ist klar: In jenem christlich-katholischen Weltbild, das dem Erzähler als Bühne seiner Geschichte dient, gehört dieses Buch auf die Indexliste. Das Schicksal als Librorum prohibitorum (verbotenes Buch) wäre allerdings tragisch, denn dieses Buch ist nicht nur ein dynamisch geschriebener und flüssig zu lesender Roman, nicht nur eine abenteuerliche, spannende und erotische Geschichte, nicht nur tiefsinnig und witzig, voller Ironie, Lebensfreude, sprühender Ideen und unerwarteten Wendungen. Es ist mehr: Schon nach wenigen Zeilen vermag Stollbergs Inferno im Lesenden selbst ein Inferno zu entfesseln, einen ebenso rasanten wie üppigen Bildersturm, eine Höllenfantasie, die zunehmend leiblich erfahrbar wird. Gelingt es dem Autor doch nachhaltig, alle Sinne des Lesers zu aktivieren. In beeindruckender Intensität schildert er Gerüche und Geräusche, taktile, visuelle und geschmackliche Wahrnehmungen seiner Hauptperson.

Jan Stollberg, im irdischen Leben als Religionskritiker wirkend, findet sich nach seinem plötzlichen Tod zu seiner eigenen Überraschung in der christlichen Vorhölle wieder. Verdammt zu absurder Tätigkeit trifft er dort auf andere “Gesinnungstäter”. Camus, der sein Begleiter wird, Nietzsche, Marx, Bakunin, Feuerbach, aber auch Bloch, Sartre, Fromm, Adorno und andere haben sich der gleichen Todsünden schuldig gemacht: der Kritik oder, schlimmer noch, der Leugnung Gottes. Da weder die Qualen der Vorhölle noch die 6 mal 66 inquisitorischen Verhöre durch die “Schergen” Gottes zu Läuterung und Gottesbekenntnis führen, erwartet alle der Gang zur himmlischen Rampe und dort: der Sprung ins ewige Fegefeuer. Der bevorstehende Abtransport Feuerbachs aber mobilisiert die geschundene Gemeinschaft der Aufrechten dann zur kühnen Revolte gegen die maßlose Unmenschlichkeit eines unsichtbaren Gottes.

In dieser Szenerie entfaltet sich die Leitfrage des Romans: Wie leben und sterben ohne metaphysischen, das heißt jenseits der Erfahrungswelt liegenden Sinn? Wie sich zu einer absurden Existenz stellen? Meisterhaft versteht es der Autor, seine Erkundungen im Bild der aufgeklärt und zutiefst menschlich in jenseitiger Kulisse agierenden Akteure auf die Spitze zu treiben. Salomons Drehbuch zielt nicht darauf, Gottes Existenz zu widerlegen, vielmehr interessiert: Was wäre, wenn Gott tatsächlich existieren würde? So lässt er Camus sagen: “Das Leben ist nicht deshalb absurd, weil kein über den Tod hinausweisender Sinn und damit kein Gott existiert, sondern erst die Existenz Gottes bringt die Logik des Absurden zur Vollendung.” Die höchst vital auftretenden Figuren geben keine letztgültigen Antworten. Aber sie demonstrieren in geistreichen Dialogen, dass selbst die Hölle – die jenseitige allemal – ein lebenswerter Aufenthaltsort sein kann, wenn Menschen ihre Menschlichkeit leben. Stollberg revoltiert noch im Sterben gegen die Absurdität seiner Existenz. Er wird scheitern und erfährt sich doch bis zuletzt als einen glücklichen Menschen.

Das vorliegende Buch ist unvergleichbar mit anderen philosophisch grundierten Romanen wie Sophies Welt, die Göttliche Komödie, die Satanischen Verse. Es ist anders: Eine höllisch gute Story, temporeich und kurzweilig. Ein Spitzenprodukt spätmoderner Entkategorisierung: Comic, Doku-Soap und Philosophie vom Feinsten.

Ein überaus empfehlenswertes Buch, das gerade auch dem chronisch erschöpften Philosophiebibliomanen Denk- und Leselust verspricht.

Kathrin Schulz, der blaue reiter, Journal für Philosophie Heft 17/2003
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Wie gesagt: Ich kann der Rezensentin nur zustimmen! Was mich bewegt: Weshalb liegt ein Buch, das so gute Kritiken erhält und das m.E. wirklich im besten Sinne ungewöhnlich ist, nicht in jeder Buchhandlung aus? Was kann man tun, damit das Buch in einer breiteren öffentlichkeit bekannt wird? Für die Idee der Freigeistigkeit ist dieses Buch doch wertvoller als die meisten anderen, denn Sachbücher zum Thema lesen die Leute kaum. So ein Roman packt die Leute ganz anders. Indirekt sind sie gezwungen, über etwas nachzudenken, über das sie normalerweise nie nachdenken würden!

Also: Was kann man tun? Leserbriefe schreiben? Oder Forenbeiträge? Hat der Verlag versucht, mit dem Buch in die grossen Zeitungen reinzukommen?

#94:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 11.11.2003, 11:47
    —
Mich hat etwas verwundert: Zunächst wundert sich Stollberg, dass er nur bekannte Persönlichkeiten in der Vorhölle trifft, oder Leute, die bestimmte Sichtweisen ideal verkörpern. Als dann die Revolte im Erholungspark der Aufseher einen ersten Höhepunkt erreicht, jubeln ihm aber auf einmel 5000 zu. Irgendwie scheint mit da ein kleines Missverhältnis zu bestehen. Wo kommen die auf einmal her?

Ansonsten bin ich bis jetzt hellauf begeistert Smilie

#95:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 11.11.2003, 11:52
    —
Spock hat folgendes geschrieben:
Mich hat etwas verwundert: Zunächst wundert sich Stollberg, dass er nur bekannte Persönlichkeiten in der Vorhölle trifft, oder Leute, die bestimmte Sichtweisen ideal verkörpern. Als dann die Revolte im Erholungspark der Aufseher einen ersten Höhepunkt erreicht, jubeln ihm aber auf einmel 5000 zu. Irgendwie scheint mit da ein kleines Missverhältnis zu bestehen. Wo kommen die auf einmal her?


Tja, manche zaubern aus fünf Broten und zwei Fischen eine kulinarische Mahlzeit für 5000 Menschen und manche zaubern aus einer Handvoll Menschen 5000. Zustimmung

edit: Moment mal! Das hieße, Michael wäre der Messias! Geschockt

#96:  Autor: HannibalWohnort: Wien BeitragVerfasst am: 11.11.2003, 16:06
    —
Das gibts doch nicht... ist mir nicht aufgefallen... Verlegen

Der Autor persönlich?? Überrascht -Cool!

Und wo ist Karlheinz Deschner? Cool

#97:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 12.11.2003, 14:54
    —
Heike N. schrieb:
Zitat:
Nu ja, deine schriftstellerische Freiheit will ich nicht ankratzen. Fiel mir nur auf. Hätte man anders ausführen können.


Zweifellos! Hab daher auch gar nichts dagegen, wenn man meine "schriftstellerische Freiheit" ankratzt... Was nicht natürlich heißt, dass ich tatenlos zuschauen würde, wenn ein Strafanwalt das Gleiche täte... Smilie

Zitat:
(meine Interpretation mit psychologischem Schwerpunkt von "Dornröschen" in der Oberstufe war legendär.)


Das glaube ich gerne... Lachen

Don Quixote schrieb:
Zitat:
Diese sog. "Entgleisungen" im Stile von Henry Miller machen im Kontext der klugen philosophischen Dialoge doch erst den Reiz des Buches aus. Dadurch wird das Inferno sinnlich nachvollziehbar!


So war es auch intendiert... Smilie

Zitat:
eine wunderbare Rezension des Romans, die das, was ich meine, ganz hervorragend in Worte fasst.


Über diese Rezension habe ich mich auch sehr gefreut! Wie es scheint, kam bei der Rezensentin genau das an, was ich mit dem Roman bezweckte. Ich war anfangs ein bisschen skeptisch bezüglich der Frage, wie "der blaue reiter" das Buch wohl rezensieren würde.. Bislang ist dieses "Journal für Philosophie" (übrigens die auflagenstärkste Philosophiezeitschrift im deutschsprachigen Raum) nicht unbedingt durch starke religionskritische Inhalte aufgefallen...

Zitat:
Was mich bewegt: Weshalb liegt ein Buch, das so gute Kritiken erhält und das m.E. wirklich im besten Sinne ungewöhnlich ist, nicht in jeder Buchhandlung aus? Was kann man tun, damit das Buch in einer breiteren öffentlichkeit bekannt wird? Für die Idee der Freigeistigkeit ist dieses Buch doch wertvoller als die meisten anderen, denn Sachbücher zum Thema lesen die Leute kaum. So ein Roman packt die Leute ganz anders. Indirekt sind sie gezwungen, über etwas nachzudenken, über das sie normalerweise nie nachdenken würden!

Also: Was kann man tun? Leserbriefe schreiben? Oder Forenbeiträge? Hat der Verlag versucht, mit dem Buch in die grossen Zeitungen reinzukommen?


Letzteres ja - allerdings bislang nicht mit allzu großem Erfolg. Leider! Was man da tun kann? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht... Vielleicht hat jemand in diesem Forum dazu ja eine griffige Idee...

Spock schrieb:
Zitat:
Mich hat etwas verwundert: Zunächst wundert sich Stollberg, dass er nur bekannte Persönlichkeiten in der Vorhölle trifft, oder Leute, die bestimmte Sichtweisen ideal verkörpern. Als dann die Revolte im Erholungspark der Aufseher einen ersten Höhepunkt erreicht, jubeln ihm aber auf einmel 5000 zu. Irgendwie scheint mit da ein kleines Missverhältnis zu bestehen. Wo kommen die auf einmal her?


Nun ja, schon in dem Moment, in dem Stollberg die Vorhölle der Todsünder betritt, sieht er eine Menge Leute schuften. Bei der großen Speisungen läuft er an vielen gefüllten Tischen vorbei und als der Aufstand organisiert wird, erfährt man, dass die verschwörerischen Philosophie-Promis die Mitgefangenen informieren müssen (Sartre beispielsweise spricht davon, dass er sich mit einigen alten Kämpfern beraten habe...) Aber ich versteh schon, was du meinst... In Kapitel XXXIII stellt sich Stollberg die Frage, wo all die unbekannten Menschen geblieben sind, die sich im Verborgenen von Gott abgewandt haben... (Das sind ja weit mehr als die 5000.) Die Erklärung dafür erfolgt etwas später, in dem Moment, in dem Görlitz den Aufbau der Vorhöllen erklärt: Die Todsündervorhöllen sind deshalb so menschenleer, weil die überwiegende Mehrheit der Abtrünnigen postmortal konvertiert wurde...)

Heike N. schrieb:

Zitat:
Moment mal! Das hieße, Michael wäre der Messias!


Nu, aber bitte keine Beleidigungen!! Lachen

Kossuth schrieb:
Zitat:
Und wo ist Karlheinz Deschner?


Der kann doch noch gar nicht in der Vorhölle sein, denn der gute Karlheinz schreibt doch noch quicklebendig an den letzten Bänden seiner Kriminalgeschichte... Dennoch gehen Deschner-Fans nicht völlig leer aus: Stollberg zitiert ihn in der Vorhölle, worauf Nietzsche seinen Respekt für die Formulierung ausdrückt...

#98:  Autor: Don Quixote BeitragVerfasst am: 18.11.2003, 12:57
    —
Ich habe jetzt damit angefangen, die Feuilleton-Deppen der grossen Zeitungen anzuschreiben, ob sie Stollbergs Inferno nicht mal besprechen wollen. Als Anlage habe ich die Rezension aus dem blauen reiter dazugefügt. Mal schauen, ob da jemand reagiert...

#99:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 20.11.2003, 12:19
    —
Don Quixote hat folgendes geschrieben:
Ich habe jetzt damit angefangen, die Feuilleton-Deppen der grossen Zeitungen anzuschreiben, ob sie Stollbergs Inferno nicht mal besprechen wollen. Als Anlage habe ich die Rezension aus dem blauen reiter dazugefügt. Mal schauen, ob da jemand reagiert...


Klasse! Vielen Dank für das Engagement!! Sehr glücklich
Ich kann mir vorstellen, dass mancher Zeitungsmensch auf Leserzuschriften eher reagiert als auf die Anfragen des Verlags!
Wenn Sie Reaktionen bekommen, sagen Sie mir bitte Bescheid!
Beste Grüße und nochmals vielen Dank!

#100:  Autor: FluseWohnort: Niedersachsen BeitragVerfasst am: 28.11.2003, 01:01
    —
Ich habe mir gerade online aus dem Buch ein paar Kapitel lesen können,
ich hole mir das Buch Lachen
Der Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut. Cool
@ Heike
Danke für den Tipp den Du mir gegeben hast! Smilie

#101:  Autor: Don Quixote BeitragVerfasst am: 02.12.2003, 12:59
    —
M.S.Salomon hat geschrieben:

"Warum taucht nun Anders nicht auf? An dieser Stelle hat sich einmal der Schriftsteller gegen den Philosophen durchgesetzt. Ich wusste nicht, wie Anders, den Einzelgänger, in die Geschichte hätte einbauen können. Im Prinzip gab es nur die Entscheidung: Mache ich Camus zu Stollbergs ständigem Begleiter oder aber Günter Anders? Da sich aber nach den ersten Kapitel abzeichnete, dass das Grundthema des Romans der Kampf mit dem Absurden sein würde, entschied ich mich für Camus."

Diese Entscheidung kann ich gut nachvollziehen! Was die konfrontation mit dem Absurden betrifft, ist Camus selbstverständlich der bessere Begleiter...

Was mich ein wenig verwundert hat: Wenn Sie schreiben, dass sich nach einigen Kapiteln abzeichnete, dass das Grundthema des Romans die Konfrontation mit dem Absurden sein würde, heisst das, dass Ihnen dies zu Beginn des Romans noch gar nicht bewusst war? Der Roman wirkt so gut durchkalkuliert, dass man den Eindruck hat, dass Sie am Anfang eine Art Schlachtplan ersonnen haben, den Sie später im Prozess des Schreibens verwirklichten.

Oder täusche ich mich da etwa? "Stollbergs Inferno" wirkt auf mich keinesfalls so, als ob Sie wild drauf losgeschrieben hätten, ohne zu wissen, was Sie da tun. Auf diese Weise hätten sie die vielen Denker doch gar nicht in die Handlung unterbringen können, oder?

Vielleicht könnten Sie kurz darlegen, wie Sie an dem Roman gearbeitet haben! Das würde mich sehr interessieren. Man hat ja selten die Gelegenheit, einen Autor, den man spannend findet (die meisten sind ja leider längst tot!), zu fragen, wie er an seine Arbeit herangeht!

Vielen Dank!

#102:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 04.12.2003, 18:53
    —
Don Quixote schrieb:

Zitat:
Was mich ein wenig verwundert hat: Wenn Sie schreiben, dass sich nach einigen Kapiteln abzeichnete, dass das Grundthema des Romans die Konfrontation mit dem Absurden sein würde, heisst das, dass Ihnen dies zu Beginn des Romans noch gar nicht bewusst war? Der Roman wirkt so gut durchkalkuliert, dass man den Eindruck hat, dass Sie am Anfang eine Art Schlachtplan ersonnen haben, den Sie später im Prozess des Schreibens verwirklichten.

Oder täusche ich mich da etwa? "Stollbergs Inferno" wirkt auf mich keinesfalls so, als ob Sie wild drauf losgeschrieben hätten, ohne zu wissen, was Sie da tun. Auf diese Weise hätten sie die vielen Denker doch gar nicht in die Handlung unterbringen können, oder?


Nun, es war eher ein Mix aus beiden Schreibstrategien. Zunächst hatte ich nur diese "Was wäre wenn"-Idee: Wie würdest du dich verhalten, wenn du sterben würdest und es würde sich herausstellen, dass die Christen doch Recht hatten? Könnte man aus dieser Grundkonstellation (ein Religionskritiker im christlichen Jenseits) nicht eine spannende und geistreiche Geschichte machen?

Diese Idee habe ich lange mit mir rumgetragen. Sie ist irgendwann Anfang der Neunziger Jahre entstanden. Es hat aber lange gedauert, bis ich Zeit hatte, das Projekt tatsächlich anzugehen... (Das war auch so beim "Maria-Syndrom". Die Idee dazu hatte ich Anfang der 80er Jahre, realisiert habe ich das Ganze erst in den frühen Neunzigern...)

Den Roman habe ich exakt am 24.11.2000 begonnen und mit einigen Unterbrechungen daran gearbeitet bis zum 24.3.2001 (Tag der Fertigstellung der 1. Fassung) . (Glücklicherweise habe ich damals eine Art "Stollberg Arbeitsheft" geführt, so dass ich das jetzt noch recht genau nachvollziehen kann.) Die ersten 8 Kapitel habe ich in einem Zug so niedergeschrieben, wie sie jetzt im Buch zu finden sind. Zunächst kam der Aphorismus, dann der Titel, dann ein Kapitel nach dem anderen, ohne dass ich genau wusste, was da später noch passieren sollte. (Es war gewissermaßen ein Textphase, in der ich feststellen wollte, ob die Grundidee des Romans überhaupt funktionieren würde...)

Es war reiner Zufall, dass Camus (und damit die Idee des Absurden) so früh in der Geschichte auftauchte. Ich hatte gerade die Szene geschrieben, in der Stollberg eine Grube aushob und wieder zuschütten musste. Eine Sisyphosarbeit! Was lag da näher, als Camus einzuführen, von dem ich - wie ich gestehen muss! - zu diesem Zeitpunkt nur EIN Werk gelesen hatte, nämlich den Mythos des Sisyphos?

Genaugenommen kam Camus einzig und allein in die Handlung aufgrund einer recht einfachen Pointe (Camus erwidert auf Stollbergs Klagen, dass er sich Sisyphos durchaus etwas glücklicher vorgestellt habe). Aufgrund dieser Pointe hatte ich Camus gewissermaßen am "Hals". Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mit dem Autor intensiver auseinanderzusetzen. In den darauffolgenden Wochen las ich nahezu alles, was Camus je geschrieben hatte sowie einen nicht geringen Teil der deutschsprachigen Sekundärliteratur.

Dabei wurde mir natürlich schnell bewusst, dass eines der Grundthemen von Camus auch das philosophische Grundthema des Romans werden konnte, nämlich der Kampf mit dem Absurden und die Möglichkeit der Revolte. Letztlich war dies ein glücklicher Zufall. Von Anfang an intendiert war dies nicht... Verlegen

Ich hoffe, Sie mit diesen Darlegungen nicht allzu sehr enttäuscht zu haben.
Smilie

Dennoch ist Ihre Vorstellung, dass ich eine Art Schlachtplan entworfen habe, nicht völlig falsch. Ab Kapitel 9 überlegte ich mir natürlich, in welche Richtung ich die Handlung treiben wollte, wer wo erscheint, mit wem was bespricht etc. Diese Überlegungen habe ich meist angestellt, wenn ich nicht zuhause am Computer war, sondern beispielsweise in einer Kneipe auf den nächsten Bus wartete. (Ich notierte solche strategischen Überlegungen in mein kleines Arbeitsheft und die meisten dieser Ideen habe ich dann später auch ausgeführt...)

Soweit ein erster Einblick in den Arbeitsprozess. Bei Interesse kann ich dies Alles gerne auch noch weiter ausführen...

#103:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 04.12.2003, 21:40
    —
Zitat:
Wie würdest du dich verhalten, wenn du sterben würdest und es würde sich herausstellen, dass die Christen doch Recht hatten?


- Illusionäre Korrelation würde Camus sagen...illusionäre Korrelation...

Lachen Lachen Lachen

#104:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 05.12.2003, 12:49
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Diese Überlegungen habe ich meist angestellt, wenn ich nicht zuhause am Computer war, sondern beispielsweise in einer Kneipe auf den nächsten Bus wartete.
Ich wartete mal in einer Kneipe auf den nächsten Zug, mit dem Resultat, dass ich erst am nächsten Tag zuhause ankam Verlegen

#105:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 05.12.2003, 13:29
    —
Spock hat folgendes geschrieben:
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Diese Überlegungen habe ich meist angestellt, wenn ich nicht zuhause am Computer war, sondern beispielsweise in einer Kneipe auf den nächsten Bus wartete.
Ich wartete mal in einer Kneipe auf den nächsten Zug, mit dem Resultat, dass ich erst am nächsten Tag zuhause ankam Verlegen


Tja, sowas ist mir hin und wieder auch passiert. Und wenn ich meinem "Stollberg Arbeitsheft" glauben darf (lustig, darin jetzt zu blättern, danke für die Anregung an Don Quixote!) war das mitunter recht produktiv. So habe ich in der Nacht vom 6. zum 7.12. 2000, zwischen 3.00 und 4.00 Uhr, eines der schwersten dramaturgischen Probleme des Buchs gelöst, nämlich die Darstellung Gottes. Vorher hatte ich keine Ahnung, was passieren soll, wenn die Rebellen auf den vermeintlichen Schöpfer stoßen... Nach dem xten Bier oder Rotwein in Stavros' Kneipe am Trierer Viehmarkt kam mir endlich die zündende Idee, die ich dann in Kapitel XLI ausgeführt habe...

P.S. Am nächsten Morgen musste ich um 9.00 ct eine Vorlesung an der Trierer Uni halten. Leider ist im Arbeitsheft nicht vermerkt, ob die besonders gelungen war... Ich selbst kann mich daran beim besten Willen nicht mehr erinnern... Lachen

#106:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 05.12.2003, 13:33
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
So habe ich in der Nacht vom 6. zum 7.12. 2000, zwischen 3.00 und 4.00 Uhr, eines der schwersten dramaturgischen Probleme des Buchs gelöst, nämlich die Darstellung Gottes. Vorher hatte ich keine Ahnung, was passieren soll, wenn die Rebellen auf den vermeintlichen Schöpfer stoßen... Nach dem xten Bier oder Rotwein in Stavros' Kneipe am Trierer Viehmarkt kam mir endlich die zündende Idee, die ich dann in Kapitel XLI ausgeführt habe...
Ich musste gerade schmunzeln, da ich daran denken musste, wie der "echte Gott" vielleicht entstanden sein könnte. Vielleicht entstand der Glaube an einen solchen ebenfalls im Rauschzustand...

Mein Kneipenabend war allerdings nicht so produktiv, aber ich hatte meinen Spaß Ich liebe es...

#107:  Autor: nocquae BeitragVerfasst am: 05.12.2003, 13:47
    —
Spock hat folgendes geschrieben:
aber ich hatte meinen Spaß Ich liebe es...
OT: Und das nennst du unproduktiv? Geschockt

#108:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 05.12.2003, 14:16
    —
NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Spock hat folgendes geschrieben:
aber ich hatte meinen Spaß Ich liebe es...
OT: Und das nennst du unproduktiv? Geschockt
Ich habe ja dabei nichts produziert - hoff ich doch Geschockt

#109:  Autor: FluseWohnort: Niedersachsen BeitragVerfasst am: 06.12.2003, 00:40
    —
Ich hätte mir gewünscht, das die Begegnung mit Gott etwas ausführlicher ausgegangen wäre. Es kam mir beim lesen vor, der Autor hatte kein Bock mehr zu schreiben?! zwinkern

#110:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 07.12.2003, 13:26
    —
Fluse hat folgendes geschrieben:
Ich hätte mir gewünscht, das die Begegnung mit Gott etwas ausführlicher ausgegangen wäre. Es kam mir beim lesen vor, der Autor hatte kein Bock mehr zu schreiben?! zwinkern


Hmmm, ich weiß nicht mehr so genau, ob ich keine Lust mehr hatte zu schreiben. Aber ich erinnere mich, dass ich doch einigermaßen zufrieden war, als ich endlich die letzten Worte zu Papier gebracht hatte... Möglicherweise habe ich den Abschluss in der Tat zu sehr herbei gesehnt...

Allerdings: Ich hatte mir schon recht früh vorgenommen, ein schnelles Finale zu schreiben. Und ab Kapitel 40 gibt es wirklich einen rasanten Showdown. (Man muss in diesem Zusammenhang auch bedenken, dass ich die Sinnauflösung in Anlehnung an Douglas Adams im 42. Kapitel stattfinden lassen wollte...)

Ich bin mir nicht sicher, ob das Finale nun zu rasant angelegt wurde oder nicht (einige Leser haben das so empfunden, andere wiederum nicht...)
Die Frage ist aber interessant, wie man die Konfrontation mit Gott anders hätte ausgestalten können (ohne an Fahrt zu verlieren).

Was würdet ihr denn eurem Ebenbild auf dem himmlischen Thron entgegnen? Was würde er erwidern? Wäre ein solcher Disput überhaupt interessant?
Ich bin mir da noch unschlüssig...

#111:  Autor: Werner BeitragVerfasst am: 10.12.2003, 21:39
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Was würdet ihr denn eurem Ebenbild auf dem himmlischen Thron entgegnen? Was würde er erwidern? Wäre ein solcher Disput überhaupt interessant?
Ich bin mir da noch unschlüssig...


Hallo,

leider habe ich, um es vorweg zu gestehen, das Buch (noch) nicht gelesen. Einen kleinen Einblick bot mir jedoch dieses Forum. Dennoch möchte ich eine kurze Anmerkung beitragen.

Wie? ist der Mensch nur ein Fehlgriff Gottes? Oder Gott nur ein Fehlgriff des Menschen? –
Nietzsches Formulierung in seiner "Götzendämmerung" entspringt meiner Ansicht nach einer sehr optimistischen Sichtweise. Eine von mir favorisierte, dritte Möglichkeit würde lauten: Gott nicht als "Fehlgriff", sondern als einen "Glücksgriff". Dies im Sinne Gottes als ein Werkzeug des Menschen.

Auch ist im Übrigen wohl eher davon auszugehen dass der Mensch vielmehr Gott nach seinem Ebenbild schuf als umgekehrt.

Und da ein Disput mit einem Werkzeug schwerlich produktiver Natur sein kann, wäre ein solcher bestenfalls als belanglos zu bezeichnen.

Bevor wir uns über (geschweige denn mit) "Gott" unterhalten können, gilt es diesen doch zunächst einmal zu definieren.
Wenn man hierzu die (doch recht eigennützigen) Definitionen der religiösen Organisationen ignoriert und per Abduktion von den Eigenschaften auf das "Ding" schließt (ein treffender Vergleich wäre in diesem Zusammenhang sicherlich "von den Symptomen auf die Krankheit"..), so bietet sich einem doch recht schnell ein sehr klares Bild von "Gott".

Nietzsche hat sich in der "Fröhlichen Wissenschaft" definitiv zu früh gefreut, als es Verkündete: "Gott ist tot!". Wenn doch eines in unserer ach so aufgeklärten "Wissensgesellschaft" klar wird (ich bevorzuge hier übrigens den Begriff "Informationsgesellschaft", da "Wissen" insbesondere im Kontext mit "Erkenntnis" <> "Information"), dann doch dass Dogmatismus in unserer Gesellschaft eine stetige zunahme erfährt. Keine Buchhandlung in der nicht die Esoterik für den Großteil des Umsatzes verantwortlich zeichnet. Eine Verbindung von Religion zur Esoterik ist mittels zweier englischsprachiger Zitate schnell hergestellt:

1.Magic is the art of influencing the cause of events by the intervention of spiritual forces or some other occult device.

2.Religious organizations have understood the power of magic; and therefore monopolized the interpretation of the supernatural to control the human mind.

Und exakt darum geht es: Esoterik instrumentalisiert Magie (im weitesten Sinne), die Kirchen instrumentalisieren "Gott". Dies wiederum macht sich die Politik zunutze: Keine Nation welche nicht stets "Gott" auf ihrer Seite wüsste, sei es nun durch "In god we trust", "Gott mit uns" oder auch "Allah' u akhbar". Im Mittelalter regierten die Kirchen, und Könige und Kaiser fungierten lediglich als exekutive. Heute könnte man zu dem durchaus begründbaren Schluss kommen, dass die Regierungen mit den Mitteln der Kirchen ihre Interessen etablieren.

Eine sehr gute Analyse hierzu bietet übrigens M.S. Salomons Text "Der brennende Dornbush". Allerdings betrifft diese Thematik (leider) nicht nur den US-amerikanischen "Extremfall" George W. Bush, welcher natürlich für solche Betrachtungen nur als "exemplarisch prädestiniert" bezeichnet werden kann, sondern auch bei einheimischen Politikern lohnt eine nähere Betrachtung durchaus. Hingewiesen sei hier nur auf die Äußerungen kirchlicher "Würdenträger" zum Themenbereich "Altersgrenze für medizinische Leistungen" etc. pp.

So ist "Gott" denn in der Tat das ultimative Werkzeug, wenn es um die (vermeintliche) Legitimation jedes hahnebüschenden Unfugs unter Ausschluss jeder Kritik geht. So wird Kant enteignet und purer Dogmatismus übernimmt die Regie.. .

Ich hoffe mit meinem kleinen Exkurs die Diskussion nicht allzusehr gestört zu haben. Auch die Kürze meiner Ausführungen bitte ich zu entschuldigen.. zwinkern

Gruß,
Werner Hupperich

www.gegenpropaganda.org

#112:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 13:20
    —
Werner schrieb:
Zitat:
So ist "Gott" denn in der Tat das ultimative Werkzeug, wenn es um die (vermeintliche) Legitimation jedes hahnebüschenden Unfugs unter Ausschluss jeder Kritik geht. So wird Kant enteignet und purer Dogmatismus übernimmt die Regie.. .


Kein Widerspruch! Genau darum geht es ja AUCH in dem Buch!

Ob die Erfindung Gottes aber deshalb ein "Glücksgriff" war?
Für bestimmte Individuen, die sich durch die Erfindung eines (ihnen angeblich wohlgesonnenen) "imaginären Alphamännchens" eine bessere Position in der menschlichen Säugetierhierarchie erobern konnten, mag das ja zutreffen. Für sie war Gott ein fantastisches Instrument, das den subjektiven "Willen zur Macht" zur Geltung bringen konnte.

Für die Gattung Homo sapiens als Ganzes war dieser individuelle Glücksgriff jedoch ein Fehlgriff, da hierdurch historisch entstandene Sinnkonstruktionen in einem überhistorischen Sinne dogmatisiert werden konnten.

Um noch einmal zum Roman zurückzukommen (den du natürlich unbedingt lesen musst Lachen ) :
Es bleibt die Frage, wie man den Disput der handelnden Personen mit ihrer "übernatürlichen" Projektion anders hätte ausgestalten können, als es im Roman geschehen ist.

Hat dazu jemand eine Idee?
Würde mich interessieren...

#113:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 14:00
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Es bleibt die Frage, wie man den Disput der handelnden Personen mit ihrer "übernatürlichen" Projektion anders hätte ausgestalten können, als es im Roman geschehen ist.

Hat dazu jemand eine Idee?
Würde mich interessieren...


Ich hätte Gott als multiple Persönlichkeit (drei Persönlichkeiten, um genau zu sein ... ach... zwinkern) gestaltet und ihn ein bisschen agieren lassen. Interessant wäre eine Debatte zwischen den Dreien gewesen: der Übervater, der Verlierersohn, der vergebens seinem Vater nacheifern will und ein etwas flatterhafter, wischiwaschi HeiGei. Mr. Green

#114:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 14:03
    —
Ich hätte einen Schauprozeß veranstaltet, einen wütenden Einmarsch in die Hölle, um die "Sünder" zu befreien und dann die Errichtung eines neuen Himmelreiches unter der Führung eines "Räterates der Sünder". zynisches Grinsen

Empfehlenswert:

Cradle of filth - Tearing the veil from grace Let's Rock

#115:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 16:11
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Ich hätte Gott als multiple Persönlichkeit (drei Persönlichkeiten, um genau zu sein ... ach... zwinkern) gestaltet und ihn ein bisschen agieren lassen. Interessant wäre eine Debatte zwischen den Dreien gewesen: der Übervater, der Verlierersohn, der vergebens seinem Vater nacheifern will und ein etwas flatterhafter, wischiwaschi HeiGei. Mr. Green
ich stell mir das so ein bisschen vor, wie die Diskussionen zwischen Smeagol und Gollum Lachen

#116:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 16:17
    —
Spock hat folgendes geschrieben:
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Ich hätte Gott als multiple Persönlichkeit (drei Persönlichkeiten, um genau zu sein ... ach... zwinkern) gestaltet und ihn ein bisschen agieren lassen. Interessant wäre eine Debatte zwischen den Dreien gewesen: der Übervater, der Verlierersohn, der vergebens seinem Vater nacheifern will und ein etwas flatterhafter, wischiwaschi HeiGei. Mr. Green
ich stell mir das so ein bisschen vor, wie die Diskussionen zwischen Smeagol und Gollum Lachen


Ja, und stell dir das mal zu dritt vor. Mr. Green

#117:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 16:18
    —
Wer sind Smeagul und Gollum?

#118:  Autor: Heike N.Wohnort: Bottrop BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 16:25
    —
Nav hat folgendes geschrieben:
Wer sind Smeagul und Gollum?


Wer HdR ablehnt, den bestraft das Leben. Mr. Green

#119:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 16:35
    —
Heike N. hat folgendes geschrieben:
Nav hat folgendes geschrieben:
Wer sind Smeagul und Gollum?


Wer HdR ablehnt, den bestraft das Leben. Mr. Green


Ich lehne es nicht ab, es ist mir nur zu akademisch - langatmig. zwinkern

#120:  Autor: Werner BeitragVerfasst am: 11.12.2003, 22:32
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Werner schrieb:
Zitat:
So ist "Gott" denn in der Tat das ultimative Werkzeug, wenn es um die (vermeintliche) Legitimation jedes hahnebüschenden Unfugs unter Ausschluss jeder Kritik geht. So wird Kant enteignet und purer Dogmatismus übernimmt die Regie.. .


Kein Widerspruch! Genau darum geht es ja AUCH in dem Buch!

Ob die Erfindung Gottes aber deshalb ein "Glücksgriff" war?
Für bestimmte Individuen, die sich durch die Erfindung eines (ihnen angeblich wohlgesonnenen) "imaginären Alphamännchens" eine bessere Position in der menschlichen Säugetierhierarchie erobern konnten, mag das ja zutreffen. Für sie war Gott ein fantastisches Instrument, das den subjektiven "Willen zur Macht" zur Geltung bringen konnte.

Für die Gattung Homo sapiens als Ganzes war dieser individuelle Glücksgriff jedoch ein Fehlgriff, da hierdurch historisch entstandene Sinnkonstruktionen in einem überhistorischen Sinne dogmatisiert werden konnten.


Hallo,

um mich nur kurz in die Diskussion einzuklinken (sobald ich die Zeit gefunden habe dein Buch zu lesen werde ich mich sehr gerne auch etwas konkreter an der Diskussion beteiligen.. Smilie ):

Du hast natürlich vollkommen recht. "Glücksgriff" in diesem Zusammenhang selbstverständlich nur aus der Perspektive jener die dieses "Werkzeug Gott" zu ihrem eigenen (persönlichen) Vorteil zu benutzen wissen.

Anders ausgedrückt: "Glücklich" ist jener welcher über ein Werkzeug verfügt, da er allen anderen (welche über ein solches nicht verfügen..) gegenüber natürlich klar im Vorteil ist. Dies gilt natürlich insbesondere im Falle des ultimativen Werkzeugs "Gott" zwinkern

Und nun will ich euch auch nicht weiter in eurer Diskussion stören.. .

Gruß,
Werner

PS.: Im Moment arbeite ich übrigens an einem recht umfangreichen Text mit dem Titel "Kritik der Kritiklosigkeit". Gewidmet habe ich dieses Projekt Neil Postman, welcher in diesem Jahr (bezeichnenderweise von breiter Öffentlichkeit unbemerkt..) verstarb. Es wird in diesem Text gehen ebenfalls um Dogmatismus, um (auch durch Kirche und Staat) legitimierte, nicht nur prä- ("Zarathustra-Projekt") sondern auch postnatale (Vom Bildungswesen bis zum "sozialverträglichen Frühableben" vermeintlich überflüssiger Menschen..) Selektion. (Vergl. hierzu auch die Thesen Prof. Gerhard Roth's, welcher die Bestimmung eines Menschen zu 100 % in dessen Genomen begründet sieht. Ob es jemand nun folglich in seinem Leben zu einem "guten Bürger" oder aber lediglich zu einem "Sozialschmarotzer" bringt, liegt folglich allein in dessen Genomen begründet.. )

Ich werde versuchen darzulegen zum einen den status quo unserer Gesellschaft, ferner die Parallelen der Methodik in der Durchsetzung von politischen Zielen im direkten Vergleich der Herrschaftsformen "Demokratie" und "Faschismus". Diese Parallelen sind existent und treten tatsächlich immer deutlicher hervor. Zum anderen werde ich einige Thesen präsentieren warum es ist wie es ist.

Um nun auf Postmans Rolle zurückzukommen:

Postmans These lautet, dass die Medien zunehmend nicht nur bestimmen, was wir kennen lernen und erleben, welche Erfahrungen wir sammeln, wie wir Wissen ausbilden, sondern auch, was and wie wir denken, was und wie wir empfinden, ja, was wir von uns selbst und voneinander halten sollen. Zum ersten Mal in der Geschichte gewöhnen die Menschen sich daran, statt der Welt ausschließlich Bilder von ihr ernst zu nehmen. An die Stelle der Erkenntnis- und Wahrnehmungsanstrengung tritt das Zerstreuungsgeschäft. Die Folge davon ist ein rapider Verfall der menschlichen Urteilskraft. In ihm steckt eine unmissverständliche Bedrohung: Er macht unmündig oder hält in der Unmündigkeit fest.

Hier werde ich Postmans These erweitern und darlegen dass es sich hierbei nicht etwa um einen z.B. autodynamischen Prozess handelt, sondern dass dieser durchaus beabsichtigt (und auch extern forciert) wird.

Man stelle sich hierzu nur die Frage, welche Möglichkeit z.B. George W. Bush erhalten hätte in dieser Art und Weise zu agieren wie es real der Fall ist, wenn seine "Untertanen" über eine gesunde, geschulte Urteilskraft verfügten.. zwinkern

Um die Essenz hier vorweg einmal zusammenzufassen:
"Kritik" gehört als Pflichtfach an jeder Schule unterrichtet ! -
und warum dies real nicht der Fall ist, dafür hat "man" durchaus seine Gründe...

Ich werde diesen Text voraussichtlich im Januar 2004 fertiggestellt haben, und würde diesen dann ggfs. sehr gerne auch in diesem Forum auszugsweise diskutieren. Wegen des mittlerweile doch recht beträchtlichen Umfangs von (bis jetzt!) 200 Seiten A4 leider eben nur auszugsweise, jedoch werde ich das vollständige Dokument natürlich zum Download bereitstellen.

#121:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 12.12.2003, 22:49
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Ob die Erfindung Gottes aber deshalb ein "Glücksgriff" war?


- Diese Aussage ist schwammig. Warum ist sie so schwammig ?
Weil das Wort Gott in einem sprachlichem Kontext von der
jeweiligen Definition abhängt. Was Gott "ist" könnte ich
für die jeweiligen Religionen inzwischen leicht
ausformulieren. Lachen

Aber das das Unfassbare unfassbar ist...das haben wír doch
gewußt. Lachen

Zitat:
Für bestimmte Individuen, die sich durch die Erfindung eines (ihnen angeblich wohlgesonnenen) "imaginären Alphamännchens" eine bessere Position in der menschlichen Säugetierhierarchie erobern konnten, mag das ja zutreffen.


- Wieder eine schwammige Formulierung.
Wovon ist jetzt (genau) die Rede ?

Zitat:
Für sie war Gott ein fantastisches Instrument, das den subjektiven "Willen zur Macht" zur Geltung bringen konnte.


- Gott und Nietzschianer haben ein ganz besonderes Verhältnis.
Lachen Solltest ihn mal lesen...dafür bedarf es aber einiger Vorkenntnisse.

Zitat:
Für die Gattung Homo sapiens als Ganzes war dieser individuelle Glücksgriff jedoch ein Fehlgriff, da hierdurch historisch entstandene Sinnkonstruktionen in einem überhistorischen Sinne dogmatisiert werden konnten.


- "Historisch entstandene Sinnkonstruktionen"...
Klingt konstruiert.

Zitat:
Um noch einmal zum Roman zurückzukommen (den du natürlich unbedingt lesen musst Lachen ) :
Es bleibt die Frage, wie man den Disput der handelnden Personen mit ihrer "übernatürlichen" Projektion anders hätte ausgestalten können, als es im Roman geschehen ist.

Hat dazu jemand eine Idee?
Würde mich interessieren...


- Jeder war nur der er sein mußte.

#122:  Autor: Werner BeitragVerfasst am: 13.12.2003, 00:22
    —
Hallo,

[..
"- Diese Aussage ist schwammig. Warum ist sie so schwammig ?
Weil das Wort Gott in einem sprachlichem Kontext von der
jeweiligen Definition abhängt. Was Gott "ist" könnte ich
für die jeweiligen Religionen inzwischen leicht
ausformulieren."
..]

Das ist verhältnismäßig einfach - und zwar in einem einzigen für alle Religionen gültigen Satz, ich versuch's einfach mal:

"Gott" ist ein vom Menschen geschaffenes Alibi für rational nicht oder nur schwer begründbare Handlungen oder Sachverhalte.

Einziger Zweck: "Gott" soll der Erkenntnis Grenzen setzen. Um es mit Begriffen der Optik auszudrücken: Wer Gott fokussiert (ihn somit zur Basis seiner Erkenntnisse macht) sieht zwangsläufig alles andere unscharf.. . Smilie

[..
"- Gott und Nietzschianer haben ein ganz besonderes Verhältnis.
Lachen Solltest ihn mal lesen...dafür bedarf es aber einiger Vorkenntnisse."
..]
Naja, das hast du jetzt allerdings auch ziemlich "schwammig" formuliert. Wen gilt es denn zu lesen? Gott oder Nietzsche? skeptisch

Den Begriff "Nietzscheaner" sollte man übrigens vermeiden bzw. ihn zumindest mit Bedacht verwenden. Bei deiner Bemerkung bezüglich der Notwendigkeit "einiger Vorkenntnisse" stimme ich dir allerdings zu. Wer sich ernsthaft mit N. befassen möchte, sollte sich auch und zunächst mit dessen Leben befassen. Dass heisst, es ist ein jeder zum scheitern verurteilt, der sich nicht mit der Person, deren Werdegang und sich somit auch (und besonders) mit der Psyche N's auseinandersetzt.

Problematisch ist bei Nietzsche insbesondere, dass dieser uns außer seinem "Zarathustra" leider überwiegend Fragmente und keine in sich abgeschlossene Werke hinterlassen hat, und dass ihm auch (im Gegensatz z.B. zu Hegel) eine recht emotionale Ausdrucksweise zu eigen war. Das führt leider nur zu oft dazu, dass Nietzsche von vielen selbsternannten "Experten" viel mehr nach belieben interpretiert statt analysiert wird. So kann man N. auch sehr leicht Ideologien unterstellen, welche dieser niemals verfolgte. Eine verhältnismäßig objektive Auseinandersetzung mit Nietzsche bietet übrigens u.a. Johann Prossliner auf seinen Seiten (www.nietzsche.de).

[..
- "Historisch entstandene Sinnkonstruktionen"...
Klingt konstruiert.
..]

Konstruktionen klingen eben allesamt irgendwie konstruiert.. Smilie

Aber mal (etwas) ernsthaft(er):

Warum? Präziser kann man es schwerlich formulieren. Alles hat zwangsläufig Grund und auch einen Ursprung so wie i.d.R. eine Zeit der Entstehung.

"Historische Sinnkonstruktionen"
Prädikat = "Historisch"
Objekt = "Sinnkonstruktionen"

"Grüner Apfel"
Prädikat = "Grün"
Objekt = "Apfel"

Wo siehst du da ein Konstrukt ? Smilie

[..
"- Jeder war nur der er sein mußte.
..]

In welchem Sinne? Wegen einer Art (genetischer) Vorsehung womöglich? Weil es der Autor so bestimmt hat? Oder weil er aus anderen ("Sachzwängen") sein mußte was er letztlich war?

Gruß,
Werner

#123:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 13.12.2003, 11:22
    —
Morgen,

Werner hat folgendes geschrieben:
Hallo,

[..
"- Diese Aussage ist schwammig. Warum ist sie so schwammig ?
Weil das Wort Gott in einem sprachlichem Kontext von der
jeweiligen Definition abhängt. Was Gott "ist" könnte ich
für die jeweiligen Religionen inzwischen leicht
ausformulieren."
..]

Das ist verhältnismäßig einfach - und zwar in einem einzigen für alle Religionen gültigen Satz, ich versuch's einfach mal:

"Gott" ist ein vom Menschen geschaffenes Alibi für rational nicht oder nur schwer begründbare Handlungen oder Sachverhalte.


- Schlicht nein.
Ich sprach von den jeweiligen Aussagen der Religionen.
Du sprichst von Deiner eigenen Vorstellung, bzw. Haltung.
In dem Sinne ist es also voreingenommen.

Das sich die Ausformulierungen der Religionen
entsprechend unterscheiden(obwohl es viele Parallelen gibt),
hängt natürlich auch mit kulturellen Unterschieden und
gewachsenen Erfahrungswerten, usw. ab.

Du wärst z.B. vermutlich über so manche
christl. theologische Auslegung überrascht.
(So wie selbst die meisten Otto-normal-Christen)
Vor allem deshalb, weil sie nicht dem gängigen
Klischee entsprechen.

Zitat:
Einziger Zweck: "Gott" soll der Erkenntnis Grenzen setzen.


- Die Sache mit dem "Baum der Erkenntnis" hatten wir bereits. Lachen
Diese Metapher würde aber zu weit führen.

Zitat:
Um es mit Begriffen der Optik auszudrücken: Wer Gott fokussiert (ihn somit zur Basis seiner Erkenntnisse macht) sieht zwangsläufig alles andere unscharf.. . Smilie


- Das Problem liegt in der Vorstellung...

Zitat:
[..
"- Gott und Nietzschianer haben ein ganz besonderes Verhältnis.
Lachen Solltest ihn mal lesen...dafür bedarf es aber einiger Vorkenntnisse."
..]
Naja, das hast du jetzt allerdings auch ziemlich "schwammig" formuliert. Wen gilt es denn zu lesen? Gott oder Nietzsche? skeptisch


- Wo ist der Unterschied ? Lachen
(Er war kein Anhänger des Dualismus)

Zitat:
Den Begriff "Nietzscheaner" sollte man übrigens vermeiden bzw. ihn zumindest mit Bedacht verwenden.


- Ein Nietzschianer würde Dir vielleicht zustimmen. Lachen

Zitat:
Bei deiner Bemerkung bezüglich der Notwendigkeit "einiger Vorkenntnisse" stimme ich dir allerdings zu. Wer sich ernsthaft mit N. befassen möchte, sollte sich auch und zunächst mit dessen Leben befassen.


zwinkern

Zitat:
Dass heisst, es ist ein jeder zum scheitern verurteilt, der sich nicht mit der Person, deren Werdegang und sich somit auch (und besonders) mit der Psyche N's auseinandersetzt.


- Schopenhauers Philosophie müsste man mindestens kennen.

Zitat:
Problematisch ist bei Nietzsche insbesondere, dass dieser uns außer seinem "Zarathustra" leider überwiegend Fragmente und keine in sich abgeschlossene Werke hinterlassen hat,


- Wie ?

http://gutenberg.spiegel.de/autoren/nietzsch.htm

Zitat:
und dass ihm auch (im Gegensatz z.B. zu Hegel) eine recht emotionale Ausdrucksweise zu eigen war.


- So kann man es nennen. Aber es hatte seinen Grund.
Er war nicht gerade ein Freund der Sokratiker. zwinkern

Zitat:
Das führt leider nur zu oft dazu, dass Nietzsche von vielen selbsternannten "Experten" viel mehr nach belieben interpretiert statt analysiert wird.


- Es gibt keine Tatsachen nur Interpretationen. Lachen
(N.)

Zitat:
So kann man N. auch sehr leicht Ideologien unterstellen, welche dieser niemals verfolgte.


- Seine Philo. wurde mißbraucht.
(Allerdings muß er sich das mit anrechnen lassen)

Zitat:
Eine verhältnismäßig objektive Auseinandersetzung mit Nietzsche bietet übrigens u.a. Johann Prossliner auf seinen Seiten (www.nietzsche.de).


- Die Gegner sollte man auch kennen.


Zitat:
[..
- "Historisch entstandene Sinnkonstruktionen"...
Klingt konstruiert.
..]

Konstruktionen klingen eben allesamt irgendwie konstruiert.. Smilie


- Sofern man an "Teile"(Dinge) glaubt. Lachen

Zitat:
Aber mal (etwas) ernsthaft(er):

Warum? Präziser kann man es schwerlich formulieren. Alles hat zwangsläufig Grund und auch einen Ursprung so wie i.d.R. eine Zeit der Entstehung.


- Nichts.

Zitat:
"Historische Sinnkonstruktionen"
Prädikat = "Historisch"
Objekt = "Sinnkonstruktionen"


- Illusion. (Wortspiel) Lachen

Zitat:
"Grüner Apfel"
Prädikat = "Grün"
Objekt = "Apfel"

Wo siehst du da ein Konstrukt ? Smilie


- Ich sehe weder ein "Grün" noch einen "Apfel".
Tatsächlich hat man aber eine Vorstellung davon.
(suggestiv) Selbst wenn da ein wirklicher grüner
Apfel vor mir wäre, ist er nicht "zweimal" vorhanden.
(Zudem der Gesamteindruck erst im sog. Gehirn
zusammengesetzt wird). Es ist einfach nur "praktisch"
davon auszugehen, dass da das ist, was ich vermute.
(Selbst wenn da nur unpersönliche Atome wirbeln,
die ebenfalls nur meine Vorstellung sind) Der Irrtum
ist gewissermaßen lebensnotwendig.

Zitat:
[..
"- Jeder war nur der er sein mußte.
..]

In welchem Sinne?


- In jedem Sinne.

Zitat:
Wegen einer Art (genetischer) Vorsehung womöglich?


- Das Wort Zeit ist ein sehr phil. Thema.
Jedes Wort ist ein Vorurteil.

Zitat:
Weil es der Autor so bestimmt hat?


- Welche Bestimmung kommt dabei raus,
wenn jeder nur der war, der er sein mußte ? Lachen

Zitat:
Oder weil er aus anderen ("Sachzwängen") sein mußte was er letztlich war?

Gruß,
Werner


- Gezwungen von wem ? zwinkern

#124:  Autor: Werner BeitragVerfasst am: 13.12.2003, 23:50
    —
Hallo,

Zitat:
- Schlicht nein.
Ich sprach von den jeweiligen Aussagen der Religionen.
Du sprichst von Deiner eigenen Vorstellung, bzw. Haltung.
In dem Sinne ist es also voreingenommen.

Das sich die Ausformulierungen der Religionen
entsprechend unterscheiden(obwohl es viele Parallelen gibt),
hängt natürlich auch mit kulturellen Unterschieden und
gewachsenen Erfahrungswerten, usw. ab.

Du wärst z.B. vermutlich über so manche
christl. theologische Auslegung überrascht.
(So wie selbst die meisten Otto-normal-Christen)
Vor allem deshalb, weil sie nicht dem gängigen
Klischee entsprechen.


Da muss ich mich entschuldigen. Hier habe ich dich schlicht missverstanden. Es liegt insbesondere in Online-Foren eben nicht immer an "schwammigen Ausdrucksweisen", sondern oftmals schlicht an "verkürzten Ausdruckweisen".. Smilie

Zitat:
- Das Problem liegt in der Vorstellung...


Um auch einen Teil deiner weiteren Kommentare gleich mit zu beantworten bzw diese vorwegzunehmen: Jedes Problem liegt schlicht immer an bzw. in der Vorstellung (des Subjekts).

[..
..]

Zitat:
- Wo ist der Unterschied ?
(Er war kein Anhänger des Dualismus)


Hier spielst du den Nietzscheanern in die Hand, indem du deren Interpretation Nietzsches postulierst.
Ich habe mich über viele Jahre mit N. befasst. Um meine Befunde bezüglich dessen "Hinterlassenschaften" sehr verkürzt zusammenzufassen (auch wenn mancher Nietzscheaner dafür auf mich einprügelt..): N. hätte das Zeug zu einem hervorragenden Aphoristiker gehabt. Leider hat er es jedoch "nur" zu einem verhältnismäßig guten Philosophen gebracht. Seine Schriften zeigen (wie bereits angedeutet) stets einen ausgeprägt emotionalen Stil. Diesen findest du zwar auch bei Schopenhauer, jedoch hat Arthur durchaus seinen (wenn auch mitunter recht schwarzen) Humor bewahrt. Nietzsche jedoch wirkt oftmals teils verbittert, teils depressiv, teils euphorisch. Bezeichnen würde ich Nietzsche als einen Visionär, der sich mit dem zwangsläufigen scheitern seiner Visionen in seinem innersten zwar abgefunden hat, jedoch in der Rolle eines Missionars (in so fern ist deine Andeutung bezüglich dessen Einstellung zum Dualismus durchaus berechtigt..) diese dennoch zu postulieren versuchte. Den gleichen Imperativ wie ihn "Gott" für sich in Anspruch nimmt, würde ich ihm jedoch keinesfalls unterstellen. Smilie


Zitat:
- Schopenhauers Philosophie müsste man mindestens kennen.


Ich kenne sie. Beginnend mit der "Vierfachen Wurzel des Satzes vom zureichen Grunde" über "Die Welt als Wille und Vorstellung" bis den "Aphorismen zur Lebensweisheit" (Welche ich als Pflichtlektüre wirklich jedem empfehlen würde..) zwinkern

Zitat:
- Wie ?

http://gutenberg.spiegel.de/autoren/nietzsch.htm


Es wurde aus seinem Nachlass vieles ziemlich willkürlich "zusammengepuzzelt" und als eigenständige Werke veröffentlicht. Eine nicht geringe Schuld daran trägt N's Witwe.. . Es würde aber zu weit führen, hier ins Detail zu gehen.

[..
..]

Zitat:
- Es gibt keine Tatsachen nur Interpretationen.
(N.)


Stimmt.. womit wir bei meinem Lieblingsthema wären: Ich habe mich über lange Zeit interdisziplinär (Von der Phil. über die Hirnforschung bis zur Kybernetik..) mit exakt dieser Aussage auseinandergesetzt.

Vorweg: Sie stimmt unzweifelhaft. Alles was wir von unserer Welt wahrnehmen ist letztlich nichts anderes als eine Reihe elektroschemischer Impulse die unser Gehirn stimulieren, und von welchen wir keine absolute Gewissheit über deren Richtigkeit (Fehlerfreiheit) haben können. Konsequent zuende gedacht bedeutet dies, dass ich keine absolute Gewissheit haben kann, in diesem Moment vor dem Rechner zu sitzen und deinen Beitrag zu beantworten.. zwinkern

Auch dass von dem Begriff "Wahrheit" unendlich viele verschiedene Definitionen und vier (!) wissenschaftliche Theorien existieren, spricht für die Richtigkeit obiger Aussage.

Was als "Wahr" angenommen wird, liegt letztlich allein beim (mehr oder weniger..) erkennenden Subjekt und an den Kriterien welches dieses an den Begriff "Wahrheit" knüpft.

Je höher die Ansprüche an diese Kriterien, desto Wahrscheinlicher wird Wahrheit (nettes Wortspiel..). Eine absolute Wahrheit kann es aus o.a. Gründen nicht geben. Nur hinreichend starke Kriterien (Argumente) welche auf Wahrscheinlichkeit deuten.
[..
..]
Zitat:
- Die Gegner sollte man auch kennen.


Die Gegner (ich kenne auch deren Argumente) bereiten mir wenig Sorge. Sorge bereiten mir viel mehr jene, die sich Nietzsche für ihre eigenen Ziele "zurechtbiegen".

Paradebeispiel ist m.E. hierfür Sloterdijk. An Gefährlichkeit duchaus mit einem deutschen Propagandaminister zu vergleichen, welcher vor rund 60 Jahren sein Unwesen trieb.. .
[..
..]
Zitat:
- Ich sehe weder ein "Grün" noch einen "Apfel".
Tatsächlich hat man aber eine Vorstellung davon.
(suggestiv) Selbst wenn da ein wirklicher grüner
Apfel vor mir wäre, ist er nicht "zweimal" vorhanden.
(Zudem der Gesamteindruck erst im sog. Gehirn
zusammengesetzt wird). Es ist einfach nur "praktisch"
davon auszugehen, dass da das ist, was ich vermute.
(Selbst wenn da nur unpersönliche Atome wirbeln,
die ebenfalls nur meine Vorstellung sind) Der Irrtum
ist gewissermaßen lebensnotwendig.


Hier wäre möglicherweise Rupert Sheldrake (www.sheldrake.org) für dich von Interesse. Schau' dir hierzu mal dessen Ausführungen zum Experimentator-Erwartungseffekt an. (Psychologen kennen dieses Phänomen übrigens als "Pygmalion-Effekt").

Gruß,
Werner

#125:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 14.12.2003, 00:52
    —
Werner hat folgendes geschrieben:
Hallo,

Zitat:
"..."
Du wärst z.B. vermutlich über so manche
christl. theologische Auslegung überrascht.
(So wie selbst die meisten Otto-normal-Christen)
Vor allem deshalb, weil sie nicht dem gängigen
Klischee entsprechen.


Da muss ich mich entschuldigen.


- "Mußt" Du nicht. Ich betrachte vieles äußerst unpersönlich.
(Was andere manchmal beleidigend empfinden)
Mir geht es mehr um Inhalte. Gegen Kritik habe
ich daher z.B. nichts einzuwenden.
(Das ist das wovor sich viel geradezu fürchten)
Mir geht es z.B. auch nicht um "Streit", eher um
Streitkultur, bzw. Austausch von
Argumenten - Diskussion.

Zitat:
Hier habe ich dich schlicht missverstanden. Es liegt insbesondere in Online-Foren eben nicht immer an "schwammigen Ausdrucksweisen", sondern oftmals schlicht an "verkürzten Ausdruckweisen".. Smilie


- Du solltest meine anderen Beiträge erstmal lesen.
Ein Fingerzeig auf den Mond ist nicht der Mond.
Hinschauen muß schon jeder selbst. zwinkern
Sprache ist so gut wie immer nur ein Hinweis.

Zitat:
Zitat:
- Das Problem liegt in der Vorstellung...


Um auch einen Teil deiner weiteren Kommentare gleich mit zu beantworten bzw diese vorwegzunehmen: Jedes Problem liegt schlicht immer an bzw. in der Vorstellung (des Subjekts).


- Gut das Du das Subjekt in Klammern schreibst. Lachen


Zitat:
[..
..]

Zitat:
- Wo ist der Unterschied ?
(Er war kein Anhänger des Dualismus)


Hier spielst du den Nietzscheanern in die Hand, indem du deren Interpretation Nietzsches postulierst.


- Da liegst Du falsch Schopenhauer war auch kein Anhänger des Dualismus. Zudem muß man es recht verstehen. Nietzsche
war der Verkündiger des Todes Gottes. Was bei ihm nicht
bedeutet, dass Gott nicht existiert. Das Lebende ist nur
eine andere Art des Toten(aber eine sehr seltene). Lachen
"Leib bin ich ganz und gar und nichts ausserdem..."

Zitat:
Ich habe mich über viele Jahre mit N. befasst.


- Ich auch. zwinkern

Zitat:
Um meine Befunde bezüglich dessen "Hinterlassenschaften" sehr verkürzt zusammenzufassen (auch wenn mancher Nietzscheaner dafür auf mich einprügelt..): N. hätte das Zeug zu einem hervorragenden Aphoristiker gehabt.


- Er war es.

Zitat:
Leider hat er es jedoch "nur" zu einem verhältnismäßig guten Philosophen gebracht.


- Da kann man geteilter Auffassung sein.
Da scheiden sich die Geister was nicht anders zu erwarten war.
Ich halte Nietzsche für hoffnungslos eklektisch.

Zitat:
Seine Schriften zeigen (wie bereits angedeutet) stets einen ausgeprägt emotionalen Stil.


- Daraus mache ich ihm keinen Vorwurf.
Schopi(Neobuddhismus) und Nietzsche
waren nicht umsonst Irrationalisten.

Zitat:
Diesen findest du zwar auch bei Schopenhauer, jedoch hat Arthur durchaus seinen (wenn auch mitunter recht schwarzen) Humor bewahrt.


- Er hat sich im Leben weniger an seine eigene phil. Lehre gehalten.
Shit happens.

Zitat:
Nietzsche jedoch wirkt oftmals teils verbittert, teils depressiv, teils euphorisch.


- Eben leidenschaftlich. zwinkern

Zitat:
Bezeichnen würde ich Nietzsche als einen Visionär, der sich mit dem zwangsläufigen scheitern seiner Visionen in seinem innersten zwar abgefunden hat, jedoch in der Rolle eines Missionars (in so fern ist deine Andeutung bezüglich dessen Einstellung zum Dualismus durchaus berechtigt..)


- Er spielt mir manchmal auch zu sehr den Apostel.
Allerdings hat er sich ja insbesondere den Kreuzzug
gegen das Christentum auf die Fahne geschrieben.
Sein Anspruch liegt mir nicht. Zudem war er
völlig fixiert auf das Wort "Moral".

Zitat:
diese dennoch zu postulieren versuchte. Den gleichen Imperativ wie ihn "Gott" für sich in Anspruch nimmt, würde ich ihm jedoch keinesfalls unterstellen. Smilie


- Der ja bekanntlich tod ist... Lachen
Wo ist der "Imperativ" denn begraben ?
(Nicht Nietzsche)

[quote]
Zitat:
Zitat:
- Schopenhauers Philosophie müsste man mindestens kennen.


Ich kenne sie. Beginnend mit der "Vierfachen Wurzel des Satzes vom zureichen Grunde" über "Die Welt als Wille und Vorstellung" bis den "Aphorismen zur Lebensweisheit" (Welche ich als Pflichtlektüre wirklich jedem empfehlen würde..) zwinkern


- Schätze die indische Philo., bzw. die Quellen derer sich
Schopenhauer bedient hat, kennst Du nicht direkt...

Zitat:
Zitat:
- Wie ?

http://gutenberg.spiegel.de/autoren/nietzsch.htm


Es wurde aus seinem Nachlass vieles ziemlich willkürlich "zusammengepuzzelt" und als eigenständige Werke veröffentlicht.


- Stimmt.

Zitat:
Eine nicht geringe Schuld daran trägt N's Witwe.. . Es würde aber zu weit führen, hier ins Detail zu gehen.


- Ist mir bekannt.

Zitat:
[..
..]

Zitat:
- Es gibt keine Tatsachen nur Interpretationen.
(N.)


Stimmt..


- Reingefallen. Lachen

Der Satz ist in sich paradox. Lachen


Zitat:
womit wir bei meinem Lieblingsthema wären: Ich habe mich über lange Zeit interdisziplinär (Von der Phil. über die Hirnforschung bis zur Kybernetik..) mit exakt dieser Aussage auseinandergesetzt.


- Das habe ich auch. Allerdings nicht Kypernetik...

Zitat:
Vorweg: Sie stimmt unzweifelhaft. Alles was wir von unserer Welt wahrnehmen ist letztlich nichts anderes als eine Reihe elektroschemischer Impulse die unser Gehirn stimulieren, und von welchen wir keine absolute Gewissheit über deren Richtigkeit (Fehlerfreiheit) haben können.


- Ausgehend von einem materialistischem Weltbild.

Zitat:
Konsequent zuende gedacht bedeutet dies, dass ich keine absolute Gewissheit haben kann, in diesem Moment vor dem Rechner zu sitzen und deinen Beitrag zu beantworten.. zwinkern


- Konsequent zuende gedacht bedeutet dies, absolute Gewissheit.
Cool

Kommt ganz darauf an, ob man sich "selbst"
mit dem persönlichem Ich verwechselt.

[quote]
Zitat:
Auch dass von dem Begriff "Wahrheit" unendlich viele verschiedene Definitionen und vier (!) wissenschaftliche Theorien existieren, spricht für die Richtigkeit obiger Aussage.


- Wahrheit und Täuschung sind dualistische Vorstellungen ohne Wirklichkeit.

Zitat:
Was als "Wahr" angenommen wird, liegt letztlich allein beim (mehr oder weniger..) erkennenden Subjekt und an den Kriterien welches dieses an den Begriff "Wahrheit" knüpft.


- Sofern man davon ausgeht, dass Wahrheit unteilbar ist...
Es gibt da massenhaft unterschiedliche Sprachebenen;
Bewußtseinszustände. Ich würde aber keine Zustände erstreben(wollen).

Zitat:
Je höher die Ansprüche an diese Kriterien, desto Wahrscheinlicher wird Wahrheit (nettes Wortspiel..).


- Klingt quantenphysikalisch.
Da gibts dann auch nur noch Wahrscheinlichekeiten.

Zitat:
Eine absolute Wahrheit kann es aus o.a. Gründen nicht geben.


- Empfehle die Dialektik á la Hegel.
Allerdings hat Schopenhauer damit aufgeräumt.
(Alle Vielheit sei Illusion) Trotzdem kann man
Hegels Sprachspiel etwas abgewinnen.
Es ist in sich zumindest "logisch".
(Auch wenn es Quatsch ist...die Begriffe
sich gegenseitig gegeneinander aufheben)

Zitat:
Nur hinreichend starke Kriterien (Argumente) welche auf Wahrscheinlichkeit deuten.


- Wie wahrscheinlich ist wahrscheinlich...

Zitat:
[..
..]
Zitat:
- Die Gegner sollte man auch kennen.


Die Gegner (ich kenne auch deren Argumente) bereiten mir wenig Sorge. Sorge bereiten mir viel mehr jene, die sich Nietzsche für ihre eigenen Ziele "zurechtbiegen".


- Heidegger betrachtet Nietzsche somit auch erst als den Höhepunkt des Nihilismus, weil der Wille zur Macht geradezu die metaphysischen Strukturen hervorbringt(die Nietzsche eigentlich nicht wollte).

Zitat:
Paradebeispiel ist m.E. hierfür Sloterdijk. An Gefährlichkeit duchaus mit einem deutschen Propagandaminister zu vergleichen, welcher vor rund 60 Jahren sein Unwesen trieb.. .


- Dafür kenne ich den zu wenig.

Zitat:
[..
..]
Zitat:
- Ich sehe weder ein "Grün" noch einen "Apfel".
Tatsächlich hat man aber eine Vorstellung davon.
(suggestiv) Selbst wenn da ein wirklicher grüner
Apfel vor mir wäre, ist er nicht "zweimal" vorhanden.
(Zudem der Gesamteindruck erst im sog. Gehirn
zusammengesetzt wird). Es ist einfach nur "praktisch"
davon auszugehen, dass da das ist, was ich vermute.
(Selbst wenn da nur unpersönliche Atome wirbeln,
die ebenfalls nur meine Vorstellung sind) Der Irrtum
ist gewissermaßen lebensnotwendig.


Hier wäre möglicherweise Rupert Sheldrake (www.sheldrake.org) für dich von Interesse. Schau' dir hierzu mal dessen Ausführungen zum Experimentator-Erwartungseffekt an. (Psychologen kennen dieses Phänomen übrigens als "Pygmalion-Effekt").

Gruß,
Werner


- Dachte eher an Ernst Mach. zwinkern

Gruß
Schmerzlos

#126:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 14.12.2003, 17:11
    —
Die letzten Einträge waren ja etwas off-topic.

Deshalb dazu nur kurz: Die kritisierte Gottesvorstellung (Stichwort: "imaginäres Alphamännchen") war nur auf die personale Gottesvorstellung bezogen, nicht auf beispielsweise den pantheistischen oder monistischen Gottesbegriff, wie wir ihn bei Einstein oder Spinoza antreffen. Ich denke, über die unterschiedlichen Gottesbegriffe (und deren Konsequenzen) müsste man in einem seperaten Thread diskutieren...

Zurück zur Ausgangsfrage, wie man die Gottesszene anders hätte gestalten können:

Heike N. schrieb:
Zitat:
Ich hätte Gott als multiple Persönlichkeit (drei Persönlichkeiten, um genau zu sein ... ach... Winken) gestaltet und ihn ein bisschen agieren lassen. Interessant wäre eine Debatte zwischen den Dreien gewesen: der Übervater, der Verlierersohn, der vergebens seinem Vater nacheifern will und ein etwas flatterhafter, wischiwaschi HeiGei. Mr. Green


Sowas Ähnliches schwebte auch mir ursprünglich vor. Aber darüber wäre die Idee der projizierten Gottesgestalt verloren gegangen. Und diese Idee fand ich philosophisch und dramaturgisch interessanter. (Außerdem hat sie den Vorteil, dass sie nicht allein auf das Christentum bezogen ist....)

Nav schlug vor:
Zitat:
Ich hätte einen Schauprozeß veranstaltet, einen wütenden Einmarsch in die Hölle, um die "Sünder" zu befreien und dann die Errichtung eines neuen Himmelreiches unter der Führung eines "Räterates der Sünder".


Auch nicht schlecht! Lachen

Ganz am Anfang hatte ich eine ähnliche Idee. Aber im Laufe des Schreibens wurde mir klar, dass der Roman im Kern nicht nur religionskritisch ist, sondern, dass er ein viel tiefer liegendes Problem anspricht, nämlich die Konfrontation mit dem ABSURDEN. Stollberg kämpft ja nicht nur gegen die Religion an, die einen Sinn zu versprechen vorgab, er muss sich auch mit der Frage herumschlagen, was denn der Sinn des Lebens in einem an sich sinnfreien Kosmos sein könnte.

Ein Einmarsch in die Hölle inclusive der Machtübernahme eines postmortalem Revolutionskommitee hätte von dieser Thematik zu sehr abgelenkt. Deshalb stirbt Stollberg in dem Moment, in dem er "Gott" und damit seinen eigenen Projektionen gegenübertritt. Er konnte das Absurde nicht überwinden, aber immerhin: er konnte es entzaubern, verstehen, sich ihm stellen - und eine zeitlang sogar den Genuss der Revolte erleben...

#127:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 14.12.2003, 20:03
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Stollberg kämpft ja nicht nur gegen die Religion an, die einen Sinn zu versprechen vorgab, er muss sich auch mit der Frage herumschlagen, was denn der Sinn des Lebens in einem an sich sinnfreien Kosmos sein könnte.

Ein Einmarsch in die Hölle inclusive der Machtübernahme eines postmortalem Revolutionskommitee hätte von dieser Thematik zu sehr abgelenkt. Deshalb stirbt Stollberg in dem Moment, in dem er "Gott" und damit seinen eigenen Projektionen gegenübertritt. Er konnte das Absurde nicht überwinden, aber immerhin: er konnte es entzaubern, verstehen, sich ihm stellen - und eine zeitlang sogar den Genuss der Revolte erleben...


Wie wäre es mit der "vollkommenen" Absurdität ?
So ein bisschen Absurdität ist doch eigentlich nicht genug. Lachen

(Mal abgesehen davon, dass vollkommene Absurdität ein 'Widerspruch' in sich ist)

Stollberg stellt fest, dass er ja ohnehin die ganze Zeit wo er sich am Leben wähnte(von Wahn) sowieso starb(das ist ja ein Prozess) - er erkennt statt der Dialektik(Geschichtlichkeit) - die Gleichzeitigkeit. Lachen

#128:  Autor: Don Quixote BeitragVerfasst am: 16.12.2003, 11:27
    —
M.S.Salomon schrieb:

"Ein Einmarsch in die Hölle inclusive der Machtübernahme eines postmortalem Revolutionskommitee hätte von dieser Thematik zu sehr abgelenkt. Deshalb stirbt Stollberg in dem Moment, in dem er "Gott" und damit seinen eigenen Projektionen gegenübertritt. Er konnte das Absurde nicht überwinden, aber immerhin: er konnte es entzaubern, verstehen, sich ihm stellen - und eine zeitlang sogar den Genuss der Revolte erleben..."

Dem stimme ich zu. Die Idee, dass Stollberg & Co. in dem Tempel Gottes ihrem eigenen Spiegelbild begegnen, ist grandios. Vor allem natürlich die Reaktion Nietzsches, der ohnehin wusste, dass er Gott ist... Eine tolle Pointe!!
Die Frage ist aber, ob man diese Szene nicht hätte etwas ausmalen können. Das geht alles irgendwie sehr schnell! Gott wird erblickt, Gott wird geköpft, die Höllen-Inszenierung bricht zusammen, Stollberg ist tot...
Das ist natürlich rasant. Es bleibt beim Lesen kaum Zeit zum Atemholen...
Ist es ZU rasant? Vielleicht habe ich den Eindruck, dass die letzten Kapitel ein wenig zu kurz geraten sind, ja nur deshalb, weil ich es so schade fand, dass der Roman zuende war. Ich hätte gerne noch mehr von Jan Stollberg erfahren! Wie wäre es denn mit einem Nachfolgeroman, in dem es nicht um den Tod, sondern um das Leben von Jan Stollberg geht?

#129:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 19.12.2003, 09:28
    —
Don Quixote hat folgendes geschrieben:
Ich hätte gerne noch mehr von Jan Stollberg erfahren! Wie wäre es denn mit einem Nachfolgeroman, in dem es nicht um den Tod, sondern um das Leben von Jan Stollberg geht?


Daran habe ich auch schon gedacht... Dieser Roman würde nicht mit "Das war's also!" beginnen, sondern mit "Pressen! Pressen!" oder so ähnlich...
Wenn Stollberg im Jahr 2000 mit 56 gestorben wäre, dann läge seine Geburt im Jahr 1944 - also in der Endphase des zweiten Weltkriegs, seine Kinder-und Jugendjahre hätte er in der Zeit des sog. Wirtschaftswunders verbracht , 68 wäre 24 Jahre gewesen. Da ließe sich schon einiges machen... Allerdings befürchte ich, dass die Nachfrage für einen solchen Roman nicht besonders hoch wäre. Dafür müsste sich "Stollbergs Inferno" doch noch etwas besser verkaufen...

#130:  Autor: Werner BeitragVerfasst am: 19.12.2003, 21:22
    —
Zitat:
... Allerdings befürchte ich, dass die Nachfrage für einen solchen Roman nicht besonders hoch wäre. Dafür müsste sich "Stollbergs Inferno" doch noch etwas besser verkaufen...


Hallo,

das ist m.E. eines der Hauptsymptome der Krankheit Kapitalismus - Wenn sich eine Produktion nicht lohnt, so findet diese einfach nicht statt. Nur: Was sagt dies real über den Wert eines Werkes aus?

Wäre das kommerzielle Potential diesbezüglich ein Kriterium, so wäre Dieter Bohlen zwangsläufig Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis 2004.. . skeptisch

Ich bin der Auffassung dass, wer seinen Mitmenschen etwas mitzuteilen hat (oder zu haben glaubt..), dies auch in jedem Fall tun sollte. (Dass manche Verlage von Autoren mittlerweile "Vorkasse" verlangen ist mir bekannt, aber es gibt andere Wege, wie z.B. über das Web in Form von "ebooks" etc.).

Dass das Kapital Gedanken enteignet darf einfach nicht sein. Dies gilt es meiner Auffassung nach in unserer primär zu bekämpfen!.

Gruß,
Werner

#131:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 22.12.2003, 13:17
    —
Werner schrieb:

Zitat:
das ist m.E. eines der Hauptsymptome der Krankheit Kapitalismus - Wenn sich eine Produktion nicht lohnt, so findet diese einfach nicht statt. Nur: Was sagt dies real über den Wert eines Werkes aus?


Natürlich nichts, es sagt nur etwas über seinen Marktwert aus...

Zitat:
Ich bin der Auffassung dass, wer seinen Mitmenschen etwas mitzuteilen hat (oder zu haben glaubt..), dies auch in jedem Fall tun sollte. (Dass manche Verlage von Autoren mittlerweile "Vorkasse" verlangen ist mir bekannt, aber es gibt andere Wege, wie z.B. über das Web in Form von "ebooks" etc.).


Wenn ich diese Haltung nicht prinzipiell teilen würde, hätte ich "Stollbergs Inferno" sicherlich nicht geschrieben... Dennoch: Autoren müssen ja auch von etwas leben... Das Schreiben eines nicht marktnormierten Buches ist ein Luxus, den man sich nicht immer leisten kann. Vorausgesetzt, Stollbergs Inferno würde sich 20.000 mal verkaufen (auch wenn das nicht sonderlich realistisch ist, es ist ja prinzipiell durchaus vorstellbar, dass 20.000 + X Leuten in Deutschland das Buch gefallen würde), so könnte ich mir den Luxus gönnen, 4 Monate an einem Nachfolgebuch zu schreiben.

Gegenwärtig fehlen mir aber die finanziellen Ressourcen, um solch ein Risiko auf mich zu nehmen. Von Idealismus allein kann auch ich nicht existieren - oder um es mit Brecht zu formulieren: "Fressen kommt vor der Moral" zwinkern

Zitat:
Dass das Kapital Gedanken enteignet darf einfach nicht sein. Dies gilt es meiner Auffassung nach in unserer primär zu bekämpfen!.


Dem stimme völlig zu! Und ich versuche auch mein Bestes, meine Produktion nicht vom momentanen Markt-Absatz abhängig zu machen. Dennoch: Aller Idealismus stößt an seine Grenzen. Wir bräuchten strukturell andere Rahmenbedingungen, um zu verhindern, dass die "unsichtbare Hand des Marktes" interessante künstlerische (aber auch wissenschaftliche!) Projekte im Keim erstickt...

#132:  Autor: Werner BeitragVerfasst am: 22.12.2003, 20:51
    —
Zitat:
Das Schreiben eines nicht marktnormierten Buches ist ein Luxus, den man sich nicht immer leisten kann. Vorausgesetzt, Stollbergs Inferno würde sich 20.000 mal verkaufen (auch wenn das nicht sonderlich realistisch ist, es ist ja prinzipiell durchaus vorstellbar, dass 20.000 + X Leuten in Deutschland das Buch gefallen würde), so könnte ich mir den Luxus gönnen, 4 Monate an einem Nachfolgebuch zu schreiben.

Gegenwärtig fehlen mir aber die finanziellen Ressourcen, um solch ein Risiko auf mich zu nehmen. Von Idealismus allein kann auch ich nicht existieren - oder um es mit Brecht zu formulieren: "Fressen kommt vor der Moral"


Hallo,

du hast natürlich recht. Es ist nur sehr frustrierend zu beobachten wie der Markt normiert wird. Um es einmal sehr verkürzt auszudrücken: das Kapital normiert den Markt d.h. wer über die Mittel verfügt, Meinungen zu bilden bzw. Gemeinplätze bereits dadurch zu schaffen dass diese als solche postuliert werden (dem Rezipienten zu vermitteln was "in" und was "out", was "total angesagt" oder "was ätzt"), der kann sich problemlos selbst einen Markt schaffen.

Beispiele hierfür sind endlos: Fernsehmagazine" wie u.a. "Lifestyle" welche propagieren dass es z.B. eben zur Zeit total angesagt ist, sich Schlangengift in die Gesichtsmuskulatur spritzen zu lassen. Oder, noch perfider: Werbung mit redaktionellem Inhalt, als Anzeige als solches in vermeintlich "seriösen" Zeitungen gut versteckt zwischen den Tagesmeldungen. "Harry Potter" lässt grüßen.. . (Nicht dass ich einem/einer AutorIn den Erfolg nicht gönnte, jedoch gab und gibt es m.E. durchaus wichtigere Werke).

Nimm folglich meine "Pöbelei" bezüglich dieser Gegebenheiten keinesfalls persönlich. Eher als allgemein und im Ansatz durchaus Gesellschaftskritisch. Und "Gesellschaftskritik" ist gerade heute durchaus indiziert.. zwinkern

Es ärgert nur sehr, dass Finanzstarke (allerdings sehr schlechte) Autoren nahezu jeden Dummfug verbreiten können (und daran obendrein noch prächtig verdienen), jedoch durchaus gute Autoren durch die aktuellen Gegebenheiten de facto mundtot gemacht werden.

Gruß,
Werner

PS.: Dir und allen anderen Lesern dieses Forums geruhsame Feiertage !(auch wenn's bei der einen oder anderen Weihnachtsfeier sicherlich auch in diesem Jahr wieder ob z.B. "unpassender" oder "nicht erwartungsgemäßer" Geschenke zu mehr oder minder folgenschweren Amokläufen kommen wird..) Smilie

#133:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 23.12.2003, 02:02
    —
Nun, die Reise ging ja - insbesondere in der letzten Phase (die sieben Ringe des Himmels handelt Dante ja in derselben - in dem Falle lyrischen - Breite ab wie zuvor Hölle und Fegefeuer) - recht rasant vonstatten. Der Erzengel hätte ja z.B. selbst ein bißchen mehr über seine Beweggründe erzählen können, sich von Gott abzuwenden, anstatt Jan einfach nur das Schwert in die Hand zu drücken. Einer der Todsünder hätte sich bemüßigt sehen können, inmitten dieses religiös motivierten Gekloppes auf einen Felsen zu steigen und eine flammende Rede zu halten, nicht achtend auf die Worte des Nazischergen, da dies keinen Sinn habe, und erst später Buddha und Gandhi begegnen, die ihm dann sagen, daß sie das auch versucht hätten.

Noch eine Frage, wo ich doch die seltene Gelegenheit habe, mal den Autor persönlich... . Also: indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten. Heißt das auch, daß der Gott in ihm der schwächste oder doch der fatalistischste resp. schicksalsergebenste war, während Stollberg ja gezögert hat, das Schwert gegen ihn zu erheben. War also der Gott in ihm stärker, hat sich heftiger gewehrt, obwohl er doch hilflos erschien?

Aber ansonsten... Smilie

[Was mir jetzt gerade noch einfällt: kann ein General andere zu Generälen ernennen, der Benutzer eines nutzungsbeschränkten Computernetzwerks einem anderen Nutzer die gleichen Nutzungsrechte verleihen wie er selbst hat? Wenn die Antwort jeweils "Nein" lautet, kann es das "ewige Leben", wie die Christen den Begriff gebrauchen, nicht geben, da ein Wesen ja nicht eine Eigenschaft seiner selbst auf ein anderes übertragen kann, sondern nur eine schwächere Eigenschaft.]

#134:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 23.12.2003, 19:11
    —
Critic hat folgendes geschrieben:
indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten.


- Dir ist hoffentlich klar, dass das nicht wirklich Nietzsche ist. Cool

#135:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 24.12.2003, 03:56
    —
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten.


- Dir ist hoffentlich klar, dass das nicht wirklich Nietzsche ist. Cool


Das ist mir durchaus bewußt. Er ist nur ein Teil von Jans Persönlichkeit, und zwar der Teil, der am wenigsten Skrupel hat, einen abseitigen Teil seiner selbst zu eliminieren, oder aber jeweils die Vorstellung von ihm.

(Und Elli ist ja auch nicht real, sondern gewissermaßen die Selbstliebe, die Liebe zu der einzigen Person, die einen einhundertprozentig versteht...) Lachen

#136:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 24.12.2003, 12:12
    —
Critic hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten.


- Dir ist hoffentlich klar, dass das nicht wirklich Nietzsche ist. Cool


Das ist mir durchaus bewußt. Er ist nur ein Teil von Jans Persönlichkeit, und zwar der Teil, der am wenigsten Skrupel hat, einen abseitigen Teil seiner selbst zu eliminieren, oder aber jeweils die Vorstellung von ihm.

(Und Elli ist ja auch nicht real, sondern gewissermaßen die Selbstliebe, die Liebe zu der einzigen Person, die einen einhundertprozentig versteht...) Lachen


- Vermutlich der solipsistische Grundgedanke. Lachen

#137:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 12.01.2004, 10:10
    —
Critic hat folgendes geschrieben:
Noch eine Frage, wo ich doch die seltene Gelegenheit habe, mal den Autor persönlich... . Also: indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten. Heißt das auch, daß der Gott in ihm der schwächste oder doch der fatalistischste resp. schicksalsergebenste war, während Stollberg ja gezögert hat, das Schwert gegen ihn zu erheben. War also der Gott in ihm stärker, hat sich heftiger gewehrt, obwohl er doch hilflos erschien?


Soweit habe ich gar nicht gedacht. Nietzsche kommt mit der Situation einfach am besten zurecht, da er ohnehin dachte, dass ER selbst Gott ist. Zudem ist der Nietzsche der Geschichte - da hat Schmerzlos natürlich völlig Recht! - nichts weiter als eine Abspaltung von Stollbergs Persönlichkeit - eben jener Teil, der am ehesten in der Lage ist, das Schwert gegen das vermeintlich Höchste und Heiligste zu führen...
Dramaturgisch war genau diese Inszenierung natürlich auch sinnvoll, da ich so Nietzsche nach der Tötung Gottes das markante Originalzitat in den Mund legen konnte....

#138:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 12.01.2004, 17:35
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Noch eine Frage, wo ich doch die seltene Gelegenheit habe, mal den Autor persönlich... . Also: indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten. Heißt das auch, daß der Gott in ihm der schwächste oder doch der fatalistischste resp. schicksalsergebenste war, während Stollberg ja gezögert hat, das Schwert gegen ihn zu erheben. War also der Gott in ihm stärker, hat sich heftiger gewehrt, obwohl er doch hilflos erschien?


Soweit habe ich gar nicht gedacht. Nietzsche kommt mit der Situation einfach am besten zurecht, da er ohnehin dachte, dass ER selbst Gott ist.


- Nö. Da liegst Du falsch. zwinkern

#139:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 12.01.2004, 19:50
    —
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Noch eine Frage, wo ich doch die seltene Gelegenheit habe, mal den Autor persönlich... . Also: indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten. Heißt das auch, daß der Gott in ihm der schwächste oder doch der fatalistischste resp. schicksalsergebenste war, während Stollberg ja gezögert hat, das Schwert gegen ihn zu erheben. War also der Gott in ihm stärker, hat sich heftiger gewehrt, obwohl er doch hilflos erschien?


Soweit habe ich gar nicht gedacht. Nietzsche kommt mit der Situation einfach am besten zurecht, da er ohnehin dachte, dass ER selbst Gott ist.


- Nö. Da liegst Du falsch. zwinkern


Für den späten (verwirrten) Nietzsche gilt das schon... (Der Arme unterschrieb einige seiner letzten Briefe mit "der Gekreuzigte"...)

Aber darum geht es eigentlich auch nicht... Der (nicht verwirrte) Nietzsche steht im Roman für den Menschen, der sich von keinem Gott beHERRschen lässt, der sich an die Stelle des vermeintlich Höchsten setzt. Er ist der Mensch, der sich jenseits der Dialektik Gut und Böse bewegt, der Richter über den Richter, der Umwerter aller Werte... Deshalb wäre niemand besser geeignet gewesen, den selbstgestrickten Gottes zu enthaupten, als er... Oder sieht das jemand anders?

#140:  Autor: Nergal BeitragVerfasst am: 12.01.2004, 20:12
    —
Herr Schmidt Salomon, sie haben doch auch so einen wunderbar bösen Humor, haben sie vieleicht Ideen für einen Flash Film mit welchem wir für den FBÖ bzw IBKA werben können oder wir machen gleich Werbung für ihr Buch weils so etwas ebenfalls wenn nicht besonders das Denken jenseits der vorgegebenen Glücksseeligkeitsautobahn fördert, das ding stellen wir dann bei Newgrounds.
Ich würde gerne so einen Film mit Nietzsche in der Hölle machen wo er gründlich Chaos stiftet, eine eigene Serie über eine der Figuren aus ihrem Buch die das christliche (unter)weltbild demontieren zynisches Grinsen

#141:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 13.01.2004, 14:57
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Schmerzlos hat folgendes geschrieben:
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Noch eine Frage, wo ich doch die seltene Gelegenheit habe, mal den Autor persönlich... . Also: indessen war Nietzsche von allen Mitstreitern, die bis ans Ende gelangt sind, der bereitwilligste, den Gott als Teil seiner selbst zu töten. Heißt das auch, daß der Gott in ihm der schwächste oder doch der fatalistischste resp. schicksalsergebenste war, während Stollberg ja gezögert hat, das Schwert gegen ihn zu erheben. War also der Gott in ihm stärker, hat sich heftiger gewehrt, obwohl er doch hilflos erschien?


Soweit habe ich gar nicht gedacht. Nietzsche kommt mit der Situation einfach am besten zurecht, da er ohnehin dachte, dass ER selbst Gott ist.


- Nö. Da liegst Du falsch. zwinkern


Für den späten (verwirrten) Nietzsche gilt das schon... (Der Arme unterschrieb einige seiner letzten Briefe mit "der Gekreuzigte"...)


- Ich könnte darauf näher eingehen. Ich teile diese Auffassung nicht.

Zitat:
Aber darum geht es eigentlich auch nicht... Der (nicht verwirrte) Nietzsche steht im Roman für den Menschen, der sich von keinem Gott beHERRschen lässt, der sich an die Stelle des vermeintlich Höchsten setzt.


- Das trifft für mich nicht auf den 'historischen'(wirklichen) Nietzsche zu.

Zitat:
Er ist der Mensch, der sich jenseits der Dialektik Gut und Böse bewegt, der Richter über den Richter, der Umwerter aller Werte...


- Das trifft sicherlich auf den Nietzsche in Stollbergs Inferno zu...

Zitat:
Deshalb wäre niemand besser geeignet gewesen, den selbstgestrickten Gottes zu enthaupten, als er... Oder sieht das jemand anders?


- Ich. zwinkern

#142:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 15.01.2004, 13:17
    —
Nergal hat folgendes geschrieben:
Herr Schmidt Salomon, sie haben doch auch so einen wunderbar bösen Humor, haben sie vieleicht Ideen für einen Flash Film mit welchem wir für den FBÖ bzw IBKA werben können oder wir machen gleich Werbung für ihr Buch weils so etwas ebenfalls wenn nicht besonders das Denken jenseits der vorgegebenen Glücksseeligkeitsautobahn fördert, das ding stellen wir dann bei Newgrounds.
Ich würde gerne so einen Film mit Nietzsche in der Hölle machen wo er gründlich Chaos stiftet, eine eigene Serie über eine der Figuren aus ihrem Buch die das christliche (unter)weltbild demontieren zynisches Grinsen


Natürlich kannst du mit den Figuren des Romans machen, was du willst...
Leider habe ich im Moment keine Zeit, mir Gedanken über Flashfilme zu machen. Sollte sich etwas daran ändern, sage ich Bescheid...

BTW: Mir fällt ein: Wolltest du nicht versuchen, "Das Maria-Syndrom" als Comic umzusetzen? Im Mai ist das 10-Jahresjubiläum des Aufführungs-Verbots. Da könnte man so etwas gut unter die Leute bringen... zwinkern

#143:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 15.01.2004, 13:19
    —
Zitat:
Zitat MSS:
Deshalb wäre niemand besser geeignet gewesen, den selbstgestrickten Gottes zu enthaupten, als er... Oder sieht das jemand anders?

Zitat Schmerzlos:
- Ich. zwinkern


Das habe ich nicht anders erwartet... Lachen

#144:  Autor: Nergal BeitragVerfasst am: 15.01.2004, 13:33
    —
Genau das mit dem Comic ist irgendwie völlig untergegangen.
Ich werde dann mal was zusenden.

#145:  Autor: Schmerzlos BeitragVerfasst am: 15.01.2004, 14:25
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Zitat MSS:
Deshalb wäre niemand besser geeignet gewesen, den selbstgestrickten Gottes zu enthaupten, als er... Oder sieht das jemand anders?

Zitat Schmerzlos:
- Ich. zwinkern


Das habe ich nicht anders erwartet... Lachen


- Ich habe es nicht erwartet. zwinkern

#146:  Autor: Don Quixote BeitragVerfasst am: 20.01.2004, 11:31
    —
Nergal schrieb: "Ich würde gerne so einen Film mit Nietzsche in der Hölle machen wo er gründlich Chaos stiftet, eine eigene Serie über eine der Figuren aus ihrem Buch die das christliche (unter)weltbild demontieren ."

Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Gab es nicht schon überlegungen zu einem richtigen Stollberg Film? Hat sich in diese Richtung schon etwas entwickelt?

Das Buch schreit doch förmlich danach, verfilmt zu werden! Als ich den Roman las, lief gewissermassen ein Breitwandfilm in meinem Kopf ab... Durch das Kino könnte das Buch viel mehr Menschen erreichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine gute Verfilmung des Romans ein riesiger Erfolg werden würde (wahrscheinlich auch ein handfester Skandal, was den Erfolg noch zusätzlich befördern würde...)

#147:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 01.02.2004, 17:51
    —
Don Quixote hat folgendes geschrieben:
Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Gab es nicht schon überlegungen zu einem richtigen Stollberg Film? Hat sich in diese Richtung schon etwas entwickelt?


Nein, nichts Konkretes...
Man darf das Problem der Finanzierung eines solchen Films auch nicht unterschätzen... An der Verfilmung meines Musicals "Das Maria-Syndrom" war ja vor 10 jahren der bekannte Regisseur Ken Russell (u.a. Regisseur der Kinoverfilmung des The Who-Klassikers "Tommy") interessiert, trotzdem kam es nicht zu einem Film, weil es schwierig war, Geldgeber für ein solch (vor allem rechtlich!) heikles Projekt zu finden...

Zitat:
Das Buch schreit doch förmlich danach, verfilmt zu werden! Als ich den Roman las, lief gewissermassen ein Breitwandfilm in meinem Kopf ab... Durch das Kino könnte das Buch viel mehr Menschen erreichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine gute Verfilmung des Romans ein riesiger Erfolg werden würde (wahrscheinlich auch ein handfester Skandal, was den Erfolg noch zusätzlich befördern würde...)


Wenn das die Experten im Bereich Filmförderung auch so sehen würden, würde es einen solchen Film sicherlich auch irgendwann geben... Wir haben überlegt, einen Literaturagenten einzuschalten, der die Lage abklopfen könnte... Nur müsste dieser auch erst einmal gefunden werden... Mit so etwas hat sich der Alibri-Verlag bislang noch nicht herumschlagen müssen...

#148:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 30.04.2004, 13:01
    —
Terminhinweis zum Roman:

30.06.04, 19.30 Uhr:

Joachim Goetz (Gesellschaft für Kritische Philosophie) stellt den Roman "Stollbergs Inferno" vor (mit anschließender Diskussion).

Veranstaltungsort: Nachbarschaftshaus Gostenhof, Nürnberg

Vielleicht ist ja irgendein Forumsmitglied zu diesem Zeitpunkt in Nürnberg und hat Zeit, mal reinzuschauen. Wenn ja, könnte er/sie an dieser Stelle von der Veranstaltung berichten. Würde mich schon interessieren... Cool

#149:  Autor: Nav BeitragVerfasst am: 05.09.2004, 01:38
    —
@M.S.Salomon

Was ist mit Karl Popper? Ist der auch in der Hölle? zynisches Grinsen

Außerdem würde mich interessieren, was aus Mendel wurde... Pfeifen

#150:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 29.09.2004, 10:11
    —
Nav hat folgendes geschrieben:
@M.S.Salomon

Was ist mit Karl Popper? Ist der auch in der Hölle? zynisches Grinsen

Außerdem würde mich interessieren, was aus Mendel wurde... Pfeifen


Ich war mir bei Popper nicht sicher, in welchen Ring der Vorhölle er gelandet wäre. Durch die Entwicklung des Kritischen Rationalismus wäre er natürlich prädestiniert für den siebten Ring der Todsünder. Andererseits war seine Kritik des metaphysischen Denkens nicht eindeutig, möglicherweise hätte er sich dem "Druck der Fakten" in einer imaginären Hölle gebeugt. Bei Hans Albert wäre die Sache klarer gewesen, aber der ist glücklicherweise quicklebendig (und hat übrigens "Stollbergs Inferno" auch gelesen...)

Mendel blieb trotz seiner Leistungen zur Vererbungslehre religiös. Als er Abt wurde, gab er seine wissenschaftlichen Forschungen ganz auf. Möglicherweise wäre er in der Theologischen Fakultät des 4. Rings gelandet...

#151:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 29.09.2004, 10:16
    —
Für diejenigen, die es interessiert:

Ich werde Auszüge aus dem Roman in Frankfurt und Stuttgart lesen. Die Premiere vorgestern in Gelsenkirchen verlief sehr erfolgreich...


7.10.04, 20.00Uhr
Lesung: Stollbergs Inferno
"Club Voltaire", Kleine Hochstr. 5, Frankfurt

Veranstalter/Info:
Humanistische Union
co: Peter Menne
Speyerstr. 16, 63065 Offenbach
Tel. 069 / 800 4717

25.11. 04, 19.00 Uhr
Lesung: Stollbergs Inferno
Freireligiöses Gemeindezentrum, Mörikestraße 14, Stuttgart

Veranstalter/Info:
Freireligiöse Landesgemeinde Würtemberg
Mörikestraße 14
70178 Stuttgart
Tel: 0711 / 64 93 780
Fax: 0711 / 64 93 886
www.frgw.de

#152:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 29.09.2004, 11:15
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Bei Hans Albert wäre die Sache klarer gewesen, aber der ist glücklicherweise quicklebendig (und hat übrigens "Stollbergs Inferno" auch gelesen...)
Ist auch bekannt, wie er den Roman gefunden hat?

#153:  Autor: M.S.Salomon BeitragVerfasst am: 29.09.2004, 14:34
    —
Spock hat folgendes geschrieben:
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Bei Hans Albert wäre die Sache klarer gewesen, aber der ist glücklicherweise quicklebendig (und hat übrigens "Stollbergs Inferno" auch gelesen...)
Ist auch bekannt, wie er den Roman gefunden hat?


Ja, er sagte mir, dass er sich bei der Lektüre sehr amüsiert habe (wahrscheinlich auch, weil sein alter Konkurrent Adorno als "hölzerner Charakter" dargestellt wurde...) Dass der "Kritische Rationalismus" im Inferno ein wenig untergegangen ist, bedauerte er wohl. Ich versicherte ihm aber, dass er selber dem Schicksal, als Todsünder Romanfigur zu werden, nur dadurch entgangen ist, dass er noch lebe... zwinkern

#154:  Autor: SpockWohnort: Herbipolis BeitragVerfasst am: 30.09.2004, 11:03
    —
M.S.Salomon hat folgendes geschrieben:
Ich versicherte ihm aber, dass er selber dem Schicksal, als Todsünder Romanfigur zu werden, nur dadurch entgangen ist, dass er noch lebe... zwinkern
Lachen

#155:  Autor: Anatoly BeitragVerfasst am: 17.02.2006, 17:41
    —
Im GBS Unterforum hat M.S.Salomon folgendes geschrieben:
Zitat:

Du meinst sicherlich "Stollbergs Inferno"...
Nein, zur Zeit ist kein Nachfolgerroman geplant, aber es gibt immerhin ernsthafte Überlegungen für eine Bühnenfassung, die an mich herangetragen wurden. Mal schauen, was daraus wird...


Cool wären auch ein Comic und ein Film. Vorallem einem Film würde ich zutrauen ein größeres und auch jüngeres Publikum zu erreichen. Aber das wird wohl Wunschdenken bleiben.

#156:  Autor: Magrathea BeitragVerfasst am: 31.03.2006, 14:06
    —
Ich habe gerade mit Bedauern festgestellt, dass die Stadtbücherei Stuttgart 'Stollbergs Inferno' nicht im Bestand hat. Heldenhafterweise habe ich sofort etwas dagegen unternommen und einen Anschaffungsvorschlag für dieses Buch und auch für das Manifest abgeschickt. Hatte schon mal Erfolg mit einem Anschaffungsvorschlag für Susan Blackmores 'Die Macht der Meme'. Vielleicht klappt es jetzt ja auch.

Vielleicht hat ja noch jemand Lust, mal bei seiner Bücherei nachzuforschen und ggf. einen Anschaffungsvorschlag zu machen, falls möglich.

#157:  Autor: Rudolf BeitragVerfasst am: 31.03.2006, 14:42
    —
Ich habe das Buch gelesen als es rauskam und fand es sehr gut.

#158:  Autor: FluseWohnort: Niedersachsen BeitragVerfasst am: 05.04.2006, 04:19
    —
Anatoly hat folgendes geschrieben:
Im GBS Unterforum hat M.S.Salomon folgendes geschrieben:
Zitat:

Du meinst sicherlich "Stollbergs Inferno"...
Nein, zur Zeit ist kein Nachfolgerroman geplant, aber es gibt immerhin ernsthafte Überlegungen für eine Bühnenfassung, die an mich herangetragen wurden. Mal schauen, was daraus wird...


Cool wären auch ein Comic und ein Film. Vorallem einem Film würde ich zutrauen ein größeres und auch jüngeres Publikum zu erreichen. Aber das wird wohl Wunschdenken bleiben.


Oha, bei den heftigen Sexspielen in der Hölle wird es für die Regisseure schwierig! zwinkern

#159:  Autor: Xamanoth BeitragVerfasst am: 12.04.2006, 13:29
    —
Meine detaillierte Meinung über das Buch später, aber zunächst:

Wo ist eigenltihc Dante selbst, dessen Komödie ja wohl die entscheidneste Inspiratioon des ganzen gewesen ist. ER wird nur einmal kurz erwähnt.

Bei den liberalen Christen, weil er die Kirche so scharf attackiert?
Wegen seiner Angeblichen Läuterung im Paradieß?
Gar bei den Totsündern, weil er sich anmaßte, Gottes Wirken zu beschreiben?

Der Meister selbst glaubte ja, im Purgatorio wegen Hochmut und Wollust büßen zu müssen, bevor er das Paradieß erlangt.

#160:  Autor: Magrathea BeitragVerfasst am: 25.04.2006, 19:30
    —
Magrathea hat folgendes geschrieben:
Ich habe gerade mit Bedauern festgestellt, dass die Stadtbücherei Stuttgart 'Stollbergs Inferno' nicht im Bestand hat. Heldenhafterweise habe ich sofort etwas dagegen unternommen und einen Anschaffungsvorschlag für dieses Buch und auch für das Manifest abgeschickt. Hatte schon mal Erfolg mit einem Anschaffungsvorschlag für Susan Blackmores 'Die Macht der Meme'. Vielleicht klappt es jetzt ja auch.

Vielleicht hat ja noch jemand Lust, mal bei seiner Bücherei nachzuforschen und ggf. einen Anschaffungsvorschlag zu machen, falls möglich.


Hab gerade mal nachgeschaut. Beide Bücher wurden von o.g. Bücherei bestellt. 'Stollbergs Inferno' habe ich mir gleich vormerken lassen. Werde also zuerst ich lesen dürfen. zwinkern

#161:  Autor: ThorbertWohnort: Somwhere between mountains BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 01:48
    —
Nun, auf Umwegen gelangte der Ruf Stollbergs auch in die schweizer Berge, so wollte auch ich an seinem Inferno teilhaben. Per Internet orderte ich dies' Buch, und an dem Tage, als ich es in meiner Post fand, begann ich dasselbe sofort zu lesen und konnte nicht mehr von ihm lassen, bis auch die letzten Zeilen gelesen waren.....

......eine treibende Geschichte, die viel Platz für die eigene bildliche Vorstellung lässt, je näher dem Finale desto rascher und treibender die Erzählung.....

.....mit einem, im ersten Moment, abrupten Ende, welches ich aber im nachhinein, wie "der kleine Tod" am Ende des sexuellen Aktes verstand......immerhin endet es ja mit Jan's "grossem" Tod.....

Für mich als philosophisch Ungebildeter eine wertvolle Annäherung an die grossen Gedanken grosser Denker. Durch den Roman angeregt, fand Nietzsches "Also sprach Zarathustra" und "Der Antichrist" den Weg in meine Welt, wie ein frischer Wind, der den Mief der vermoderden Trümmer meiner einst stolzen monotheistischer Festung verbläst.

Eine Verfilmung von Stollbergs Inferno fänd ich eine tolle Sache (man stelle sich vor; Robert de Niro als Nietzsche, Uma Thurman als Elli, Regie: Quentin Tarantino....
.....naja, ein bisschen Fantasieren darf man ja wohl noch Lachen )

Finalmente: Um in der Sprache der heutigen Zeit zu bleiben: this book is very nice, man!!!

#162:  Autor: Norton BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 02:21
    —
Mir haben, wie sollte es auch anders sein die "absurden" Einfälle und Ausnehmungen der christlichen Höllen und Paradiesvorstellung (Fötensee, SS- Wachen etc...) gefallen, das Buch an sich liest sich als in Philosophie halbwegs Bewanderter wie ein Möbelhausprospekt dessen Angebot man zur Hälfte vollikeatisiert schon im Eigenheim stehen hat: Schopenhauer, der dunkle Denker der..... Camus, der französische Philosoph der .......; die Intention dahinter ist ja klar und für Menschen die sich der Thematik taufrisch nähern bestimmt sehr interessant aber nach 50 Seiten habe ich unwillentlich und manisch nur noch auf die Stelle gewartet, die die Position des nächsten Denkers von ordentlichem Schlag in 2 Sätzen zusammenfassen muss und mich irgendwie geärgert wie diese Personen eingeführt werden. Mal abgesehen davon hasse Ich es wenn Geistesgrößen wie Schopenhauer, Camus oder Nietzsche in Romanen Dialoge untergeschoben werden, da wurde Ich schon bei Yaloms "Und Nietzsche weinte" innerlich aggressiv. Schöner Einstieg in die hahnebüchene Vorstellung vieler Gläubige betreff des "Afterlife", für einschlägig Vorgebildete ennuierende Repetitionen die oftmals die guten Gedanken überschatten. Nichtsdestotrotz zur Lektüre empfohlen und in der Radikalität sowie Konsequenz noch eher eines der Bücher, die man u.a. Teilzeitchristen zum inneren Reichsparteitag und zu weiteren Gedanken bezüglich ihres Glaubens fernab härterer philosophischer Werke empfehlen könnte.

#163:  Autor: Norton BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 12:42
    —
Ist MSS eigentlich noch hier unterwegs, seine letzten Beiträge sind doch schon einige Zeit her !? Bestimmt schwer beschäftigt?

#164:  Autor: Kival BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 12:49
    —
Norton hat folgendes geschrieben:
Bestimmt schwer beschäftigt?


Richtig. Er liest hier eigentlich nicht mehr wirklich mit.

#165:  Autor: Norton BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 12:54
    —
Kival hat folgendes geschrieben:
Norton hat folgendes geschrieben:
Bestimmt schwer beschäftigt?


Richtig. Er liest hier eigentlich nicht mehr wirklich mit.


Das schreit doch nach Exkommunikation !
Schade eigentlich; aber vll. liest er gelegentlich mit und ist nur zu busy um einen ordentlichen Beitrag zu schreiben? Die Vögel- und Namensstränge werden ihr übriges getan haben Sehr glücklich .
Michael, jetzt sei mal nicht so und beehre uns mal wieder periodisch; aufgeschmissen wären wir doch !

#166:  Autor: Kival BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 13:00
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Er wird erst dann wieder hier schreiben, würde ich mal behaupten, wenn er nichts mehr zu tun hätte, also niciht mehr so viel: Würdest Du das wollen? zwinkern

#167:  Autor: Evilbert BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 20:19
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Kival hat folgendes geschrieben:
Er wird erst dann wieder hier schreiben, würde ich mal behaupten, wenn er nichts mehr zu tun hätte, also niciht mehr so viel: Würdest Du das wollen? zwinkern


Ich würde sogar wollen, dass sich IBKA und GBS auflösen. Weil ihre Arbeit überflüsig geworden ist

#168:  Autor: PfaffenschreckWohnort: City of dope BeitragVerfasst am: 06.05.2007, 20:58
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Evilbert hat folgendes geschrieben:
Kival hat folgendes geschrieben:
Er wird erst dann wieder hier schreiben, würde ich mal behaupten, wenn er nichts mehr zu tun hätte, also niciht mehr so viel: Würdest Du das wollen? zwinkern


Ich würde sogar wollen, dass sich IBKA und GBS auflösen. Weil ihre Arbeit überflüsig geworden ist

Wenn sie nix mehr zu tun hätten, hätt ich auch nix dagegen. zwinkern

#169:  Autor: NiniWohnort: Bonn BeitragVerfasst am: 03.01.2012, 16:56
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Fluse hat folgendes geschrieben:
Anatoly hat folgendes geschrieben:
Cool wären auch ein Comic und ein Film. Vorallem einem Film würde ich zutrauen ein größeres und auch jüngeres Publikum zu erreichen. Aber das wird wohl Wunschdenken bleiben.
Oha, bei den heftigen Sexspielen in der Hölle wird es für die Regisseure schwierig! zwinkern

Ich habe das Buch begeistert verschlungen, auch wenn es schon etwas älter ist... Verlegen
Hmmm, die "Sexszene" findet nicht umsonst in der Hölle statt. Es ist ja kein Bonbon zum Aufgeilen vernachlässigter Leser, sondern dem Handlungsfaden folgend ein höllisches Leiden an der Sucht, die keine Erlösung findet. Eine solche Verzweiflung wird sicher gut darstellbar sein. Dabei auf "explizite Darstellungen" zu hoffen halte ich aber eher für Wunschdenken.

#170:  Autor: Fake BeitragVerfasst am: 03.01.2012, 17:28
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Nini hat folgendes geschrieben:
Dabei auf "explizite Darstellungen" zu hoffen halte ich aber eher für Wunschdenken.

Warum eigentlich? Warum darf man bei einer Sexszene keinen Sex sehen? Ich finde das gehört auch so langsam mal geändert... Cool



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